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Die folgenden Jahre sind durchaus nicht alle Nothjahre. durch entschiedenen Mifswachs ausgezeichnet. Das Jahr 1530 war selbst fruchtbar, und es kamen nur vereinzelte Unfälle vor, wie z. B. eine grofse Ueberschwemmung im Gebiete der Sale, mitten in der Erntezeit 1). 1531 folgte ein sehr kaltes Frühjahr und ein nafskalter Sommer, nur dann und wann mit Sonnenschein, doch war der Ertrag der Felder nicht ganz unergiebig, und der allzugrofsen Noth wurde in Thüringen und Sachsen durch angelegte Korngruben gesteuert, so dafs die Landleute nicht nöthig hatten, wie dies in Schwaben oftmals geschah, das noch grüne Getreide abzumähen, um die Aehren im Backofen zu trocknen, und mit den noch unreifen Körnern sich das Leben zu fristen. 1532 und 33 waren wiederum sehr unfruchtbar; eben so 1534 wegen sehr grosser Sommerhitze und Dürre. 1535 endlich schien die Ordnung in dem Wechsel der Jahreszeiten, und mit ihr das Gedeihen wiedergekehrt zu sein, und die Noth hörte auf 2). Die Berichte aus den einzelnen Gegenden Deutschlands lauten sehr verschieden, doch blieb die Theuerung volle sieben Jahre lang (1528 bis 1534) vorherrschend 3), und da man in jedem kleineren Gesichtskreise ihre Ursachen nicht aufzufinden vermochte, so erinnerte man sich oft des alten Spruches: „Wenn eine Theuerung sein soll, so hilft es nicht, wenn auch gleich alle Berge eitel Mehl wären 4).“

1) Spangenberg, M. Chr. fol. 432. a.

2) Ebend. fol. 433. a. 435. b. Schwelin, S. 149. 50.

3) Ein märkischer Chronist versichert sogar, sie habe bis 1546 gedauert. Annales Berol. Marchic. Doch widersprechen dem die übrigen Zeitgenossen.

4) Spangenberg, fol. 432. a.

5. Schweifssucht in Deutschland.

1529.

Diese Thatsachen sind hinreichend, um das Bild des Hintergrundes vorläufig zu entwerfen, auf dem das Gespenst von England sich bewegte, zu dem wir Aufhören in jetzt zurückkehren. Wie lange die Schweifssucht dort England. noch gewüthet, wann Heinrich VIII. seinen abgelegenen Zufluchtsort verlassen habe, um in seine Hauptstadt wieder einzuziehen, darüber hat niemand Nachrichten aufgezeichnet. Dafs sie sich sehr schnell über das ganze Königreich verbreitet habe, ist mit Bestimmtheit zu vermuthen, und würde wahrscheinlich noch aus geschriebenen Urkunden an Ort und Stelle leicht zu ermitteln sein. Die Annahme, dafs sie in keiner Stadt länger als einige Wochen heftig gewüthet habe, wird durch näher liegende übereinstimmende Erscheinungen gerechtfertigt, doch hat sie wohl ohne Zweifel bis in den lauen Winter in geringerer Stärke unter dem Volke fortgedauert. Dafs sie noch während des Sommers 1529 in England vorhanden gewesen sei, darüber sind keine, auch nicht einmal ungenaue Angaben zu ermitteln. Als Volkskrankheit bestand sie gewifs nicht mehr, doch ist bei Erwägung der Luftbeschaffenheit in diesem Jahre nicht in Abrede zu stellen, dafs noch vereinzelte Erkrankungen am Schweifsfieber vorgekommen sein mögen, denn Seuchen wie diese bleiben bei der Fortdauer ihrer ursprünglichen Ursachen nicht ohne Nachzügler 1).

1) Newenar behauptet zwar, das Schweifsfieber sei in England alljährlich zum Ausbruch gekommen, fol. 68. b.; doch haben dergleichen allgemeine und unbestätigte Versicherungen von Fremden, die selbst nicht in England gewesen waren (der Graf Hermann von Newenar war Propst in Köln), nicht die geringste Glaubwürdigkeit.

Westwärts nach Irland drang das Schweifsfieber nicht vor, und eben so wenig überschritt es die schottische Gränze; die Geschichtschreiber, die über ein so gefürchtetes Ereignifs gewifs berichtet haben würden, wissen davon durchaus nichts. Das Trauerspiel sollte sich anderswo entwickeln, andere Völker sollten darin auftreten.

Hamburg war der erste Ort des festen Landes, wo das Schweifsfieber ausbrach. Hier waren die Gemüther noch in grofser Aufregung von den Begebenheiten der letzten Monate. Die Evangelischen hatten nach langen und leidenschaftlichen Kämpfen die Päpstlichen endlich überwunden. Eben erst hatte man unter Bugenhagen's weiser Leitung das grofse Werk der Kirchenverbesserung vollendet, die Klöster aufgehoben, die Mönche entlassen, Schulen eingerichtet, und der Friede kehrte wieder im Genusse der kirchlichen Freiheit. Da erschien unvermuthet gegen den 25. Juli die gefürchtete Seuche, von der man schon so lange und so oft Wunderbares gehört. Sie erregte sogleich, wie bisher immer in England, allgemeine Bestürzung, und bevor man sich noch von Engländern, oder von Deutschen, die in England gewesen waren, von ihrer Behandlung so oder so unterrichtet

Ausbruch in Hamburg, den

25. Juli.

hatte, tödtete sie täglich 40 bis 60, und im Ganzen Sterblichkeit. innerhalb 22 Tagen 1) gegen 1100 Einwohner, denn so viele Särge waren in dieser Zeit von den Schreinern verfertigt worden. Die Dauer des grofsen Sterbens so wollen wir das stärkere Wüthen der Seuche nennen war indessen bei weitem geringer, und kann füglich auf etwa neun Tage bestimmt werden,

1) Von Jacobi, den 25. Juli, bis zu Mariae Himmelfahrt, den 15. August. Staphorst, a. u. a. O.

denn aus dem erhaltenen Bruchstücke eines Bricfes aus Hamburg, der von einem dortigen Burgemeister am S. August nach Wittenberg gesandt wurde, geht hervor, dafs schon einige Tage früher niemand weiter am Schweifsfieber gestorben war, als einer oder zwei Trunkenbolde, und man um diese Zeit wieder Athem Ende um den schöpfte '). Danach ist denn auch die unverbürgte 5. August. Nachricht zu beurtheilen, dafs die Krankheit noch gegen vierzehn Tage länger gewährt habe, und der Menschenverlust auf 2000 gestiegen sei. Jedenfalls kündigte sich aber die Seuche dem Festlande mit derselben Bösartigkeit an, die ihr von Ursprung an eigenthümlich war, und wenn in der Entfernung die Angaben über die Sterblichkeit in Hamburg immer höher und höher gesteigert wurden 2), so war gewifs Grund genug zu Uebertreibungen dieser Art vorhanden, die ohnehin in Zeiten so grofser Gefahr nicht ausbleiben. Die Geschichtschreiber der damals schon mächtigen und gebildeten Handelsstadt haben im Ganzen nur wenig über dieses wichtige Ereignifs berichtet, wie dies wohl leicht erklärlich wird aus der anhaltenden Beschäftigung der Gemüther mit den heiligsten Angelegenheiten des Menschen, und dem altherkömmlichen

1),,Denn so schrieb ein Burgermeister von Hamburg, am Sonnabend fur Laurentii (d. i. den 8. August) M. D. XXIX. iar, Hie stirbt, Gott lob, an der Schwitzenden seuche niemand mehr, und ist auch in etlichen Tagen niemand gestorben, an allein einer oder zwehn trunckenbölt, die sich nicht regiren wollen." Ein Regiment u. s. w. Wittemberg.

2) So steht z. B. irgendwo im zweiten Bande von Leibnitz Scriptores rerum Brunsvicensium, es wären in Hamburg 8000 Menschen am Schweifsfieber gestorben. Ein unbekannter Chronist bei Staphorst, Th. II. Bd. I. S. 85. giebt 2000 an.

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kurzen Verweilen der Volkskrankheit, die wie eine
vorüberschwebende Lufterscheinung rasch und beson-
nen beobachtet werden mufste, wollte man der Nach-
welt des Aufzeichnens werthe Angaben hinterlassen.
Doch haben sich unter einem Ballast nichtssagender
Allgemeinheiten einige Nachrichten über ihren ersten
Ursprung erhalten. So soll das Schweifsfieber sich

nicht eher in der Stadt gezeigt haben, als bis ein
Schiffer Hermann Evers gerade um die angegebene
Zeit (den 25. Juli) aus England zurückgekehrt sei,
und mit ihm am Bord viele junge Leute (aufser den
Matrosen wahrscheinlich auch Reisende), von denen
in zwei Tagen wohl zwölf an dieser Krankheit ge-
storben wären ). Diese Verstorbenen waren nach
einer andern Angabe nicht in England, sondern unter-
weges auf dem hohen Meere erkrankt, und die Seu-
che brach aus, nachdem die noch übrige Mannschaft
gelandet war.
Hierüber haben wir noch die ganz
glaubwürdige Angabe, dafs in der Nacht nach der

1

1),,Darnegst im Jar 1529 gegen Jacobi hefft Godt alweldig gesandt ene greulicke Kranckheit aver de Stadt van Hamborg, welcke was de schwetende Sicke, de is in negenderley Unterscheding, welcke begunde, als de Schipper Herman Evers quam uth Engelland gegen Jacobi mit velen jungen Gesellen, darvan sturven sulliken in twe dagen wohl 12 Personen, de da bevillen in de Süke, welcke tho Hamborg und in andern Landen was unbekandt gewesen, so dat neen Minsch levede so old, de der kranckheid geliken gedacht hedde." Unbekannter Augenzeuge bei Staphorst, Th. II. Bd. I. S. 83. Ein anderer äufsert sich darüber ebendas. S. 85.: , De Anfanck der Kranckheit was uth Engelland, den da was Volck underwegens bevallen, do de up dat Land kämen, und de by de kämen, kregent ock, dat idt so manck dem gemenen Mann kam." Unbestimmte Angaben finden sich bei Adelung, S. 77., Stelzner, Th. II. S. 219. in der kurzgef. Hamb. Chr. S. 45. und vielen anderen.

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Schiff aus
England.

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