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grofse Sterben nur irgend zu Athem kommen können. Am Hofe des Königs wurde es wieder einsam, und zu den vielen Leidenschaften und Gemüthsregungen, welche sich hier seit 1517 durchkreuzt hatten man gedenke nur des theologischen Eifers, den Heinrich's VIII Glaubensvertheidigung hervorgerufen gesellte sich wieder die alte Angst und Beklommenheit, die durch den Tod einiger hochbegünstigten Hofleute gerechtfertigt schien, namentlich zweier Kammerherren 1) und des aus Spanien zurückgekehrten Gesandten Sir Francis Poynes. Der König verliefs Heinrich VIII. sofort London, und suchte der Seuche durch beständiges Umherreisen zu entgehen, bis er endlich, des unstäten Lebens überdrüssig, in Tytynhangar sein Verhängnifs abzuwarten beschlofs. Hier lebte er still und abgeschieden mit seiner ersten Gemahlin und wenigen Vertrauten, umgeben von luftreinigenden Feuern, und bewacht von der Vorsicht seiner Aerzte, denen die Genugthuung zu Theil wurde, dafs die Seuche von dem einsamen Aufenthalte fern blieb 2).

verlust.

Wie hoch in diesem Sterben, welches einige Ge- Menschenschichtschreiber das grofse nennen, der Menschenverlust gestiegen sei, kann nur nach den mitgetheilten Thatsachen beurtheilt werden, die eine äusserst gewaltsame Erschütterung der Gemüther beurkunden. Genaue Angaben fehlen durchaus, doch liegt es klar am Tage, das ganze englische Volk, vom Throne bis in die niedrigste Hütte, wurde von dem Angstgefühl der Unsicherheit des Lebens durchzuckt, gegen welches

1) Sir William Compton und William Carew, aufser vielen anderen Vornehmen, die nicht genannt sind.

2) Grafton, p. 412., die Hauptstelle. Vergl. Holinshed,
Baker, p. 293. Hall, p. 750.

p. 735.

Cherbury, p. 215.

Herbert of

weder die Rohheit der Sitten, noch die alltäglichen Wirkungen mit Blut geschriebener Gesetze 1) die Gemüther abgestumpft hatten. Dergleichen geschieht nicht ohne sehr zahlreiche Todesfälle, die jedem Einzelnen die Gefahr nahe rücken, und so mögen denn aller Orten die Kirchhöfe reichlich gefüllt worden sein. Auch kam die mörderische Krankheit nicht allein. Hungersnoth. Mangel und Theuerung begleiteten sie, und während Hunderttausende auf das Sterbelager niedergestreckt wurden, verschmachteten viele vor Hunger 2); man hätte Aehnliches wie in Frankreich erlebt, wäre, nicht der Kornhandel in etwas zu Hülfe gekommen 3). Gleichzeitig. Als man erst die Vorfälle dieser Unglücksjahre Epidemieen. mehr übersehen konnte, so überzeugte man sich bald,

keit dreier

dafs es dieselbe allgemeine Ursache des Erkrankens war, welche die giftige Seuche im französischen Lager vor Neapel, das Faulfieber der jungen Leute in Frankreich, und die Schweifssucht in England hervorrief, und dafs die verschiedene Natur dieser Krankheiten nur von Bedingungen des Bodens und der Luftbeschaffenheit der heimgesuchten Länder abhing *). Sollte dagegen eine beschränkte Ansicht von dem menschlichen Gesammtleben Zweifel erheben wollen, so werden diese durch die wunderbare Gleichzeitigkeit aller dieser Erscheinungen in so verschiedenen Theilen Europa's schlagend widerlegt. Denn während das französische

1) Unter Heinrich's VIII. Regierung (1509 — 1547) wurden nach Harrison 72,000 Verbrecher wegen Raub und Diebstahl hingerichtet, also jährlich fast 2000. Hume, T. IV. p. 275. 2) Stow, p. 885. 3) Fabyan, a. a. O.

4)

it seeming to be but the same contagion of the aire, varied according to the clime." Herbert of Cherbury, a. a. O.

Heer schon vier Wochen lang dem Elend und den giftigen Dünsten seines Lagers ausgesetzt, die ersten Vorboten seiner Vernichtung gewahrte, da war jenseit der Alpen die grofse Hungersnoth mit der Troussegalant in ihrem Gefolge in vollem Anzuge, und fast in denselben Tagen brach die Schweifssucht an der Themse aus.

4. Naturereignisse. Vorboten.

England.

1527.

Die Zeitbücher aller europäischen Völker sind voll von denkwürdigen Angaben über die Störungen der Natur in eben diesen Jahren, welche dem Pflanzen- und Thierleben so überaus feindlich wurden. In England bereitete sich die Zeit des Elends schon zu Ende des Jahres 1527 vor. Den ganzen Winter über (November, December und Januar 1528) überschwemm- 1528. Nässe. ten Regengüsse das Land, die Flüsse traten aus ihren Ufern, und so wurde die Wintersaat durch Fäulnifs vernichtet. Dann blieb es trocken bis zum April, kaum hatte man aber die Sommersaat dem Boden anvertraut, so regnete es wieder volle acht Wochen, Tag und Nacht, so dafs auch nùn die letzte Hoffnung auf eine Ernte vernichtet wurde ), und die durchnäfste Erde in dicken Nebeln den wohlbekannten Dämon der Schweifssucht ausbrütete. Es frommte nun nicht, dafs die Regengüsse nachliefsen, denn der aufgeweichte Boden gab der Seuche anhaltende Nahrung, und die feuchte Wärme, die mit unzeitiger Kühle wechselnd, die nächsten Jahre in ganz Europa herrschend blieb, machte mehr und mehr die Körper für grofse Krankheiten empfänglich.

Die Geschichtschreiber dieser Zeit waren mit den

1) Stow, a. a. O.

Italien. 1527.

verworrenen Angelegenheiten des Hofes und der Kirche allzusehr beschäftigt, um der Natur einige Aufmerksamkeit zu widmen; deshalb haben sie uns über die Witterung und den Verlauf der nächsten Jahre in England keine genauen Nachrichten hinterlassen, doch ist kein Grund anzunehmen, dafs sie wesentlich anders gewesen, als im übrigen Europa. Eine Zusammenstellung wichtiger Ereignisse mag dies beweisen, im Verein mit den über Frankreich und Italien schon mitgetheilten Angaben.

In Oberitalien traten schon im Jahre 1527 so be

Ueber- deutende Ueberschwemmungen aller Flufsgebiete ein, schwemmungen. 1528. dafs die Astrologen eine neue Sündfluth verkündigten. Sie wiederholten sich in gleicher Ausdehnung und Verderblichkeit im folgenden Jahre, so dafs nicht ohne Grund auf eine Ueberhäufung der höchsten Gebirge Europa's mit Schnee geschlossen werden kann. 1529 den 3. Juli folgte ein gewaltiges Erdbeben in Oberitalien, und bald darauf ein sogenannter Blutregen in Cremona 1).

1530.

Nord

deutschland.

1530 im October trat die Tiber so hoch über ihre Ufer, dafs in Rom und der Umgegend an 12,000 Menschen ertranken. Einen Monat später durchbrach die See in den Niederlanden die Deiche, und Holland, Seeland und Brabant litten sehr bedeutend durch das Ueberfluthen des Wassers, das zwei Jahre darauf sich wiederholte 2).

1528 zeigten sich in der Mark Brandenburg bei Heu- anhaltendem Südostwinde und grofser Trockenheit3) schrecken (die Nässe begann in Deutschland erst 1529) Heu

schwärme.

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schreckenschwärme 1), als sollte auch dieses Vorzeichen grofser Volkskrankheiten nicht fehlen. Von Feuermeteoren, die auch in den folgenden Jahren oft- Meteore. mals erschienen, und in ihrer Gesammtheit offenbar einen ungewöhnlichen Zustand des Luftmeers erkennen lassen, wird hier und da in der Weise des Zeitalters viel berichtet 2). Besondere Aufmerksamkeit erregte ein langer feuriger Strahl, der am 2. Januar 1529 Morgens sieben Uhr in ganz Mecklenburg und Pommern gesehen wurde 3). Ein anderes Feuerzeichen (Chasma) sah man in der Mark am 9. Januar, zehn Uhr Abends *), so wie ähnliche Lufterscheinungen in anderen Gegenden.

Kometen erschienen im Verlauf dieser Jahre in Kometen. ungewöhnlicher Zahl ). Der erste am 11. August 1527 vor Tagesanbruch; man sah ihn in ganz Europa, und er wurde von den Späteren oft mit einer kometenähnlichen Lufterscheinung am 11. October verwechselt 6). Der zweite 1529 im Juli und August; man sah ihn in Deutschland, Frankreich und Italien. Auch sollen sich in diesem Jahre vier andere Kometen zu gleicher Zeit gezeigt haben, doch ist hier wahrscheinlich nur ein Feuermeteor von unbekannter Art

1) Annales Berolino-Marchici. (Ohne Seitenzahl.)

2) Magnus Hundt, fol. 4. b., und viele andere.

3) Bonn, S. 143. Ein Mädchen in Lübeck starb vor Schreck über dieses Meteor.

4) Haftitz, S. 131. Angelus S. 317.

5) Man wolle aus diesen Angaben nicht auf irgend eine vorgefafste Meinung des Verf. über die Bedeutung dieser Himmelskörper schliefsen. Der Geschichtschreiber darf die gleichzeitigen Erscheinungen nicht übergehen, gleichviel was man aus ihnen bei der Beschränkung des menschlichen Gesichtskreises folgern möge.

6) Pingré, T. 1. p. 485. — Spangenberg, M. Chr. fol.

410. a.

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