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war es, die im Jahre 1524 50,000 Menschen in Mailand wegraffte 1), auch scheint die Seuche keine andere gewesen zu sein, die nach der Plünderung von

Rom unter den deutschen Landsknechten ausbrach, In Bourbon's

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und in kurzer Zeit zwei Dritttheile dieser Truppen Heer. 1527. aufrieb. Die Zeitgenossen sahen darin eine gerechte Strafe Gottes für die Entweihung des heiligen Stuhles, da auch in den nächsten Jahren alle übrigen Theilnehmer an der Erstürmung der ewigen Stadt ein ihrer würdiges Ende gefunden 2) sie brachten aber nicht die thierische Völlerei und die Ausschweifungen der Soldaten in Anschlag, deren Raubsucht das Pestgift in den verborgensten Winkeln aufsuchte, bedachten auch nicht, dafs die Pest selbst in die Engelsburg eindrang, und fast unter den Augen des Papstes einige Hofleute tödtete 3). Von eben jenen Landsknechten kamen im folgenden Jahre unter dem Prinzen von Oranien viele nach Neapel, und es kann wohl mit gutem Grunde angenommen werden, dafs sie frische Keime der Pest nach dieser Stadt gebracht haben, womit denn auch die nicht unglaubliche Erzählung zu vereinigen ist, dafs die Belagerten angesteckte und erkrankte Soldaten zu den Franzosen geschickt hätten, um unter ihnen giftige Seuchen zum Ausbruch zu bringen *). Eben dieser Umstand spricht für die Drüsenpest, denn man kannte die entschiedene Sicherheit ihrer Ansteckungskraft, mit der die mehr bedingte Mittheilbarkeit der neuen Krankheit nicht zu vergleichen schien 3). Auch war derselbe unheilbringende

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Versuch wohl öfter schon in früheren Zeiten gemacht worden.

Epidemische Doch ist auch auf der andern Seite zu bedenEinflüsse. ken, dafs das französische Kriegsheer dem epidemischen Einflusse der Luft, des Wassers und der allgemeinen Naturkräfte mehr als irgend ein anderer Verein von Menschen ausgesetzt, und dafs dieser Einfluss in dem Jahre 1529 vielleicht mächtiger war, als zu irgend einer andern Zeit im sechzehnten Jahrhundert. Die Nebelbildung in der Sommerhitze ist jederzeit eine aufserordentliche Erscheinung '), die auf ein Mifsverhältnifs in der Wechselwirkung der Stoffe und Kräfte in den niederen Luftschichten entschieden hindeutet. Sie war aber nicht bloss von örtlichen Bedingungen bei Neapel abhängig, sondern in ganz Italien bemerkte man während des Sommers 1528 graue Nebel, welche die Unzuträglichkeit der Luft augenfällig machten 2). Hierzu kamen die anhaltenden, in Italien ohnehin schon immer nachtheiligen Südwinde, so wie die tausend Widerwärtigkeiten des Lagers; und so mufste wohl auf dem nassen Boden von Poggio reale die schon in ganz Italien herrschende Krankheit ausbrechen wir meinen das Fleck fieber. Es giebt in der Geschichte der Volkskrankheiten einen psychischen Beweis von der Herrschaft des epidemischen Einflusses, der unter den verschiedenartigsten Verhältnissen deutlich und verständlich hervortritt. Es ist der Glaube an die Vergiftung des Wassers, selbst auch der Luft 3). Dieser Beweis fehlt nicht bei der Todesgeschichte des französischen Hee

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1) Sie wurde bekanntlich auch in dem Sommer 1831, vor dem Ausbruche der Cholera beobachtet.

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res vor Neapel. Denn man glaubte allgemein, es hätten sich Spanier von maurischer Abkunft, denen man eine besondere Fertigkeit zutrauete, mit Giften umzugehen, und Juden aus Deutschland, die den beutebeladenen Landsknechten des Gewinnstes wegen gefolgt waren, bei nächtlicher Weile aus der Stadt geschlichen, um das Wasser in der Nähe des Lagers zu vergiften). Auch sollte ein italienischer Apotheker den französischen Rittern Gift in den Arzneien gereicht haben 2). Man kann hier den Untersuchungen der Naturkundigen nicht vorgreifen die in Bezug auf Luft und Wasser noch in keiner erheblichen Volkskrankheit von Erfolg gewesen sind es ist indessen nicht unwahrscheinlich, dafs das Grund- und Quellwasser unter ähnlichen Umständen wie die hier beschriebenen, eine ihm sonst nicht inwohnende Schädlichkeit annimmt, welche zu dem Glauben an hineingeworfenes Gift sehr natürlich Veranlassung giebt. Im Uebrigen kann jene Beschuldigung gewifs nach derselben Ansicht beurtheilt werden, die in einer früheren Untersuchung über den schwarzen Tod ausgesprochen worden ist.

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Aus allen diesen Umständen wird die Annahme überaus wahrscheinlich, dafs in dem französischen Lager das Fleck fieber geherrscht habe, und will man noch auf zufällige Berichte von Geschichtschreibern einigen Werth legen, so möchte vielleicht noch in Anschlag kommen, dafs Prudencio de Sandoval, der nach guten Quellen gearbeitet hat, die Krankheit „las Bubas“ nennt 3). Dieser Name setzt zwar

1) Jovius, a. a. O. p. 115. 2) Mezeray, p. 963.

3) Der spanische Name für die Lustseuche, den dieselbe wegen der vorherrschenden Ausschläge erhielt. Er ist dem franzö

eine ziemlich abenteuerliche Verwechselung mit der Lustseuche voraus, wie denn auch von Sandoval die Krankheiten unter den französischen Heeren von 1495 und 1528 wunderlich durch einander geworfen werden, zeigt aber doch, dafs sich die Erinnerung an vorherrschende Ausschläge bei der Seuche von 1528 erhielt, und somit möchte wohl diese ganze Angabe um so mehr auf Fleckfieber zu beziehen sein, da derselbe Geschichtschreiber versichert, die Franzosen hätten die Seuche nach dem Dorfe Poggio reale „les Poches" genannt '), mit welcher Benennung man schwerlich die wohlbekannte Drüsenpest bezeichnet haben würde. Wollen wir aber glauben, dafs zu gleicher Zeit verschiedene Krankheiten im französischen Heere geherrscht haben, so hat diese Annahme nicht nur das ausdrückliche Zeugnifs eines Zeitgenossen 2), sondern auch viele ältere und neuere Erfahrungen 3) für sich, die unter ähnlichen Umständen, wie die damals obwaltenden gesammelt worden sind. Zu bedauern ist es für immer, dafs kein scharfblickender Machaon im Lager vor Neapel weilte; er würde uns gewifs kernhafte Beobachtungen über die

Ver

sischen „,la vérole" und dem deutschen „,französische Pocken" ganz entsprechend. An Bubonen ist dabei nicht zu denken. Sandoval, Part. II. p. 12. 14. Vergl. Astruc, T. I. p. 4.

1) In der Madrider Ausgabe desselben Werkes, 1675. fol. L. XVII. P. 232. b.

2),, Auster namque ventus per eos dies perflare et mortiferum crassioris nebulae vaporem ex palustri ortum uligine, per castra dissipare et circumferre ita coeperat, ut aliis ex causis conceptae febres in contagiosum morbum verterentur." Jovius, L. XXVI. p. 127.

3) In Torgau, wo 1813 und 14 30,000 Franzosen ihr Grab fanden, herrschten zwei ganz von einander verschiedene Krankheiten, Typhus und Diarrhöe. S. Richter.

Vermischung und die Verwandtschaft des Fleck fiebers mit der Drüsenpest hinterlassen haben.

2. Trousse-galant in Frankreich. 1528 und die folgenden Jahre.

So schmerzlich die Franzosen den Verlust eines so unersetzlichen Kriegsheeres empfanden, so waren ihnen doch noch viel gröfsere Leiden in ihrem Vaterlande beschieden. Die finstere Macht, welche ganz Europa bedrohete, achtete keiner Entfernungen, keiner Gränzen; sie ergriff auch das französische Volkin seinem innersten Leben, während seine kriegerische Jugend vor Neapel verschmachtete. Die Kälte des Frühjahrs und die Nässe des Sommers von 1528 verdarben die Saaten ), und so brach über ganz Frank- Mifswachs. reich eine Hungersnoth herein, durch ihre Dauer wohl noch empfindlicher, als die Zeiten des Mangels unter Ludwig XI. 2). Denn der Mifswachs wiederholte sich fünf Jahre hindurch, während welcher keine Ordnung der Jahreszeiten mehr zu bestehen schien. Eine feuchte Sommerwärme herrschte im Herbst und Winter, nur dann und wann kam ein eintägiger Frost zu Stande; die Sommer dagegen waren trübe, feucht und unfreundlich: Man unterschied die Monate fast nur noch an der Tageslänge. Wie das Leben der Pflanzenwelt dadurch gestört wurde, ist aus einzelnen Nachrichten noch ganz deutlich zu erkennen. Kaum hatten die Fruchtbäume im Herbst ihre Blätter fallen lassen, so begannen sie wieder von neuem auszuschlagen und vergebliche Blüthen zu treiben, kein Segen belohnte die Mühe, und die ersehnte Erntezeit täuschte immer wieder und wieder die Hoffnungen des Volkes.

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