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eröffnet.

ihren Wirkungen, halten den Lauf der Begebenheiten zurück, sie vereiteln grofse Entwürfe, sie lähmen den Geist in seinem kühnsten Fluge, sie haben oft kampfrüstige Heere mit dem Schwerte des Todesengels vernichtet, wenn ihnen der Sieg schon freundlich entgegenkam.

Die Schmach von Pavia 1) zu tilgen, sandte Franz I., mit England, der Schweiz, Rom, Genua und Venedig gegen den übermächtigen Kaiser verbündet, ein treffliches Heer nach Italien. Des Kaisers Truppen wichen zurück, wo französische Helmbüsche sich zeigten, nur Frankreichs Fahnen und der Kriegserfahrung eines bewährten Führers 2) schien der Sieg treu zu bleiben. Alles versprach einen ruhmvollen

Ausgang

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nur Neapel, schwach besetzt von deutschen Landsknechten und Spaniern 3), blieb noch zu Belagerung überwinden. Die Belagerung wurde am ersten Mai den 1. Mai 1528 eröffnet, und der Feldherr verpfändete zuversichtlich seine Ehre für die Eroberung dieser festen Stadt, die einst den Franzosen so verderblich gewesen *). Denn es war leicht, mit einem Heere von 30,000 kraftvollen Kriegern ) die Kaiserlichen zu überwältigen, und eine kleine Schaar Engländer 6) schien nur zu den Siegesfesten gekommen zu sein. Auch litt die Stadt Mangel, von Doria mit genuesischen Galeeren eingeschlossen, das Trinkwasser fehlte,

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3) Anfänglich unter Hugo de Moncada, nachher unter dem Prinzen von Oranien.

4) 1495 dem Jahre der Lustscuche.

5) Unter ihnen einige Regimenter Schweizer.

6) 200 Reiter unter Sir Robert Jerningham, nachher unter John Carew. Beide starben an der Lagerkrankheit. Herbert of Cherbury, p. 212. seq.

nachdem Lautrec die Wasserleitungen von Poggio reale hatte abgraben lassen, und so begann die Pest um sich zu greifen, die unter den Deutschen seit der Plünderung von Rom 1) nie aufgehört hatte.

Doch geriethen bei dieser Sicherheit des französischen Waffenruhms die Vorbereitungen guter Erfolge allmählich in Verwirrung. Den kleineren Wechselfällen des Krieges blieb die Tapferkeit des eben so unbeugsamen als vorsichtigen Heerführers wohl gewachsen, während aber die Länge des Wartens die Thatkraft lähmte, so zeigte sich plötzlich die Natur selbst den sieggewohnten Schaaren verderblich, es begannen Seuchen unter ihnen zu wüthen, und den ferntreffenden Pfeilen des Sonnengottes war mit menschlichem Muthe nicht länger zu widerstehen. Das Ende dafs in Zeit von sieben Wochen von dem ganzen, eben erst noch kampflustigen Heere kaum noch ein Häuflein von einigen Tausend leichenähnlicher Gestalten übrig blieb, fast unfähig die Waffen zu führen und der Stimme ihrer kranken Führer zu folgen. Am D. 29. August 29. August wurde die Belagerung aufgehoben, nach- aufgehoben. dem der heldenmüthige Lautrec, von Unmuth und Krankheit niedergebeugt, funfzehn Tage früher seinen Geist aufgegeben, die Trümmer des Heeres zogen unter Donner und Platzregen ab 2), geriethen bald in die Gefangenschaft der Kaiserlichen, und nur Wenige sahen ihr Vaterland wieder.

war,

Diese Belagerung brachte über Frankreich noch gröfsere Trauer, als die kaum verwundene Schlacht von Pavia, denn es waren an 5000 französische Edelleute, zum Theil aus den berühmtesten Häusern, un

1) 1527, den 6. Mai.

2) Jovius, L. XXVI. Tom. II. p. 129.

Anfang des
Sterbens.

ter den Mauern von Neapel umgekommen, auch wurden ihre weiteren Folgen für König und Volk demüthigend, denn durch ihr Mifslingen scheiterten alle noch haltbaren Entwürfe, die französische Herrschaft jenseits der Alpen zu befestigen. Um so aufmerksamer haben wir die wesentliche Triebfeder dieses Ereignisses ins Auge zu fassen, die in das Gebiet der ärztlichen Untersuchung gehört.

Das Sterben im Lager begann nach den gewöhnlichen Widerwärtigkeiten, die ein Kriegsheer in Feindes Land umgeben, wahrscheinlich schon im Juni. Unersättlich waren Franzosen und Schweizer im Genusse des Obstes, das ihnen Gärten und Felder reichlich darboten, während es an Brot und anderer zuträglicher Nahrung mangelte '). Hierdurch entstanden bald Fieber, die sich je länger je mehr zur Bösartigkeit steigerten, gewifs nicht ohne schwächende Durchfälle, die unter Umständen dieser Art nie ausbleiben, und an und für sich schon zu den verderblichsten Lagerkrankheiten gehören, indem sie nicht nur tödtliche Erschöpfung bringen, sondern auch durch Verpestung der Luft die schlimmsten Seuchen vorbereiten. Doch achtete man dieser Krankheiten nur wenig, und suchte mithin auch nicht ihre Ursachen zu vermindern. Täglich fiel es mehr in die Augen, dafs die Abgrabung der Quellen bei Poggio reale, die Lautrec befohlen hatte, um die Belagerten zu einer früheren Uebergabe zu nöthigen, für die Belagerer selbst höchst nachtheilig wurde. Denn das Wasser hatte nun keinen andern Abflufs, als in die Ebene des Lagers, wo es die Erde wie eine Sumpfwiese durchdrang, und in dichten Abend- und Morgennebeln sich erhob. Hier

1) Jovius, L. XXVI. Tom. II. p. 114.

durch wurde, während anhaltender Südwinde, das Er-
kranken bald allgemein: Man sah die Krieger, die
nicht schon in den Zelten daniederlagen, von widriger
Blässe entstellt, mit dick angelaufenen Füfsen und ge-
schwollenem Leib sich mühsam einherschleppen, so
dafs sie, der nächtlichen Wachen überdrüssig, von
beutegierigen Neapolitanern oft beraubt wurden. Das
grofse Sterben begann erst gegen den 15. Juli, jetzt
wurde aber das Elend so furchtbar, dafs nur etwa
drei Wochen hinreichten, um die fast gänzliche Zer-
störung des Heeres zu vollenden '). Neben und in
den ausgestorbenen Zelten wucherte Unkraut, Tau-
sende verschmachteten ohne Hülfe, stumpfsinnig oder
in tobender Fieberwuth 2); in den Schanzen, in den
Zelten, gleichviel wo der Tod seine Opfer ereilt hatte,
lagen unbegrabene Leichen, die Todten sprengten, von
Fäulnifs angeschwollen, ihre flachen Gräber, und so
erfüllte ein giftiger Modergeruch weit und breit das
ganze Lager. Der Ordnung und Kriegszucht dachte
niemand mehr, auch waren viele Befehlshaber und
Hauptleute, entweder erkrankt, oder um der Anstek-
kung zu entgehen, in die benachbarten Orte entflo-
hen 3)
Frankreichs Waffenruhm war dahin, und
seine stolzen Fahnen senkten sich vor einem unheim-
lichen Gespenst
einer Lagerkrankheit. Unterdes-
sen war auch auf den venetianischen Galeeren unter

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1) Nach Mezeray war die Seuche zu Ende Juli am heftigsten, womit Jovius übereinstimmt, der das Ende des grofsen Sterbens, wohl allzugenau, auf den 7. August festsetzt.

2) In Bezug auf diesen, wahrscheinlich entzündlichen Zustand der Aufregung ist vielleicht die Angabe einiger Beachtung werth, dafs dem Feldherrn selbst zweimal zur Ader gelassen wurde. Jovius, a. a. O. P. 125.

3) Jovius, a. a. O. p. 116. 118.

Höhe und
Ende.

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Kaiser übergegangen 1), — die Seuche ausgebrochen, und so wurde das rühmlich begonnene Unternehmen auf allen Seiten von dem Unstern des Jahres vereitelt.

Von welcher Art diese mächtige Krankheit gewesen, hat kein ärztlicher Zeitgenosse beschrieben, und die Geschichtschreiber haben darüber nur Angaben aufbewahrt, die der Untersuchung keinen hinreiFleckfieber. chenden Stoff darbieten. Gewifs ist es, dafs im Jahre 1528. 1528 ein sehr bösartiges Fleck fieber in Italien verbreitet war, und im eigentlichen Sinne des Wortes so entschieden herrschte, dafs es selbst, wie die Schweifssucht den Engländern, den Italienern ins Ausland folgte, wie das Beispiel des gelehrten Venetianers Naugerio beweist, der mit einer Gesandtschaft an Franz I. beauftragt, zu Blois an der Loire an eben dieser Krankheit starb, die man in Frankreich noch gar nicht kannte 2). Die Zeitgenossen versichern, dafs diese Seuche in dem ohnehin schon durch Kriege und Fehden zerrütteten Lande bedeutende Verheerungen gemacht habe, und so leidet es wohl keinen Zweifel, sie war in eben diesen Jahren die Hauptkrankheit, die sich bei aufserordentlichen Vorfällen bedeutend hervorthun konnte. Eine Seuche, die unmittelbar vor der Belagerung von Neapel in Cremona den dritten Theil der Einwohner tödtete, ist wahrPest in Mai- scheinlich ein Fleckfieber gewesen 3). Doch kam auch hier und dort die ältere Drüsenpest vor. Sie

land. 1524.

1) Mezeray, T. II. p. 963.

2) Fracastor. Morb. contag. L. II. c. 6. p. 155. 156.

3) Sie brach zu Anfang des Februar aus, und herrschte die folgenden Monate hindurch. Campo, p. 151. .

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