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ken, und unter andauerndem Kopfweh mit Irrereden litten sie an bösartigem Fieber. Auch hier erkannte man, nächst einem innern Heilverfahren, das nicht näher bezeichnet ist, die Reinigung des Mundes für einen wesentlichen Theil der Behandlung, alle zwei Stunden entfernte man den zähen weifsen Ueberzug, und bestrich danach Zunge und Gaumen jedesmal mit Rosenhonig 1), wonach die Kranken leichter genasen, als wenn dieses Verfahren unterlassen wurde 2).

Es scheint nach neueren Erfahrungen keinem Zweifel zu unterliegen, dass diese Krankheit in einer Schleimhautentzündung bestanden habe, die sich mit Ausschwitzung lymphatischer Stoffe vom Schlunde bis in den Magen, und zugleich durch die Luftröhre bis in die Lungen verbreitete, mit dem Schlundcroup also übereinstimmt, den man noch vor wenigen Jahren als eine neue Krankheit aufgestellt, und sogleich mit einem besondern Namen bezeichnet hat 3). Ihre nach- In Holland malige Erscheinung in dem denkwürdigen Jahre 1557, über welche wir einen noch genaueren Bericht haben,

1) Die Neueren, die den gewaltigen Mitteln den Vorzug geben, ohne damit weiter zu kommen, wählen hierzu den Höllenstein.

2) Wurstisen, S. 707. ,, In diesem siebenzehenden jar entstund eine unbekannte Sucht, das den Leuten die Zung und Schlund, gleich als mit Schimmel überzogen, weifs wurden, weder essen noch trincken mochten, mit einem Hauptwehe, nicht one pestilentzischs Fieber, welches die Leut von vernunfft bracht, auch bei 2000 Personen innerhalb acht Monaten zu Basel hinname. Welchem sollt geholffen werden, demselbigen musste neben anderen mitlen, je zu zweien stunden, der Mund und Schlund bifs auffs Blut sauber gefeget, demnach mit Rosenhonig gelindert werden."

3) Bretonneau's Diphtheritis. Vergl. Naumann's Abhandlung darüber in des Verf. Wissenschaftlichen Annalen der ges. Heilkunde, Bd. XXV. H. 3. S. 271.

1557.

bekräftigt diese Annahme noch mehr. In diesem Jahre brach sie im October aus, und wurde von Forest, der sie selbst überstand, in Alkmaar beobachtet, wo sie ganze Familien befiel, und innerhalb weniger Wochen über 200 Menschen tödtete, jedoch nicht so überaus rasch verlief, wie 1517, sondern mit einem gelinden Fieber begann, wie ein gewöhnlicher Katarrh, und ihre grofse Bösartigkeit erst in allmählicher Entwickelung offenbarte. Dann zeigten sich plötzlich Erstickungszufälle, und das Brustleiden war ausgebildet, mit so verzweiflungsvoller Beklemmung, dafs die Kranken in den Anfällen zu sterben wähnten. Der krampfhafte, beengende Husten steigerte das Uebel mehr und mehr, und wurde, bevor es zum lindernden Schleimauswurfe kam, vornehmlich den Schwangeren gefährlich, von denen innerhalb acht Tagen sechzehn starben, während die überlebenden alle zu früh niederkamen. Sehr verschiedenartig in seinem Verlaufe war das die Entzündung begleitende Fieber. Mit anhaltendem Verlaufe wurde es bei den wenigsten Kranken beobachtet, brachte aber dann die gröfste Gefahr; doch erfolgte der Tod wohl erst gegen den neunten oder vierzehnten Tag, nachdem im Jahre 1517 eben so viele Stunden das Lebensende herbeigeführt hatten. Nach dieser Zeit verminderte sich die Gefahr, und von Anfang an waren die Kranken stand ihnen ein guter Arzt zur Seite vor Erstickung mehr gesichert, Wechsel deren Uebel nur von einem Wechselfieber begleitet fieber. wurde. Dies erschien, so deutlich war der Einflufs des holländischen Bodens, von der reinsten, ungetrübten Form, bis zum Uebergange in anhaltendes Fieber in mannigfachen Abstufungen. Hier war denn auch die Entzündung weniger vollständig ausgebildet, so dafs selbst das sonst unerlässliche Aderlafs zuweilen

entbehrlich wurde. Alle Kranken litten am meisten des Nachts und des Morgens, wie dies die Entzündung des Kehlkopfs und der Luftröhre mit sich brachte, die man jedoch als solche bei der damaligen Erfahrung nicht zu erkennen vermochte, indem man nur eine leichte Röthung im Schlunde wahrnahm. Das schmerzhafte Magenleiden war auch in dieser Volkserkrankung sehr deutlich ausgeprägt, so dafs der Druck in der Herzgrube unter fortwährendem sauern Aufstofsen selbst nach einer Reihe von sechs bis sieben Fieberanfällen noch nicht verschwand, und die Genesenden noch lange Zeit mit Verdauungsbeschwerden, Hinfälligkeit und Hypochondrie behaftet blieben. Die Schleimhautentzündung nahm hier ohne Zweifel die Nervengeflechte des Unterleibes in Anspruch, wie dies zu geschehen pflegt, und veränderte die Absonderung von Grund aus. Dies bewies die Behandlung, denn durch die nothwendigen Abführmittel wurde übelriechender Schleim mit Galle vermischt in grofser Menge ausgeleert.

Das Volk erkrankte, wie unser treffliche Augenzeuge versichert, wie durch einen giftigen Hauch, plötzlich, dafs an einem Tage über 1000 Menschen in Alkmaar bettlägerig wurden, nachdem dicke, übelriechende Nebel einige Tage vorher sich über das Land verbreitet hatten. Nicht so bald wie im Jahre 1517 kam diese Seuche zu Ende, sondern sie verzögerte sich bis in den Winter, und scheint von einer ganzen Reihe krankhafter Erscheinungen den Beschlufs gemacht zu haben, namentlich der schon erwähnten Influenz in ganz Europa, und der Drüsenpest in Hol- Pest in Holland in der Mitte des Sommers, Erscheinungen, welchen sich auch die gewöhnlichen Begleiter von Volkskrankheiten hinzugesellten: grofse Theuerung und Un

land. 1557.

Pocken in Amerika. 1517.

gewöhnliches im Dunstkreis, wie z. B. elektrisches Leuchten hervorstehender Gegenstände und anderes ').

Die nahe Verwandtschaft dieser Luftröhren- und Schlundentzündung mit dem epidemischen Katarrh liegt wohl am Tage. Denn hier sind nur Abstufungen und allmähliche Uebergänge in dem Leiden der Schleimhäute, wie in der Wirkung atmosphärischer Einflüsse, die zunächst die Werkzeuge des Athmens in Anspruch nehmen. Wir glauben daher mit vollem Rechte der beschriebenen Volkskrankheit in Holland und Deutschland vom Jahre 1517 dieselbe Bedeutung wie den Influenzen beilegen, und die krankhafte Regung des menschlichen Gesammtlebens, die sich in ihr offenbarte, für ein Vorzeichen der englischen Seuche erklären zu können, die gleichzeitig vorbereitet durch veränderte Luftbeschaffenheit, einige Monate später zum Ausbruch kam.

von

Es darf hier nicht unerwähnt bleiben, dafs in demselben Jahre 1517 die Pocken und mit ihnen wie die Raden unter dem Korn die Masern den Europäern nach Hispaniola gebracht wurden, und in dieser wie in der folgenden Zeit unter den unglücklichen Einwohnern furchtbar wütheten. Ob der Ausbruch dieser ansteckenden Krankheiten in der neuen Welt von epidemischem Einflufs begünstigt gewesen sei, oder nicht, kann nicht mehr ermittelt werden. Doch wird die erste Annahme durch die Thatsache wahrscheinlich, dafs die Pocken nicht früher als im folgenden Jahre ihre gröfsten Verheerungen in Hispaniola machten 2), und nach neueren Erfahrungen die

1) Forest. Lib. VI. Obs. IX. p. 159.

2) Petr. Martyr. Dec. IV. Cap. 10. p. 321. Moore, p. 106.

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epidemischen Einflüsse, die sich von Europa aus westwärts erstrecken, immer erst einiger Zeit bedürfen, um die Ostküste von Amerika zu erreichen.

Aber auch ohne diese Erscheinung in der neuen Welt, die jetzt zum ersten Male im Kreise der Beobachtung der Volkskrankheiten hervortritt, sind Thatsachen von hinreichender Zahl und Glaubwürdigkeit vorhanden, um zu beweisen, dafs der englische Schweifs von 1517 nicht allein, sondern umgeben von einer ganzen Gruppe von Volkskrankheiten erschien, und diese durch allgemeine krankmachende Einflüsse von unerkanntem Wesen hervorgerufen wurden.

VIERTES ERKRANKEN.

1528. 1529.

Und wenn die Welt voll Teufel wär',
Und wollten uns verschlingen;

So fürchten wir uns nicht so sehr,

Es soll uns doch gelingen!

LUTHER.

1. Vernichtung des französischen Heeres vor Neapel. 1528.

Die Ereignisse, denen wir uns jetzt zuwenden, zeigen in überraschender Entwickelung, dafs das Geschick der Völker von den Gesetzen des physischen Lebens zu Zeiten noch weit mehr geleitet wird, als von dem Willen der Mächtigen dieser Erde, und allen Regungen menschlicher Thatkraft, die den entfesselten Naturkräften ohnmächtig widerstreben. Diese Kräfte, unerforschlich in ihrem Walten, zerstörend in

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