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1580.

über unerträgliche Müdigkeit und Vernichtung der Kräfte, Mangel an Efslust, ja selbst Ekel vor Speisen, Unruhe und Schlaflosigkeit. Bei den meisten entschied sich das Uebel durch reichlichen Schweifs, bei anderen mit Durchfall. Arme und Reiche, überhaupt dic verschiedenartigsten Menschen, und von jedem Alter wurden von dieser Krankheit zu ganzen Schaaren und zu gleicher Zeit ergriffen, auch theilte sie sich von einem Kranken leicht der ganzen Hausgenossenschaft mit. Für diesmal starben fast nur Kinder daran, die dem erschütternden Husten nicht gewachsen waren, und die Aerzte konnten mit ihren Arzneien die Krankheit nur wenig lindern, oder ihren verderblichen Verlauf hemmen. In Frankreich erinnerte man sich sogleich wieder des nun schon herkömmlichen Namens, doch blieb die Krankheit nicht auf dieses Land beschränkt, sondern herrschte mit nicht geringen Formverschiedenheiten eben so allgemein in Italien, Deutschland, Holland, ja ohne Zweifel wohl noch in gröfserer Ausdehnung 1). Eben so die Influenz von 1580, die sich über ganz Europa verbreitete, und weniger heftig wie es scheint, mit der von 1831 und 1833 mehr übereinstimmt 2), deren Bild noch den meisten unserer Leser aus eigener Erfahrung erinnerlich ist.

1) Valleriola, Loc. med. comm. Append. p. 45. Schenck a Grafenberg, Lib. VI. p. 552. — Vergl. Short, T. I. p. 221.

2) Reusner, p. 72. Einige hier angeführte Synonyme können die ärztlichen Ansichten des Zeitalters über diese Krankheiten anschaulich machen: Catarrhus febrilis. Febris catarrhosa. Ardores suffocantes. Febris suffocativa. Catarrhus epidemicus. Tussis popularis. Cephalaea catarrhosa. Cephalalgia contagiosa. Gravedo anhelosa, Fernel. Der böhmische Ziep. Der Schafhusten. Die Schafkrankheit. Die Lungensucht. Das Hühnerweh u. m. a. Bei der Influenz von 1580 bemerkte man hier und da sehr starke Schweifse, so dafs einige Aerzte glaubten, der englische

der

Eine weitere Untersuchung dieses überaus wichtigen Gegenstandes würde über die Gränzen dieser Abhandlung weit hinausgehen, denn hier sind grofse und tiefeingreifende Erscheinungen des menschlichen Gesammtlebens zu berücksichtigen, die nur in gröfserem Zusammenhange anschaulich werden können, doch mufs wenigstens die Verbindung angedeutet werden, Bedeutung in der die Influenzen mit den gröfseren Volkskrank- Influenzen. heiten stehen. Diese ist ganz augenscheinlich. Denn so wie Katarrhe in einzelnen Menschen nicht selten Vorläufer bedeutender Krankheiten sind, denen der Körper bald nach ihnen erliegen soll, diese begleiten, oder ihnen auch nachfolgen 1) die Reizung der Schleimhäute ist ja oft nur ein äufseres Merkmal tieferer Regung so sind auch die Influenzen gewöhnlich nur die ersten Offenbarungen, zuweilen aber auch die Nachklänge weitverbreiteter Volkskrankheiten. Das neueste Beispiel ist noch in frischem Andenken. Der Influenz von 1831 folgte die indische Brechruhr auf dem Fufse, und kaum war diese nach erneuter Regung im östlichen und mittleren Europa verschwunden, so schien die Influenz von 1833 den allgemeinen Frieden zu verkünden. Auf die Influenz von 1510 folgte eine Pest im Norden Europa's, die in Dänemark den Sohn

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Schweifs wollte wiederkehren fast so, wie man bei dem Gröninger Wechselfieber (1826) und bei der Cholera von 1831 ohne alle Kenntnifs der Sache vom schwarzen Tode sprach. Schneider, L. IV. c. 6. p. 203.

1) Dafs die Aerzte des sechzehnten Jahrhunderts mit dieser Beobachtung vertraut waren, kann eine Aeufserung von Houlier bestätigen: „Nulla fere corporis humani aegritudo est, quae non defluxione humoris alicuius e capite aut excitari aut incrementum accipere possit." Morb. int. L. I. fol. 68. b.

heit.

des Königs Johann tödtete 1); 1551 ist das Jahr der fünften Schweifsfieberseuche; 1557 trat nach der Influenz eine Drüsenpest in Holland auf, die bis in das folgende Jahr dauerte, und in Delft 5000 Einwohner wegraffte 2); 1564 herrschte eine sehr mörderische Pest in Spanien, an der in Barcelona 10,000 Menschen starben, und endlich 1580, dem letzten Influenzenjahre dieses Jahrhunderts, eine Pest im gröfsten Theile Europa's (in Paris starben 40,000) und in Aegypten 3).

7. Volkskrankheiten von 1517.

Wir kehren jetzt zum Jahre 1517 zurück, und wollen nun die Volkskrankheiten betrachten, welche die englische Schweifsfieberseuche begleiteten. Hier Hauptkrank zeigt sich zuerst die Hauptkrankheit, jenes hirncntzündliche, in Mitteleuropa so oft wiederkehrende Fieber, durch ganz Deutschland in nicht geringer Verbreitung. Viele starben an dieser gefahrvollen Krankheit, und von den Zeitgenossen wird versichert, dass auch andere hitzige Fieber zwischendurch vielen tödtlich geworden seien *). So stand es in Deutschland, dem Herzen Europa's. Noch viel bedeutungsvoller erDiphtheritis scheint aber eine andere, den Aerzten bis dahin noch in Holland. ganz unbekannte Krankheit in Holland, die in den ersten Monaten des Jahres 1517 auftrat, und mit ihren gefahrvollen, so ganz unerklärbaren Zufällen Furcht und Schrecken verbreitete. Es war eine bösartige, und nach der Versicherung eines sehr achtbaren ärztlichen

1) Hvitfeldt, Danmarks Riges Kronike.

2) Forest. Lib. VI. Obs. IX. P. 159.

3) Webster, Vol. I. p. 157. 165. Villalba, T. I. p. 102. 117., und Schnurrer.

4) Spangenberg, M. Chr. fol. 408. b.

lichen Augenzeugen, selbst mittheilbare Halsentzündung, von so raschem Verlaufe, dafs wenn in den ersten acht Stunden keine Hülfe gebracht wurde, die Kranken noch vor Ablauf des Tages ohne alle Rettung dem Tode verfielen. Augenblicklicher Halsschmerz und gewaltige Brustbeklemmung in der Herzgegend, drohten und brachten endlich Erstickung, die Muskeln des Halses und der Brust wurden in den Anfällen von heftigen Schmerzen durchzuckt, und nur kurze Linderung trat ein, bis zur Wiederholung der tödtlichen Qual. Die Krankheit begann ohne alle Vorzeichen mit einem heftigen Brustkatarrh, der sich rasch zur Entzündung der Luftwege steigerte, und wenn der Tod nicht an demselben Tage erfolgte, wohl auch in eine lebensgefährliche Lungenentzündung von gewöhnlichem Verlauf, jedoch mit sehr hitzigem Fieber überging. Zuweilen bemerkte man auch einen minder gefährlichen Uebergang in Wechselfieber; doch gelang in keinem Falle eine rasche Wiederherstellung, sondern wenn auch schon das Fieber beseitigt war, blieben die Kranken noch mindestens vier Wochen lang mit Magenweh und grofser Hinfälligkeit behaftet, welche Erscheinung für einen Arzt unserer Zeit aus den Geschwürchen und Rissen der Zunge, welche auf der Höhe des Fiebers entstanden, und gegen die gebräuchlichen Mittel hartnäckig blieben, leicht erklärlich wird.

SO

Die gewählte Heilart zeigt die Umsicht und Tüchtigkeit der holländischen Aerzte. Sie liefsen, so bald als möglich, spätestens noch vor Ablauf der sechsten Stunde, zur Ader, und reichten danach sogleich Abführmittel, wogegen sich jedoch einige angesehene Männer, zum grofsen Nachtheile der Kranken erklärten, denn die plötzliche Erstickung konnte ohne

Heilart.

In der Schweiz.

1517.

die vereinte Wirkung dieser beiden Mittel nicht abgehalten werden. Ausserdem war der Erfolg reinigender Gurgelwässer, mit denen man die Verbreitung des Uebels auf die Lungen verhütete, und einhüllender Brustmittel entschieden heilsam, und es wird versichert, alle so Behandelte wären leicht genesen 1).

Ist diese Krankheit, für welche die Zeitgenossen keinen Namen erfanden, schon an sich auffallend und eigenthümlich, so ist es noch mehr ihr schnelles Auftreten und ihr plötzliches Verschwinden. Die meisten der von ihr Ergriffenen erkrankten zu gleicher Zeit, und kaum waren elf Tage unter Noth und Trauer vergangen, so wurde niemand weiter befallen, die vielen Todten waren begraben, und ohne das Tagebuch des würdigen Tyengius 2) würde sich keine verständliche Erinnerung an diese denkwürdige Volkskrankheit erhalten haben, die sich ohne Zweifel weiter, als blofs über das nebelige Holland, und wahrscheinlich mit noch grösserer Bösartigkeit verbreitete. Denn wir finden sie in demselben Jahre in Basel wieder, wo sie innerhalb acht Monaten an 2000 Menschen tödtete, und ihre Zufälle, so scheint es, sich noch viel deutlicher entwickelten. Von den Zwischenländern, welche die Krankheit höchst wahrscheinlich von Holland aus durchzogen hatte, che sie in Basel erschien, haben wir leider keine Nachricht. Zunge und Schlund wurden weifs, wie mit Schimmel überzogen, die Kranken mochten weder essen noch trin

1) Tyengius, bei Forest. Lib. VI. Obs. II. Schol. P. 152. 2) Forest hat die ungedruckten, wahrscheinlich verloren gegangenen Werke dieses vorzüglichen Arztes benutzt, von dem wir ohne ihn keine Kenntnifs haben würden.

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