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4. Begleitende Erscheinungen. Unerheblich wie diese Seuche war, so begleiteten sie auch keine auffallenden Erscheinungen in England; doch verhielt es sich ganz anders im übrigen Europa, wie sich weiter unten ergeben wird. Nach einem nassen Sommer im Jahre 1505 war ein strenger Winter eingetreten '); Kometen wurden in diesem wie im folgenden Jahre gesehen, auch erfolgte 1506 ein Ausbruch des Vesuvs 2), der wenigstens angeführt werden kann, wenn es auch wohl feststeht, dafs vulkanische Regungen nur bei einigen grofsen Weltseuchen, nicht aber bei kleineren Volkskrankheiten in Anschlag zu bringen sind. In England we hete vom 15. bis zum 26. Januar 1506 ein gewaltiger Sturm aus Südwest, der den König von Kastilien, Philipp von Oestreich mit seiner Gemahlin Johanna von den Niederlanden aus nach Weyinouth verschlug, und weil einige Tage zuvor ein von der St. Paulskirche in London herabstürzender goldener Adler einen schwarzen Adler auf einem niedrigern Gebäude zerschmettert hatte, düstere Weissagungen über das Geschick dieses Kaisersohnes unter dem Volke veranlafste 3). Doch konnte dies Ereignifs auf keine Weise mit der um ein halbes Jahr später ausbrechen

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den Seuche in Verbindung gebracht werden. Mehr VolksBeachtung verdient die in der damaligen Zeit sehr stimmung.

1) Spangenberg, M. Chr. fol. 403. a. Pestilentz, A. 1505.

2) Webster, Vol. I. p. 151. - Franck, fol. 219. a. — Pingré, T. I. p. 481.

3) Baco, p. 225.

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Stow, p. 809. Vergl. die übrigen Chronisten, welche gröfstentheils sehr ausführlich von dieser Begebenheit sprechen.

trübe und unbehagliche Stimmung des englischen Volkes. Die rücksichtlose Habsucht Heinrich's VII., der den Beinamen des englischen Salomo 1) führt, liefs gegründete Zweifel an der Sicherheit des Eigenthums aufkommen, und die frommen Stiftungen des von Krankheit mehr und mehr niedergebeugten Königs das gewöhnliche Mittel, den gefürchteten Zorn des Himmels zu besänftigen konnten die Erinnerung an die rauhe Willkühr und die Erpressungen seiner rechtsverdrehenden Diener 2) nicht mehr verwischen. Galten nun auch diese Erpressungen hauptsächlich nur dem begüterten, eines Zügels sehr bedürftigen Adel, so wurde doch finsteres Mifstrauen allgemein, und kein Frohsinn wollte mehr unter dem Volke aufkommen. Diese Stimmung hätte der wiederkehrenden Seuche günstig werden können, doch wollte der Genius des Jahres 1506 nicht, dafs diese mehr werden sollte, als eine leichte und vorübergehende Mahnung an eine mystisch verborgene Gefahr, deren Bedeutung keinem ärztlichen Forscher des sechzehnten Jahrhunderts einleuchtete.

5. Fleckfieber in Italien. 1505.

So könnte nun die Schweifssucht des gedachten Jahres zusammenhanglos erscheinen mit gröfseren Regungen des organischen Lebens, wollten wir nur iminer auf handgreifliche Vorgänge über und unter der Erde Rücksicht nehmen. Das Spiel der Naturkräfte

1) Baco, p. 231.

2) Empson und Dudley, Minister Heinrich's VII., der einen baaren Schatz von 1,800,000 Pfund hinterliefs. Vergl. Hume, Hist. of E. Vol. III., Baco und fast alle Chronisten. Beide Minister wurden unter der folgenden Regierung, 1509, hingerichtet. Grafton, p. 236.

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ist indessen ein feineres, als unsere stumpfen Sinne
und das schwerfällige Triebwerk unserer Werkzeuge
vermuthen lassen, ja es fördert gerade dann die auf-
fallendsten Erscheinungen im menschlichen Körper zu
Tage dem empfindlichsten Andeuter geheimnifs-
voller Einflüsse auf das Leben
wenn weder diese
noch jene irgend eine Veränderung um uns her zu
erkennen geben. Eben diese Wahrnehmung bestätigt
sich überzeugend in der Zeit der ersten Wiederkehr
des Schweifsfiebers. Denn während diese Krankheit
auf England beschränkt blieb, da zeigte sich im süd-
lichen und mittlern Europa eine neue und mörderi-
sche Seuche, welche von nun an die Völker mit tük-
kischer Gewalt fast unablässig heimsuchte. Es war
das Fleckfieber, eine den älteren Aerzten unbe-
kannte Krankheit, welche zum ersten Male im Jahre
1490 in Granada beobachtet wurde, wo sie das Heer
Ferdinand's des Katholischen aufzureiben drohete,
und die Saracenen nicht wenig belästigte 1). Die
Drüsenpest war unmittelbar vorausgegangen (1483,
1485, 1486, 1488, 1489 und 1490 2)), und es kann
mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit angenommen
werden, dafs das Fleckfieber aus dieser als eine ei-
genthümliche Abart hervorgegangen sei, da auch in
anderen Ländern funfzehn Jahre später die Drüsen-
pest verschiedentlich ausartete, und es nicht beispiel-
los ist, dafs von grofsen Krankheiten einzelne Formen
oder Bestandtheile sich eben so lostrennen, wie sie
unter begünstigenden Umständen zusammentreten, um

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1) Villalba, T. I. p. 69. 99. Die Kämpfe Ferdinand's mit den Saracenen begannen 1481 und endeten 1492 mit dem Falle Granada's. Spanisch heifst die Krankheit Tabardillo, welchen Namen jedoch Villalba bei 1490 noch nicht anführt.

2) Villalba, a. a. O. p. 66. §.

Ausbruch

in Granada

1490.

In Italien.

zu einem verderblichen Ganzen vereint, vielseitige Gefahr zu bringen.

Doch waren einige Zeitgenossen der Meinung, es wäre das Fleckfieber von venetianischen Söldnern aus Cypern, wo sie gegen die Türken gefochten hatten, und wo diese Krankheit schon länger einheimisch sein sollte, nach Granada herübergebracht worden 1). Ungeachtet einiger guten Vorarbeiten 2) bedarf dieser Gegenstand noch einer gründlichern Untersuchung, welche über das Emporkommen und die Verbreitung der Fleckfieber, so wie ganz besonders über ihr Verhältnifs zu anderen Seuchen wichtige und lehrreiche Ergebnisse zu Tage fördern würde. Was aber auch von dem wahren Ursprunge des Fleckfiebers zu halten sei, so viel steht fest, es wurde sofort eine selbstständige europäische Krankheit, und vor der Hand den Süden dieses Welttheils einnehmend, trat és fortan mit der Schweifssucht des Nordens in ein eben so auffallendes als merkwürdiges Verhältnifs, wie denn schon das mit der grofsen Fleckfieberseuche im Jahre 1505 fast gleichzeitige Auftreten des Schweifsfiebers in England, einem gemeinsamen, wenn auch seinem Wesen nach unverkennbaren höheren Einfluss mit gutem Grunde zugeschrieben werden kann.

Die Fleckfieberseuche, von welcher hier die Rede ist, herrschte vornehmlich in Italien, und wird von Fracastoro als die erste in diesem Lande vorgekommene beschrieben. Die Ansteckungskraft der neuen

1) Villalba, p. 69.
L. II. c. 6. p. 155.
p. 553. Tom II.

Fracastor. de morbis contagios. Schenck von Grafenberg, L. VI.

2) Aufser den genannten, die Schriften von Omodei und Pfeufer. Vergl. Schnurrer, Bd. II. S. 27.

Krankheit 1), welche von diesem grofsen Arzte zwischen die Drüsenpest und die nicht pestartigen Fieber in die Mitte gestellt wurde, zeigte sich gleich anfangs, doch erkannte man ganz deutlich, dafs die Ansteckung nicht so schnell haftete, wie bei der Drüsenpest, auch durch Kleider und andere Gegenstände nicht so leicht übertragen wurde, und ihr am meisten die Aerzte und Krankenwärter ausgesetzt waren. Das Fieber begann schleichend und mit sehr geringen Zufällen, so dafs die Kranken gewöhnlich nicht einmal ärztliche Hülfe begehrten, wodurch auch viele Aerzte sich täuschen liefsen, so dafs sie, ohne sich der Gefahr zu versehen, eine leichte Genesung hofften, und durch den baldigen Ausbruch bösartiger Erscheinungen nicht wenig überrascht wurden. Die Hitze war wohl im Verhältnifs zum Fieber gering, doch fühlten die Kranken ein gewisses inneres Unwohlsein, eine Zerschlagenheit des ganzen Körpers, und eine Ermüdung wie nach grofser Anstrengung. Mit schwerem Kopfe lagen sie auf dem Rücken, die Sinne wurden ihnen stumpf, und bei den meisten begann nach dem vierten oder siebenten Tage Unbesinnlichkeit, und während die Augen sich rötheten, schwatzhaftes Irrereden. Der Harn war zu Anfang gewöhnlich hell und reichlich, dann wurde er roth und trübe, oder dem Granatwein ähnlich, der Puls selten und klein, der Stuhlgang schadhaft und übelriechend, und an eben jenen Tagen, dem vierten oder siebenten, brachen auf den Armen, dem Rücken und der Brust rothe oder blaurothe Flecke aus, den Flohstichen ähnlich, oder

1) Man nannte sie Puncticula oder Peticulae, auch Febris stigmatica, Pestis petechiosa,, Reusner, p. 11. Die späteren Synonyme s. bei Burserius, Vol. II. p. 293.

Zufälle.

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