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deutschen Kaisers und die Söldner der Könige von Frankreich und England, die sich während der Kriege den kleinen Stämmen der stehenden Heere anschlossen, waren nur heimathlose Abenteurer aus allen Ländern Europa's, und wurden nicht von kriegerischem Ehrgeiz, sondern nur von der Aussicht auf Beute herbeigelockt). Wurde die Trommel gerührt, gleichviel in welchem Himmelsstriche, so fanden sie sich zusammen wie Heuschreckenschwärme, niemand wufste woher und der losen Bande der Kriegszucht spottend, erfreuten sie sich, so lange die Kriege dauerten, eines zügellosen Räuberlebens. Daher die unbegränzte und alles Gefühl empörende Rohheit der Kriegführung, der nur von einzelnen menschlichen Feldherren Schranken gesetzt wurden. Gewifs stand diese Art von Kriegswesen mit dem sittlichen Zustande der westlichen europäischen Völker in einem grellen Widerspruche, der durch die spätere Einführung strenger Kriegszucht nie ganz beseitigt, sondern nur erst in der neuesten Zeit durch die Zusammenstellung wahrer Volksheere ausgeglichen worden ist. Um so verderblicher aber waren die Folgen! Denn wurden nach geschlossenem Frieden die Heere wieder vermindert, so zerstreuten sich die Landsknechte nach allen Richtungen, nicht um wieder hinter dem Pfluge zu gehen, oder das ehemalige Handwerk zu treiben, nein, um in gewohntem Müfsiggange die Herbergen und Frauen

1) so fleugt und schneuet es zu, wie die fliegen in dem summer, dafs sich doch jemand verwundern möcht, wo dieser schwarm nur aller herkäm, und sich den winter erhalten het. Und zwar so ein ellend volck, das man sich ihrs glücks, verderbens und guten lebens billich mer erbarmen dann neiden solt.“. Franck's Chronik. Von den verderblichen Landsknechten." fol. 217. b.

häuser zu füllen, wenn die Beute ihnen gerathen war, oder batten sie Trunk und Spiel elend gemacht, um zu allgemeiner Landplage als wandernde Bettler oder Räuber ein ehrloses Dasein bis zu einem neuen Kriegsrufe zu fristen 1). Wenige mochten wohl aus so tiefer Versunkenheit wieder auftauchen, auch starben die meisten vor der Zeit, ihren Lastern erliegend 2), während die Ansteckung des Beispiels dem Söldnerstande immer wieder neue Schaaren aus Städten und Dörfern hinzugesellte.

2. Neue Verhältnisse.

Es liegt am Tage, dafs bei einem solchen Zustande das Verhältnifs der Seuchen zur bürgerlichen Gesellschaft ein anderes werden mufste, als ehedem. Schädliche Einflüsse, welche die Gesundheit der Städtebewohner im Mittelalter gefährdet, und oftmals geringe Krankheiten zu grofser Bösartigkeit gesteigert hatten, wurden für immer beseitigt. Hierher gehört namentlich die unzuträgliche Bauart der Häuser und Strafsen, die noch jetzt in grofsen Städten den Bewohnern ganzer Viertel, und nicht blofs den ärmeren, den Lebensgenufs verkümmert. Denn als man Vertrauen zur Sicherheit des Friedens fafste, da bedurfte nicht jede Landstadt mehr der Befestigungen. Man riss die Mauern nieder und trocknete die faulen Gräben aus, und da man nicht mehr auf enge Räume beschränkt war, so baute man bequemere Häuser in luftigen Stra

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1) 1518. Dis Jar ist gewesen eine grofse Vergarderunge der Landtsknecht, so nur garten, und sich aus Frieslandt gemacht, und theten grofsen schaden, kamen ins Landt zu Gellern, worden bey Vernlow erschlagen." Wintzenberger, fol. 23. a.

2),,Ich geschweig auch der Verkürtzung des lebens, danh man selten ein alten landsknecht findt." Franck, a. a. O.

fsen, die finstern Gassen und dumpfen Kellerwohnungen wurden allmählich verlassen, und ein behaglicheres Leben folgte der früheren Aermlichkeit. Hierdurch wurde die Sterblichkeit bedeutend vermindert und die Gewalt der Seuchen gebrochen, wie denn auch sonst nicht zu verkennen ist, dafs die bessere gesetzliche Ordnung der Auflösung der gesellschaftlichen Bande in Pestzeiten und den einst furchtbaren Wirkungen des Aberglaubens und Religionshasses mächtig vorbauete.

Doch wurden diese unschätzbaren Verbesserungen den Völkern nur nach und nach zu Theil, und vor der Hand durch das neue Uebel des Söldnerwesens nicht wenig zurückgehalten. Denn so wie die Keime der Lasterhaftigkeit von umherschweifenden Landsknechten nach allen Seiten hin verbreitet wurden, so fand auch die Ansteckung von bösartigen Krankheiten durch eben diese zerrüttete und überall gegenwärtige Menschenklasse leichter Eingang in die Städte und Dörfer. Die Landsknechte des sechzehnten Jahrhunderts vertraten als Giftverbreiter die Stelle der ehemaligen Römerfahrer und Geifselbrüder, ja sie bewirkten sogar eine viel anhaltendere Landplage als diese Umzügler des Mittelalters, welche nur bei auLustseuche. fserordentlichen Gelegenheiten auftraten. Man erin1495. nere sich hierbei nur der bösartigen und überaus widrigen Lustseuche, die sich zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts mit Blitzesschnelle über ganz Europa verbreitete! Nicht die unschuldigen Völker der neuen Welt haben sie herübergesendet, nicht die gemisshandelten Marranen, die Opfer der spanischen Inquisition, haben sie ausgebrütet : es war das Söldnerheer Karl's VIII. in Neapel (1495), dessen Aus

schweifungen das längst vorhandene Gift zu nie ge

sehener Bösartigkeit entwickelten, und der althergebrachten Sittenlosigkeit eine Geissel bereiteten, vor der alle Welt mit Entsetzen zurückbebte. Es ist aufserdem hier am Orte zu bemerken, dafs in den gröfseren Heeren, welche bei der veränderten Kriegführung jetzt in das Feld gestellt wurden, die gewöhnlichen Lagerkrankheiten, denen sich in dieser Zeit eine neue und sehr verderbliche hinzugesellte 1), viel ergiebigere Nahrung finden mussten, als in den weniger zahlreichen Heerhaufen der früheren Jahrhunderte, und mithin auch von dieser Seite die friedlichen Städteund Landbewohner bedeutenden Gefahren ausgesetzt wurden.

3. Schweifssucht.

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Unterdessen wurde Europa von den Seuchen des Mittelalters oftmals, und mit nicht geringen Verheerungen heimgesucht. Doch ertrug man die Schrecken der immer wiederkehrenden Pest mit trübsinniger Ergebung in das unabwendbare Mifsgeschick, welches der Zorn Gottes der Vorstellung des Zeitalters gemäfs als eine gerechte Strafe über die Menschheit verhing. Auch die Engländer blieben von dieser Pest in London. 1499. furchtbaren Plage nicht verschont, die im Jahre 1499 allein in London 30,000 Einwohner wegraffte, so dafs der König es räthlich fand, sich mit seinem ganzen Hofe nach Calais zurückzuziehen 2). Und so war allmählich die Erinnerung an die Schweifssucht von 1485 erloschen. Niemand dachte mehr ihrer möglichen Rückkehr, und alle Welt war mit anderen Din

1) Das Fleckfieber, von dem weiter unten die Rede sein wird.

2) Grafton, p. 220. Webster, Vol. I. p. 149.

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gen beschäftigt, als unvermuthet im Sommer 1506 der alte Feind sein Haupt wieder erhob, und die behagliche Sorglosigkeit verscheuchte. Der Wiederausbruch der Seuche verband sich diesmal mit keiner erheblichen Begebenheit, und so haben die Zeitgenossen nicht einmal den Monat angegeben, in welchem sie zu wüthen angefangen. Gegen den Herbst war sie schon wieder verschwunden, und wie denn auch keine neuen Zufälle sich der Krankheit hinzugesellten, deren Bild iman sich aus alten Erzählungen zu vergegenwärtigen suchte, so eilte man sie mit demselben Mittel zu bekämpfen, dessen Wirksamkeit die Augenzeugen der Seuche von 1485 mit so vielem Rechte anrühmten '). Behandlung. Man vermied also wie damals jede Erhitzung und Abkühlung, und überliefs das heimtückische Fieber bei mässiger Erwärmung im Bette, und ohne starke Arzneien, den Heilkräften der Natur. Der Erfolg war über alles Erwarten günstig, denn nur in wenigen Häusern bedurfte man der Trauerkleider, und nun schrieb man in verzeihlichem Irrthum den Sieg über die gefürchtete Seuche mehr der menschlichen Einsicht zu, als der diesmaligen Gelindigkeit des Uebels, das auch bei weniger besonnenem Verhalten der Kranken sich gewifs zu keiner erheblichen Stärke entwickelt haben Ausbruch in würde. Die Krankheit brach in London aus ob London. sie westwärts vorgedrungen sei, darüber haben die Zeitgenossen, bald überzeugt von der Geringfügigkeit der Seuche, keine Berichte aufgezeichnet; wieweit und wohin sie sich aber auch verbreitet haben mag, über Englands Gränzen ging sie nicht hinaus, und nirgends veranlasste sie eine bedeutende Sterblichkeit.

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Hall, p. 502. Baco, p. 225.

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