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kungen ') beobachtet, dafs man durch anfängliche Kühlung dem Frieselausschlage zuvorkommen konnte, so hat zwar ein neuerer Arzt von Verdienst hierauf grofsen Werth gelegt, um zu beweisen, dafs Friesel und englischer Schweifs dieselbe Krankheit wären 2), aber eine Hemmung dieser Art ist mindestens bei den Frieselfiebern unmöglich, in denen der Ausschlag schon am ersten oder zweiten Tage hervorbricht, und überdies sagt die Erfahrung, dass auch viele andere Krankheiten, Entzündungen, Flüsse, gastrische Fieber und selbst Unterleibstyphus, in ihrem Gange aufgehalten und in engere Gränzen eingeengt werden können, so dass sie nicht alle ihre Erscheinungen hervortreten lassen.

Wir sind also vollkommen berechtigt, die Entwickelung der Frieselschweifsfieber von der Mitte des siebzehnten Jahrhunderts an als eine ganz neue zu betrachten, welche mit der des englischen Schweisses

1) Z. B. in der Epidemie von 1782, die in Languedoc innerhalb weniger Monate über 30,000 Menschen wegraffte. Pujol beobachtete in dieser Epidemie vier Formen von Ausschlag: 1) Eine Purpura urticata, erhabene rosenartige Flecken oder Stippchen (papulae) von geringerem Umfang. Sie war sehr gutartig, und verlief zuweilen fieberlos. 2) Flecken aus zusammenfliefsenden sehr kleinen Frieselstippchen und Pusteln; weniger gutartig. 3) Kleine halbkugelförmige Stippchen von der Gröfse eines Senf- bis zu der eines Maiskorns. Sie bekamen vor der Abtrocknung eine weifse Spitze, und die gröfseren verwandelten sich in Eiterpusteln, oder gräuliche, halbdurchscheinende Phlyctänen mit rothem, entzündeten Grunde. Diese Form war die häufigste, und verbreitete sich, vermischt mit den übrigen, über den ganzen Körper, besonders den Stamm. 4) Ein Ausschlag wie Flohstiche, hellroth, in der Mitte ein kleines, gräuliches, fast nur durch die Loupe sichtbares Frieselbläschen. Diese Form war die schlimmste. Pujol, Oeuvres diverses de médecine pratique. 4 Voll. Castres, 1801. 8.

2) Foderé, III. p. 222.

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in keiner aufzufindenden Verbindung steht. Es sind Grofse Verin Deutschland seit 1652 viele Frieselerkrankungen breitung um 1715. vorgekommen, aber erst gegen 1715 gewann diese Krankheit einen gröfseren Boden, so dafs sie sich auch über Frankreich und die benachbarten Länder, besonders Piemont) verbreitete, während England von ihr fast ganz verschont blieb. Die französischen Epidemieen waren im Durchschnitt viel bedeutender und stärker entwickelt, als die deutschen, wir wählen daher von ihnen eine der ältesten und die neueste, um zur Vergleichung mit dem englischen Schweifs eine allgemeine Anschauung vom Frieselfieber zu geben. :

1718.

Das Frieselfieber zeigte sich in der Picardie zu- Le Vimeux. erst im Jahre 1718 in le Vimeux (Vinnemacus pagus), einer nördlich von der Somme, und südlich von der Bresle und dem Departement der Unter - Seine begränzten Gegend. Sein Gebiet gewann alljährlich an Ausdehnung, die meisten Orte der Picardie wurden von ihm heimgesucht, und es währte nicht lange, so sah man diese Krankheit auch in Flandern 2).

1733.

Von einer Epidemie in Abbeville, im Jahre Abbeville. 1733, wo der Friesel schon funfzehn Jahre früher zum Ausbruch gekommen war, besitzen wir noch eine ganz deutliche Beschreibung, die wir hier mittheilen wollen. Man bemerkte fast gar keine Vorboten, sondern die Krankheit begann sogleich mit drückenden Magenschmerz, grofser Vernichtung der Kräfte, dumpfem Kopfweh und beschwerlichem, von Seufzern unterbrochenen Athem. Die Kranken klagten über grofse Hitze, und zerflossen in übelriechendem schar

1) Hierüber siehe Allioni, der seine klassische Beschreibung des Friesels nach piemontesischen Epidemieen entworfen hat. 2) Bellot, An febri putridae, Picardis Suette dictae sudorifera? Diss. praes. Ott. Cas. Barfeknecht. Paris, 1733. 4.

fen Schweifs, während sie zuweilen Ekel empfanden, Funken ihnen vor den Augen erschienen, und das Gesicht sich röthete. Sie wurden von brennendem Durste gequält, und doch war die Zunge feucht, als litten sie an gar keiner Krankheit. Der Puls wurde häufig, wellenförmig ohne Härte, und wenn einige Stunden vorüber waren, so entstand unter ängstlichem Umherwerfen ein unerträgliches Jucken über den ganzen Körper. Darauf brachen dicht aneinander rothe und abgerundete Pusteln, nicht gröfser als Senfkörner hervor, wobei die Kranken einen äusserst widrigen Harngeruch von sich gaben, der sich den Umstehenden mittheilte. Zuweilen hatten sie Stuhlgang, zuweilen litten sie an Verstopfung, alle aber klagten über Schlaflosigkeit, und glaubten sie einschlafen zu können, so wurden sie wieder von erneutem Froste aufgerüttelt. Manchen flofs Blut aus der Nase, bis zur Ohnmacht, und bei den Frauen trat sehr oft, aber nicht zur bestimmten Zeit, die monatliche Reinigung ein. Der Harn flofs bald spärlich, bald in grofser Menge, und ohne kritische Zeichen; war er weifs und reichlich, so verkündigte er Irrereden, wobei denn die Augenlieder zuckten, Ohrenbrausen entstand, und der Kranke sich unruhig hin und herwarf. Der Puls wurde hart, gespannt, und wie der Athem sehr beschleunigt. Das Gesicht röthete sich mehr und mehr, und bald darauf wurden die Kranken, als wären sie vom Blitze getroffen, von Schlafsucht befallen, und hauchten, meistens unter Bluthusten, ihre Seele aus.

So verhielt sich die Krankheit, wenn sie zu gleicher Zeit viele ergriff. Sonst gab es aber manche Verschiedenheiten. Bei einigen brachen die Frieselbläschen erst am zweiten, bei anderen erst am drit

ten Tage aus, und wenn alles eine gute Wendung nahm, so verloren sie am siebenten ihre Röthe und die Haut schuppte sich über und über wie Kleie ab. Das Fieber war bald überaus heftig, bald ohne wahrnehmbaren Grund sehr gelind. Am wenigsten durfte man sich aber zu Anfang von der anscheinenden Gutartigkeit der Zufälle täuschen lassen. Denn die am Morgen kaum bemerkbar fieberten, an keiner Angst oder starker Hitze litten, bei denen man kein Sehnenhüpfen bemerkte, bei denen der Schweifs nicht fehlte, noch der Friesel zurückgetreten war, die wurden zuweilen am Abend von Hirnwuth befallen, und starben dann schlafsüchtig. Ausleerungen, die in anderen Krankheiten Erleichterung bringen, verschlimmerten diese Frieselfieber. Nie konnte man günstigen Zeichen trauen, mitten im Schweifs starben die Kranken, mit Verstopfung oder mit Durchfall; reichlicher Harn liefs Schlimmes befürchten, auf die Ruhe folgte Irrereden, auf die Munterkeit Schlafsucht, die Krankheit war durchaus heimtückisch und verkappt. Besonders hatten sich vor ihr Pleuritische, so wie alle an hitzigen Fiebern Leidende zu hüten. Von jenen raffte sie noch viele weg, die schon sicher genesen zu sein glaubten, und dann war sie leichter vorauszusagen, als abzuhalten. Die Frieselbläschen waren in Fällen dieser Art weniger geröthet, und erblafsten früher, befiel die Krankheit aber Gesunde, so waren sie röther und standen länger. Von den Genesenen litten nicht wenige einige Monate, ja selbst ein ganzes Jahr lang an nächtlichen Schweifsen ohne Fieber oder Schlaflosigkeit, unter dem Ausbruch von Frieselbläschen, die nach der geringsten Kühlung wieder verschwanden 1).

1) Rayer, Suette, p. 426., wo die Hauptstelle aus Bellot's Dissertation wörtlich abgedruckt ist.

Die späteren Frieselseuchen in Frankreich, die mit dem Namen des Picard'schen Schweifses belegt werden, sind im Allgemeinen sehr gut beschrieben '), so dafs wir wenige Epidemieen der neuern Zeit in ihrer Aufeinanderfolge so deutlich übersehen können, La Chapelle, als gerade diese. Die Epidemie von 1821 aber, die St. Pierre. 1821. in den Departements der Oise und der Seine und Oise vom März bis in den October herrschte, ist von allen mit der gröfsten Sorgsamkeit und von ausgezeichneten Männern beobachtet worden 2). Wir wollen die Beschreibung der Krankheit folgen lassen.

Sie hatte keine beständigen Vorboten, und oft war ihr Ausbruch ganz plötzlich, doch klagten viele einige Tage vorher über Mattigkeit, Zerschlagenheit, Mangel an Efslust, Ekel, Kopfschmerz, zuweilen auch etwas Schwindel und leichtes Frösteln. Viele legten sich gesund nieder, und erwachten über Nacht mit der Krankheit, überströmt von Schweifs, der nur erst mit dem Tode oder mit der Genesung aufhörte. Zuweilen ging eine kaum bemerkbare Fieberbewegung mit brennender Hitze, oder mit dem Gefühle von Anwehen, das alle Glieder durchlief, und fast immer mit Magendruck, dem Schweifse um einige Stunden oder selbst nur einige Augenblicke voraus. Bei anderen kündigte sich das Uebel durch reifsende rheumatische Schmerzen an, wonach sie unter zunehmender Verschlimmerung bettlägerig wurden. Der Mund war unrein, der Geschmack zuweilen bitter, die Zunge weifs, seltener gelblich belegt, und so blieb sie bis zur Genesung.

1) Am besten bei Rayer, p. 421. · Weniger gut bei Ozanam, T. III. p. 105. Die Litteratur ist sehr bedeutend.

2) Rayer, Mazet, Bally, François, Pariset u. m. a.

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