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mit seinem Lehrer für beständig fieberhaft, und sein Ausspruch blieb eine Zeit lang gültig; auch mochte er wohl Recht haben, denn es ist wahrscheinlich, dafs die Krankheit in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts noch viel heftiger war, als späterhin. Sein berühmter Zeitgenosse, der Herophilcer Demetrius von Apamea, wollte nur im Anfange der Krankheit Fieber gesehen haben, und behauptete, es verschwände in ihrem weiteren Verlaufe. Bald entschieden sich auch die meisten Aerzte dahin, die Herzkrankheit sei nicht fieberhaft. Asklepiades aber unterschied eine fieberhafte und eine nicht fieberhafte Form der Herzkrankheit, und es ist gewifs, dieser Arzt hatte einen sehr sichern Blick; auch stimmten ihm Themison und Thessalus bei. Aretaeus beschrieb mit wenigen Zügen nur die fieberhafte Form, kannte vielleicht auch keine andere. Soranus folgte im Wesentlichen dem Urheber seiner Schule, Asklepiades, und man pflegte wohl späterhin allgemein die innere Hitze, den heifsen Athem und den brennenden Durst der Kranken, Zufälle, welche zuweilen weniger ausgebildet waren, für Beweise des Fiebers zu halten. Theoretische Ansichten einzelner Schulen, auf die es hier nicht ankommt, mischten sich viele ein, und alles in allem möchte wohl die nicht ficberhafte Form auf eine solche zurückgeführt werden können, in der die Zeichen fieberhafter Regung nur geringer angedeutet erschienen. Denn unter allen Umständen trat die Herzkrankheit mit Kälte der äufseren Theile und mit einem kleinen, zusammengezogenen, beschleunigten Pulse ein, Zufälle, welche mit Sicherheit Fieber vermuthen lassen ').

1) Cael. Aurel. C. 33. p. 150.

Ueber

Ueber den Verlauf der Herzkrankheit sind wir nicht genau unterrichtet. Er war ohne Zweifel sehr kurz, denn Zufälle so heftiger Art erträgt der Körper nicht lange, es mufs bald zur Entscheidung kommen; doch ist aus den grofsen Anstalten zur Behandlung mindestens auf einige Tage zu schliefsen. War der

Schweifs gut überstanden, so genasen die Kranken wahrscheinlich rasch, und ihre Leiden kamen ihnen, nach Aretaeus Worten, wie ein Traum vor, aus dem sie sich wohl noch der grösseren Schärfe ihrer Sinne zu erinnern wufsten 1). Aber es glückte nicht immer so, die Krankheit war sehr lebensgefährlich, und bei einigen blieb nach unvollkommener Entscheidung schleichendes Fieber zurück, das mit Abzehrung endete 2). Die ganze Erscheinung war höchst eigenthümlich, und es findet sich unter den jetzigen Krankheiten keine, die ihr zur Seite gestellt werden könnte.

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Verlauf.

Es mufs also in dem ganzen Sein der Alten etwas Ursachen. gelegen haben, das die Entstehung der Herzkrankheit begünstigte. Dafs sie mehr im Sommer, als im Winter entstanden sei, mehr die Männer, als die Frauen heimgesucht habe, und zwar vornehmlich die lebenskräftigen jungen Leute, die Vollsaftigen mit hitzigem Blut, die an Leibesübungen gewöhnt waren, dies wissen wir von zuverlässigen Beobachtern 3). So würde sich hier also ein ähnliches Verhältnifs herausstellen, wie beim englischen Schweifs. Hierzu kommt, dass Unverdaulichkeit, Ueberladung, Trunkenheit, auch wohl Betrübnifs und Furcht, am häufigsten aber Erbrechen und Baden nach Tische Veranlassung zum

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Ausbruch des Uebels gaben 1). Da erinnere man sich nur der Lebensweise der Alten. Gerade im Zeitalter Alexander's begann die morgenländische Ueppigkeit. Schwelgerische Mahle gehörten zum Lebensgenufs, und die warmen Bäder wurden ein verfeinertes Bedürfnifs der Sinnlichkeit, welche in eben dieser Zeit von Epikur philosophisch begründet wurde nicht das letzte Mal, dafs Philosophen den Fehlern und Gebrechen der menschlichen Gesellschaft dienstwillig das Wort redeten! So begegnen wir also auch hier wieder, wie beim englischen Schweifs der Verweichlichung der Haut und der unreinen Vollsaftigkeit, erzeugt durch dieselbe Genufsgier, welche wir im sechzehnten Jahrhundert kennen gelernt haben. Wie diese Verderbnifs der Sitten fortwucherte, welche ungeheure Höhe sie bei den Römern erreichte, dies bedarf hier keiner weitern Andeutung, und man kann wohl mit Bestimmtheit annehmen, dafs durch sie das ganze Leben der Alten ein eigenthümliches Gepräge erhielt, dafs die Erschlaffung der Haut und die unreine Vollsaftigkeit von Geschlecht zu Geschlecht forterbten, und wie unter den langwierigen Krankheiten die häufigeren Gichtübel hiervon die Folge waren, unter den hitzigen die Herzkrankheit als die allgemeine Wirkung derselben Lebensstimmung hervortrat.

Bei einer solchen Lebensstimmung ganzer Vereine von Menschen bedarf es aber auch nicht in jedem einzelnen Falle der ursprünglichen und eigenthümlichen Anlässe, um die Anlage zu einer Krankheit, die sich durch Erblichkeit mehr und mehr fortpflanzt, in den wirklichen Ausbruch derselben überzuführen,

1) Cael. Aurel. C. 31. p. 146.

sondern es reichen dazu oft Erschütterungen ganz an derer Art hin, so wie bei den Römern durchaus nicht immer Schwelgerei und Hauterschlaffung die Herzkrankheit unmittelbar hervorbrachten, sondern auch oft die gewöhnliche Ohnmacht nach zu starken Aderlässen in das stürmische Wallen des Herzens mit auflösendem Schweisse überging '), und alles zu starke Schwitzen in anderen Krankheiten dieselbe lebensgefährliche Wendung nehmen konnte 2). Es kommt hier noch aufserdem die ganz unzuträgliche und selbst durch Gesetze geheiligte Gewohnheit der Römer in Betracht, die öffentlichen Bäder erst am späten Abend, mithin bald nach der Hauptmahlzeit zu besuchen, und an diesen Orten weichlicher Behaglichkeit die Verdauung abzuwarten 3). Wie musste wohl hiernach die Neigung zu Schweifskrankheiten begünstigt werden!

Wie nun das Wesen der alterthümlichen Herzkrankheit zu bezeichnen sei, darüber sind nach den mitgetheilten Thatsachen nur Vermuthungen aufzustellen. Gewissheit geben uns darüber die Alten nicht, denn ihre Art zu beobachten führte nicht zu dem Ziele, das die neuere Heilkunde sich steckt. Dafs die Herzkrankheit nicht rheumatischer Natur gewesen sei, scheint aus einigen Umständen hervorzugehen: der Luftbeschaffenheit der südlichen Länder, welche rheu

1) Cael. Aurel. C. 33. 153. P. Eine ganz ähnliche Be obachtung macht man jetzt über die zunehmende Häufigkeit der Leberkrankheiten in England. Aeltern, die lange Zeit in Ostindien gewesen sind, vererben die Anlage zu diesen, den gemässigten Zonen ganz fremdartigen Krankheiten auf ihre Nachkommen, bei denen es dann keiner tropischen Hitze, sondern nur gewöhnlicher Anlässe in ihrem Vaterlande bedarf, um mannigfache Leberbeschwerden hervorzurufen. S. Bell.

2) Cael. Aurel. C. 36. p. 159

3) Man lese hierüber das klassische Werk von Baccius.

Wesen.

matischen Uebeln nicht so günstig ist, um eine bestimmt abgegränzte Form derselben ganze fünf Jahrhunderte hindurch immer wieder und wieder vorkommen zu lassen; dem Wesen der genannten hitzigen Fieber, welche mitten in ihrem Verlaufe keine rheumatischen Zufälle dulden, und der Behandlung der Herzkrankheit. Denn es war ein gewöhnliches Verfahren, die „Diaphoretischen" mitten im Schweisse mit kaltem Wasser in Schwämmen abzukühlen, sie dem Luftzuge auszusetzen, ja einige Aerzte riethen sogar kalte Bäder und Uebergiefsungen 1). Wie hätte man Dinge der Art wagen dürfen, wenn die Herzkrankheit rheumatischer Natur gewesen wäre? War doch jede dreiste Abkühlung, jede Entblöfsung der Haut den Schweifsfieberkranken im sechzehnten Jahrhundert tödtlich! Es ist daher anzunehmen, dafs der englische Schweifs von der alterthümlichen Herzkrankheit durch den rheumatischen Charakter verschieden war, wenn auch beide Krankheiten auf einer gemeinschaftlichen Seite in unreiner Vollsaftigkeit und Hauterschlaffung wurzelten, und die wesentlichen Erscheinungen beider denselben Kreis der Verrichtungen einnahmen; anderer Verschiedenheiten nicht zu gedenken, die nach unserer Darstellung am Tage liegen.

Behandlung. Die übrige Behandlung der Herzkrankheit darf hier nicht ganz übergangen werden, insofern sie die allgemeine Sinnesart des ärztlichen Standes, gewisse psychische Regungen, welche diesem Stande angeboren sind, und eben daher in allen Zeitaltern wiederkehren, ganz deutlich offenbart. Denn während die

1) Celsus, L. III. c. 19. 140.
P.

C. 37. an.

Cael. Aurel. von

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