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ursachen, anhaltend genossen, übelriechende Schweisse, und konnten mithin zur Vorbereitung des Schweifsfiebers mitwirken. Aehnliches gilt von den schmutzigen Binsenfufsböden in den englischen Häusern 1), und anderen untergeordneten Ursachen der Krankheit, von denen im Verlaufe dieser Untersuchung die Rede gewesen ist.

Als eifrigem Lobredner der Mässigkeit hätte man ihm mehr Beifall wünschen mögen. Aber die Worte guter Aerzte verhallen in die Lüfte, wenn es Laster und sinnliche Angewöhnung gilt; man verlangt ein sicheres Schutzmittel, keine Bufspredigt. Seine Vorschriften über Speise und Trank sind umständlich, nach Art der Alten, und er empfiehlt so vielerlei, dass wieder die Auswahl Kunst erfordert, während doch Feuer. nur entschiedene Einfachheit nützen konnte. Reinigungsfeuer, die man in Pestzeiten aller Orten anzündete, werden auch von ihm sehr gerühmt, wobei wir erfahren, dafs die Schmiede und Köche vom Räucherun- Schweifsfieber freigeblieben wären 2). Räucherungen gen. mit wohlriechenden Stoffen aller Art, selbst den kostbarsten indischen Gewürzen, waren in den Häusern der Reichen überall gebräuchlich, und man ging nicht aus ohne irgend eins von den tausend empfohlenen Riechmitteln aus alten Pestzeiten. Die gerühmten Arzneien sind wieder die gewöhnlichen, unter denen auch der Theriak, der armenische Bolus und die Perlen in mannigfacher Verbindung vorkommen, doch sind die meisten Schutzmittel, welche irgend einen Fehler des Körpers beseitigen sollen, nicht allzu stürmisch. Behandlung Kaye's Behandlung des Schweifsfiebers ist die der Schweifssucht. milde altenglische, sehr zweckmäfsig und klar ausein

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andergesetzt. Von dem Einflusse der Schulen wufste er sich hier im Ganzen frei zu halten, und das einzige Heilmittel, das er im Nothfall billigte, war eine unschädliche und sehr beliebte Bereitung aus Perlen und wohlriechenden Stoffen, die man Manus Christi ') oder in Deutschland Perlenzucker nannte. Sie stammte noch aus dem funfzehnten Jahrhundert, von Guainerus 2), und es gab dazu sehr verschiedene Vorschriften 3). Auch gab er wohl zuweilen Bolus oder Siegelerde zu Anfang *), denn wie hätte wohl ein Arzt des sechzehnten Jahrhunderts an der giftwidrigen Wirkung dieser überschätzten Heilmittel zweifeln können? Ungeduld des Kranken, Schwäche, zu dichte Haut und dickes Blut werden von ihm als die Haupthindernisse des kritischen Schweisses aufgeführt, die zu beseitigen er mit grofser und rühmlicher Vorsicht zu Werke geht, nach Umständen selbst warmen Wein und grössere Wärme verordnend. Zuweilen konnte er auch nicht vom Theriak und Mithridat lassen, doch hat er von diesen Mitteln wenigstens keinen ausgedehnten Gebrauch gemacht. Wassersüchtigen und Rheumatischen, die vom englischen Schweifs befallen wurden, verschrieb er einen Trank aus Guajac, auch empfiehlt er als schweifstreibend die in dieser Zeit sehr gebräuchliche Chinawurzel. Brach dann der Schweifs hervor, so untersagte er entschieden, diesen über die Gebühr zu treiben, es wurden sofort alle Arzneien beseitigt, und er verliefs sich zur Abwendung der Schlafsucht allein auf den Riechessig und sanftes Rütteln, ohne gröfsere Qualen wie Damianus für nothwendig zu halten 3).

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Goneville College. 1557. 58.

Als gelehrter Beförderer der Wissenschaften gehört Kaye zu den ehrenwerthesten Männern seines Vaterlandes. Durch ihn wurde unter Maria's Regierung Goneville Hall zum Rang eines College erhoben, besser begründet und reicher ausgestattet; bis an sein Ende führte er dann die Oberleitung dieser seiner Lieblingsanstalt, und verlebte in ihr sein Alter 1), nicht in mönchischer Beschaulichkeit, wie Linacre, sondern den Studien eifrig ergeben, wie die grofse Zahl seiner Schriften zeigt. Man beschuldigt ihn, seinen Glauben nach Umständen gewechselt zu haben. Diese Fügsamkeit erhielt ihn freilich in der Nähe so ganz verschiedenartiger Throne, ist aber nicht das Merkmal von Seelengröfse, und erklärt sich nur zum Theil aus dem Geist der englischen Reformation. Kaye reformirte durch die That, indem er den Unterricht beförderte, und legte vielleicht auf das äufsere Bekenntnifs keinen Werth. Seine Vielseitigkeit als Gelehrter ist aufserordentlich, und würde aller Bewunderung werth sein, wenn er überall den Vorwurf der Leichtgläubigkeit vermieden, die Nebendinge nicht zu weit ausgesponnen und den Funken des Geistes besser zu erkennen gegeben hätte. Bald übersetzte und erläuterte er Galenische Schriften, bald schrieb er über Sprachkunde, oder ärztliche Kunst- freilich wohl ohne freie Beweglichkeit seines Geistes, denn Galen und Montanus waren seine Vorbilder 2), aber wo waren in dieser Zeit die Aerzte, die nicht

1) Zu einem neuen Gebäude schenkte er dieser Anstalt über 1800 Pfund, eine für diese Zeit sehr beträchtliche Summe.

2) De medendi methodo, ex Cl. Galeni, Pergameni, et Joh. Bapt. Montani, Veronensis, principum medicorum, sententia, Libri duo. Basil. 1544. 8. Er widmete dieses unerhebliche Buch dem Leibarzt Butts; s. Balaeus, fol. 232. b.

Schweifskrankheiten. 1. Herzkrankheit.

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nach dem Pergament beobachteten? Versuche über Geschichte und englische Alterthumskunde finden sich einige unter seinen Schriften 1), und seine Conrad Gesner gewidmeten Arbeiten über Naturkunde 2) gehören zu den besten seines Jahrhunderts, weil er in ihnen, frei von den Banden irgend einer Schule, seine Beobachtungen ganz schlicht und unbefangen mittheilt. Er starb zu Cambridge, den 29. Juli 1573, und verordnete sich die Grabschrift: „Fui Caius."

SCHWEISSKRANKHEITEN.

Ἔξι γάρ τὸ πάθος λύσις τῶν δεσμῶν τῆς εἰς ζωὴν δυνάμιος.

ARETAEUS.

1. Die Herzkrankheit der Alten.
(Morbus cardiacus.)

So war nun im Herbst 1551 die Schweifssucht von der Erde verschwunden. Sie ist seitdem, wie sie damals und früher auftrat, nie wieder erschienen, und es ist nicht zu glauben, dafs sie jemals wieder als grofse Volkskrankheit in derselben Gestalt, und beschränkt auf einen vierundzwanzigstündigen Verlauf erscheinen wird, denn es ist offenbar, die Lebensweise der damaligen Völker hatte einen grofsen Antheil an

1) Vergl. sein eigenes Werk,,de libris propriis," bei Jebb, welches einem ähnlichen Galenischen nachgeahmt ist, und ungefähr denselben Geist athmet.

2) De canibus Britannicis und de rariorum animalium et stirpium historia, bei Jebb.

ihrer Entstehung, und diese wird nie wiederkehren. Doch ist die Natur nicht arm an ähnlichen Erscheinungen in alter und neuer Zeit, und ziehen wir die grofse Häufigkeit der verwandten rheumatischen Uebel in Betracht, so mögen wohl vereinzelte Fälle zuweilen vorgekommen sein, in denen unreine Vollsaftigkeit und stürmisch erhitzende Behandlung rheumatische Fieber bis zur Ertödtung des Nervenlebens unter strömendem Schweifse steigerten, nur vielleicht in längerem Verlaufe, der keinen wesentlichen Unterschied begründet, und unter ganz anderen Namen, welche die Aufmerksamkeit irre führen.

Von allen je vorgekommenen Krankheiten, die mit der englischen Schweifssucht irgend verglichen werden können, haben wir vornehmlich drei zu berücksichtigen: die Herzkrankheit der Alten, den Picardschen Schweifs und das Schweifsfieber von Röttingen. Die erste war den Gelehrten des sechzehnten Jahrhunderts aus angeführten Gründen ) fast unbekannt, und es ist zu verwundern, dafs selbst Kaye, der den besten lateinischen Arzt wir meinen Celsus zu seinem Liebling erwählt hatte, dessen nicht unwichtige Angaben über diese Krankheit so ganz übersehen konnte. Der einzige Houlier wagt die Vergleichung des englischen Schweifses mit der alterthümlichen Herzkrankheit, aber seine wenigen, fast verlorenen Worte 2) blieben unbeachtet, auch sind die Unterschiede beider Krankheiten nicht gering. Doch nun zur Sache.

Die Krankheit, von der wir reden, kommt in ei

1) S. 133.

2),,Sudor anglicus, fere similis ei sudori, quem cardiacum dicebamus." De morb. int. L. II. fol. 60. a.

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