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zöge '). Hieraus erklärt sich denn auch die allgemeine Niedergeschlagenheit, und die im ganzen Volke sich äufsernde Frömmigkeit, die Mutter zahlloser Werke christlicher Milde und Menschenliebe, durch welche gewifs viele Thränen getrocknet, viele Waisen und Wittwen gegen Noth und Mangel geschützt wurden. Denn diese an sich sehr erfreuliche Erscheinung zeigt sich nur bei grofsen Niederlagen und allgemeiner Todesfurcht so lehrt es die Weltgeschichte der Volkskrankheiten und wir wollen zur Ehre der Engländer gern glauben, dafs der religiöse Aufschwung, den sie durch ihre, an sich freilich nur dogmatische Kirchenverbesserung erhalten, keinen geringen Antheil daran gehabt habe. Doch liegt es leider so in dem Wesen der menschlichen Gesellschaft: ist die Noth vorüber, so läfst die Tugend nach, - kaum waren die Todten betrauert, so kehrte alles wieder zum gewohnten Treiben zurück 2). So bemächtigte sich einst der Byzantiner während eines grofsen Erdbebens eine nie gesehene Gottesfurcht; bei Tag und bei Nacht strömten sie in die Kirchen, man sah nur christliche Tugend, Entsagung und Werke der Wohlthätigkeit doch währte es damit nur so lange, bis der Boden wieder feststand ).

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Man machte in diesem Jahre die höchst auffal- Ausländer lende Bemerkung, dafs die Schweifssucht die Ausländer in England durchaus verschonte, Auslande er

1) Unter anderen starb der Herzog von Suffolk und sein Bruder. Godwyn, a. a. O.

2),, And the same being whote and terrible, inforced the people greatly to call upon God, and to do many deedes of charitie: but as the disease ceased, so the devotion quickly decayed." Grafton, p. 525.

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3) Gesch. der Heilk. Bd. II. S. 136.

verschont, Engländer im

kranken.

den Engländern dagegen ins Ausland folgte, so dafs diese in den Niederlanden und Frankreich, ja selbst in Spanien, von der ihnen angeborenen Seuche in nicht unbeträchtlicher Anzahl weggerafft wurden, ohne diese irgendwo den Eingeborenen mitzutheilen. Nicht einmal in dem nahen Calais erkrankten die französischen Einwohner ), und da nun auch weder die Schotten, Bewohner der gemeinschaftlichen Insel, noch die Irländer von dem Schweifsfieber heimgesucht wurden, so können wir die Annahme irgend einer Eigenthümlichkeit in dem ganzen Sein der Engländer, welche sie ausschliefslich für diese Krankheit empfänglich machte, nicht von der Hand weisen. Diese genauer zu bestimmen, möchte um so schwerer fallen, da in dem Ursprungsjahre der Schweifssucht gerade die Ausländer es waren, unter denen die englische Krankheit zuerst ausbrach, und wiederum Engländer, die sich ein Jahr lang in Frankreich aufgehalten, bei ihrer Rückkehr im Sommer 1551 dem Schweifsfieber unterlagen 2). Die Zeitgenossen finden sie freilich in der thierischen Völlerei und der rohen Lebensweise der Engländer, genug in allen den Dingen, die wir zeither kennen gelernt, und die ohne Zweifel auch ihres Theils den Deutschen und Niederländern in Jahre 1529 dieselbe Geifsel zugezogen haben. Kaye, der vollgültigste Augenzeuge, führt sogar zum Beweise dieser Ansicht an, dafs die Mäfsigen in England von

1) Caius, p. 30. u. a. a. St. ,,And it so folowed the Englishmen, that such Marchants of England, as were in Flaunders and Spaine, and other countries beyond the sea, were visited therewithall, and non other nation infected therewith." Grafton, a. a. O. Vergl. Baker, p. 332. Holinshed,

p. 1031.

2) Caius, p. 48.

der Schweifssucht verschont geblieben, und dagegen einige Franzosen in Calais, die zu tief in die englischen Sitten eingeweiht gewesen, von ihr ergriffen worden wären '). Hierin allein kann jodoch der Grund jener Empfänglichkeit nicht gesucht werden, wir müssten denn in die althergebrachte Einseitigkeit bei der Erörterung entfernter Ursachen zurückfallen wollen, wobei es sogleich auffallen würde, dafs die Deutschen und Niederländer, die sich seit 1529 doch schwerlich um ein Beträchtliches gebessert hatten, nicht wiederum von dem alten Feinde heimgesucht wurden.

3. Ursachen. Naturereignisse.

Es liegt mithin nahe, oder vielmehr, es bleibt nur übrig, ein unerkanntes Etwas in der englischen Luft anzunehmen, das den Engländern die rheumatische Spannung mittheilte, oder wenn man will, ihre mit unverarbeiteten Säften überladenen Körper 2) so durchdrang, dafs ihre Lebensstimmung bis zur sogenannten Opportunität der Schweifssucht verändert wurde. Bei einem solchen Zustande bedarf es allerdings nicht der gewohnten und mehr eigenthümlichen

1) P. 196. bei Babington.,, these thre countryes (England, die Niederlande und Deutschland) whiche destroy more meates and drynckes without al order, convenient time, reason, or necessitie, then either Scotlande, or all other countries under the sunne, to the great annoiance of their owne bodies and wittes" etc. Vergl. p. 46. der lat. Ausg.

2) Godwyn, a. a. O. versichert ausdrücklich, die Schlemmer, die mit vollem Magen in die Krankheit gekominen, wären verloren gewesen, und Kaye, aufser den Kindern und Alten wären auch die aus Noth mässigen, und abgehärteten Armen entweder frei geblieben, oder sie hätten die Krankheit leichter überstanden. P. 51.

Anlässe, um den letzten Schritt zu der lange vorbereiteten Krankheit zu bewirken, sondern es reichen die ganz allgemeinen Ursachen des Erkrankens hin, um den letzten Anstofs zu geben, wenn dies auch unter einem ganz andern Himmel sein sollte, wie jetzt bei den Engländern unter dem spanischen, und bei dem venetianischen Gesandten Naugerio, der im Jahre 1528 fern von Italien am Fleckfieber erkrankte, unter dem französischen 1).

Es ist den Lesern ohne Zweifel aufgefallen, dass alle fünf Erkrankungen in England eine viel längere Dauer hatten, als die einmalige in Deutschland und im übrigen Norden Europa's. Auch diese konnte wohl nur von Eigentümlichkeiten des englischen Bodens herrühren. Suchen wir aber jetzt jenes unerkannte Etwas in der Luft von 1551, das cov des grofsen Hippokrates, welches seine Gegenwart durch das Erkranken der Völker kund giebt, durch wahrgenommene Erscheinungen anschaulich zu machen, denn weiter vorzudringen ist menschlicher Forschung nicht verWitterung. gönnt. Der Winter von 1550 zu 51 war in England

trocken und warm, das Frühjahr trocken und kalt, Sommer und Herbst waren heifs und feucht 2). Das ganze Jahr zeigte manches Aufserordentliche, ohne jedoch in das Pflanzen- und Thierleben so mächtig, oder in einem so grofsen Kreise einzugreifen, wie die Zeit der vierten Schweifsfieberseuche. Es wird hier und da sogar als ein fruchtbares gerühmt 9). Am 10. Januar erhob sich ein grofser Sturmwind, der in Deutschland an Häusern und Thürmen nicht geringe Spuren zurückliefs *). Derselbe Tag brachte nicht

1) S. oben S. 76. - 2) Caius, engl. Ausg. p. 191.
3) Schwelin, S. 177.4) Spangenberg, fol. 463. a.

Ueberschwemmun

gen.

unbeträchtliche Ueberschwemmungen im Flufsgebiete der Lahn, welche der ganz ungewöhnlichen Zeit wegen bemerkt werden müssen '). Am 13. Januar, wiederum zu ungewöhnlicher Zeit, folgte ein grofses, über Norddeutschland verbreitetes Gewitter mit starken Regengüssen 2), und am 28. Januar ein bedeutendes Erd- Erdbeben. beben in Lissabon, wobei an 200 Häuser einstürzten und gegen tausend Menschen umkamen, während sich eine feurige Lufterscheinung zeigte, die nach den ungenauen Beschreibungen die meiste Aehnlichkeit mit einem Nordlichte hat, also höchst wahrscheinlich electrischen Ursprungs war 3). Hierauf trat in Deutschland (Februar) grofser Frost ein *). Am 21. März sah man in Magdeburg und der Umgegend, sieben Uhr Morgens zwei Nebensonnen mit drei Regenbogen, und am Abend zwei Nebenmonde 5). Dieselben Nebensonnen wurden auch zu Wittenberg, jedoch ohne Regenbogen beobachtet. Eine ähnliche Erscheinung, mit zwei Regenbogen, wiederholte sich am 27. März ‘); auch hatte man schon am 28. Februar in Antwerpen Nebensonnen bemerkt ). Um dieselbe Zeit (den 21. März) trat die Oder aus ihren Ufern 8), auch folgten im Mai, nach anhaltenden Regengüssen, Ueberschwemmungen in Thüringen und Franken 9). Es

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Neben

sonnen.

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