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von ihnen verschont bleiben '). Man erinnere sich weiter des übergrofsen Wassergehaltes der unteren Luftschichten, bei dem die Schweifsfieberseuchen entstanden, der dicken, selbst übelriechenden Nebel, welche die Krankheit vorbereiteten und verkündeten, der jähen Abwechselung von frostiger Kühle und grofser Hitze während des Sommers 1529, nicht minder des häufigen Vorkommens aller Arten Flüsse in eben diesem Jahre, und man wird das vollendete Bild der rheumatischen Constitution in jedem einzelnen Zuge wiedererkennen.

Wäre nur schon in den prunkenden Lehrgebäuden der neuesten Zeit eine reifere Kenntnifs von der Electricität der lebenden Körper anzutreffen, es könnte nicht fehlen, dafs auch von dieser Seite helles Licht über den grofsen Gegenstand unserer Forschung verbreitet würde. Wir müfsten dann nicht bei der Erfahrung stehen bleiben, dafs nebelige Luft dem Körper die Electricität entzieht, Haut und Lungen ihrer electrischen Atmosphäre beraubt, ihr electrisches Wechselverhältnifs mit der Aufsenwelt stört, und durch diese Störung rheumatisches Erkranken des Körpers vorbereitet, mit aller eigenthümlichen Entmischung der Säfte, aller reizbaren Spannung der Nerven, Fieber und schmerzhaftem Leiden einzelner Theile. Man stelle sich diese Störung vor, wie nur irgend neuere Hypothesen dazu einladen mögen, vielleicht als eine Anhäufung der Electricität im Innern des Körpers bei krankhafter, isolirender Thätigkeit der Haut, wofür wichtige Erfahrungen sprechen 2) eine bessere Erkenntnifs

1) Wohl zu bemerken unter gleichen Verhältnissen. Es soll nicht gesagt werden, dafs sie von rheumatischen Krankheiten frei, sondern nur dafs sie weniger dazu disponirt sind.

2) Dafs rheumatischer Zustand den Körper zum

Beweis.

des Wesens der Flüsse wird nur von ernstem zukünftigen Forschen zu erwarten sein, und bis dahin reichen vielleicht einige offenbare Beziehungen zwischen den rheumatischen Leiden und dem englischen Schweisse hin, die rheumatische Natur dieser Krankheit zu erweisen.

Zuerst die überaus grofse Empfindlichkeit der Schweifs fieberkranken gegen jeden Wechsel der Temperatur, die entschiedene grofse Gefahr der Abkühlung. In keiner bekannten Krankheit kommt diese Reizbarkeit der Haut bis zu dem Grade ausgebildet vor, wie in den rheumatischen Fiebern, nicht weniger auch in den fieberlosen Flüssen, in denen selbst eine ganz deutliche Empfänglichkeit für Metallreiz entsteht.

Zweitens die Neigung des rheumatischen Zustandes, sich durch sehr ergiebige, saure und übelriechende Schweifse zu entschei

Isolator macht, ermittelte A. v. Humboldt schon 1793, und fand diese Bemerkung durch spätere Erfahrungen bestätigt. „Ich habe an mir selbst beobachtet, dass ich bei einem heftigen Anfalle von Schnupfenfieber gar nicht im Stande war, mittelst der wirksamsten Metalle mir die galvanischen Blitze vor den Augen zu erregen; dass ich jede Kette zwischen der Muskel- und Nervenarmatur unterbrach. So wie das rheumatische Uebel die Reizempfänglichkeit der Organe mindert, so schien es auch ihre Leitungskraft zu afficiren. Freilich ist das wie? in dieser Sache damit noch gar nicht erläutert; freilich habe ich hier und da isolirende Personen gefunden, welche sich im Genusse der vollkommensten Gesundheit befanden; aber ist es in einem solchen Oceane der Unwissenheit nicht immer schon gewonnen, eine Bedingung auszumitteln, wo man nicht jede determiniren kann?“ Versuche u. s. w. Bd. I. S. 159. Pfaff glaubt, dass während der Dauer rheumatischer Krankheiten die eigenthümliche Electricität des Körpers auf Null herabsinke. S. dessen Aufsatz über

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die eigenthümliche Electricität des menschlichen Körpers, in Meckel's Archiv, Bd. III. H. 2. S. 161.

den, ohne alles Zuthun der Kunst '). Das englische Schweifsfieber offenbart diese Regung des Organismus in ihrer höchsten bis jetzt bekannten Ausbildung. Denn es leidet wohl keinen Zweifel, dafs der Schweifs in dieser Krankheit an und für sich kritisch war, in der vollsten Bedeutung des Wortes.

Drittens die eigenthümlich umgeänderte Grundmischung des organischen Stoffes in den rheumatischen Krankheiten, in Folge welcher flüchtige Säure im Schweisse wie im Harne, und thierische Aussonderungen von besonderem Geruche vorwalten. Der englische Schweifs zeigt auch dieses Ergebniss krankhafter Thätigkeit in so grofsartiger und sprechender Entwickelung, wie keine andere Krankheit. Denn auch die beobachtete Neigung zur Fäulnifs können wir nur als eine Steigerung dieses Zustandes ansehen.

Viertens. Die ziehenden Schmerzen in den Gliedern, das sprechendste Merkmal der Flüsse, fehlten nicht bei der englischen Schweifssucht, ja sie kamen sogar bis zur beginnenden Lähmung entwickelt vor, und wohl nicht mit Unrecht können selbst die Zuckungen der Schweifsfieberkranken aus derselben Quelle hergeleitet werden.

Fünftens. Die Neigung der Flüsse bei ungünstigem Verlaufe in eigenthümliche Wassersucht überzugehen eine Folge der beson

ders gearteten Entmischung

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zeigt sich bei dem

Schweifsfieber so bestimmt ausgeprägt, dafs die Wassersucht selbst allmählich zum Tode führte.

Bedarf es hiernach für die Zweifelnden noch eines Mittelgliedes der Vergleichung, so bietet sich ein

1) Auffallende Erfahrungen dieser Art hat der Verf. zu Zeiten an sich selbst gemacht.

Grund des raschen Verlaufes.

solches in dem Friesel dar, einer Krankheit von entschieden rheumatischem Wesen, doch möge man nicht die verkümmerten Frieselformen der neuern Zeit, sondern die grofsen und ausgebildeten des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts im Auge behalten. Hier ist ein ähnlicher Geruch des Schweifses, dieselbe Beklemmung, dieselbe unnennbare Angst mit Herzklopfen und Unruhe. Die Arme ermatten, wie von Lähmung ergriffen, Gliederreifsen stellt sich ein, in den Fingern, in den Zehen das unbehagliche Prickeln alles wie beim englischen Schweifs, nur in längerem, ungeregelten Verlaufe und in ganz anderer Entwickelung.

Nach dieser Darstellung erscheint der englische Schweifs als ein Flufsfieber in seiner höchsten Ausbildung, wie nur je die Welt sie gesehen, mächtig eingreifend in das Leben des Hirns und Rückenmarkes und ihrer Nerven, ohne aber die Geflechte des Unterleibes irgendwie zu belästigen. Die übermäfsige Aussonderung wässeriger Flüssigkeit, welche nur in den gutartigen Fällen durch selbstständige Heilkraft geschah, in den bösartigen aber Lähmung der Gefäfse und wirkliche Schmelzung erkennen liefs, gewährt noch eine andere Rücksicht auf den Folgezustand der Entleerung, der höchst wahrscheinlich in einen Stillstand des Kreislaufes überging, gleichwie dieser nach jedem andern raschen Säfteverlust eintritt, sei es durch Blutflufs oder Brechdurchfall. Hierin lag die Bedingung des ungemein raschen Verlaufes der Krankheit, auch wohl zum Theil der tödtlichen Schlafsucht 1), und

die

1) Diese Erscheinung kann wohl mit Recht mit dem ganz ähnlichen, nur aber länger dauernden Folgeübel der Cholera ver

die Ursache der leicht verzeihlichen Verkennung des Wesens des Schweifsfiebers auch in späterer Zeit. Das Folgeübel war gröfser und tödtlicher, als das ursprünglich rheumatische Leiden an sich, das in den geringeren Formen seiner Verwandtschaft gutartig, und für leitendes Eingreifen leicht empfänglich ist.

Und hieraus erklärt sich denn auch der wunderbar glückliche Erfolg des altenglischen Heilverfahrens, das eben diesen Folgezustand vermeiden liefs, und die ohnehin schon übermächtige Heilbestrebung anzuspornen vermied. Wir haben daher diesem weisen und wahrhaft ärztlichen Verfahren nichts weiter hinzuzufügen, als unsere vollkommene Beistimmung, denn es ist der Beruf des Arztes, in Krankheiten von selbstständiger Heilkraft diese frei walten zu lassen, und bei behutsamer Pflege nur ihre Hindernisse zu beseitigen. Sollte den Völkern das Geschick bevorstehen, einst wieder von der Krankheit des sechzehnten Jahrhunderts heimgesucht zu werden es wäre ja nicht unmöglich, dafs irgendwann ähnliche Ereignisse wiederkehrten so wollen wir unseren Nachkommen anempfehlen, diese ewige Wahrheit, und die goldenen Worte des Wittenberger Büchleins zu beherzigen, die Heilkunst aber vor fremdartiger Beimischung zu bewahren, denn nur als Untergebene der Natur führt sie den Stempel der Vernunft, der Meisterin aller irdischen Dinge.

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glichen werden. Lähmung und Anfüllung der rückführenden Gefäfse gewähren in beiden dieselbe Berücksichtigung.

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