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Newenar.

Damianus.

ganz ermattet wieder zum Vorschein gekommen 1). Eben dieser Umstand beweist, dafs der Mann nur an einem eingebildeten, nicht am wirklichen Schweifsfieber gelitten; dass aber das Brot, welches man nachher wieder in diesem Ofen gebacken, wie vergiftet gewesen sei, konnte wohl nur die Leichtgläubigkeit des gelehrten Leibarztes erklärlich finden.

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Der Graf von Newenar 2) äufsert sich über das Schweifsfieber wie ein gebildeter, mit ärztlichen Dingen nicht unbekannter Mann, und sucht das kritische Wesen des Schweifses durch das häufig erprobte Verfahren von Empirikern zu beweisen, Pestkranke gleich zu Anfang in starken Schweifs zu bringen 3), bei welcher Gelegenheit er von einem gewissenlosen Arzte erzählt, er habe sich auf diese Weise der Pest in einem öffentlichen Bade entledigt, die nach ihm Kommenden aber wären sämmtlich angesteckt worden und gestorben. Seiner Angabe nach war der englische Schweifs in und um Köln nicht eben tödtlich *), doch finden wir ihn an den Ufern der Schelde und in den niederländischen Seestädten wieder in seiner alten Bösartigkeit.

Man erkennt diese ganz deutlich aus der Schrift eines vielbeschäftigten Arztes in Gent, Tertius Damianus aus Vissenaecken bei Tirlemont ), dessen eigene Frau vom Schweifsfieber befallen, und glück

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1) Fol. 85. Wahrscheinlich weicht dieses Sendschreiben von der besonders erschienenen lateinischen Schweifsfieberschrift dieses Arztes nicht wesentlich ab. (De idoonvçɛroй seu sudatoriae febris curatione Liber. Coloniae, 1529. 4.)

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4) Videmus, quam multi de sudore convalescant. fol. 66. a. 5) Diese Stadt heifst niederländisch Tienen (Thenae in mon

tibus), von Damianus Decicopolis übersetzt.

lich wieder hergestellt wurde '). Die Zufälle, von denen Damianus Rechenschaft giebt, gehören zu den bedeutendsten, deren nur irgend Erwähnung geschieht, auch scheint es wohl, dafs die Krankheit, gegen die Meinung vieler, sie entstände nur aus Furcht, in den Niederlanden eine viel gröfsere Ansteckungskraft entwickelt habe, als in Deutschland, wozu die erhitzende Behandlung das Ihrige beigetragen haben mag 2). Bemerkenswerth ist die eindringliche Weise, mit der Damianus seine Kranken von der Schlafsucht zurückhielt. Er liefs ihnen, wenn die gewöhnlichen Mittel nicht fruchteten, ab und zu Haare ausreifsen, die Glieder schmerzhaft zusammenschnüren, Essig in die Augen tröpfeln 3) — freilich entschuldigte die Gefahr das Mittel, aber die Gewaltsamkeit erzwingt nicht leicht den Erfolg. Im Uebrigen weichen die Ansich ten dieses Arztes nicht von den gewöhnlichen ab, und wenn er über den grofsen Wucher der Apotheker Klage führt *), so war dieser wohl eine natürliche Wirkung der üblichen Arzneivorschriften, deren er selbst viele sehr verwerfliche empfiehlt.

Was irgend die gelehrte Heilkunde des sech- Schiller. zehnten Jahrhunderts einem so furchtbaren Feinde gegenüber leisten konnte, zeigt sich in der sehr gehaltreichen Schrift Joachim Schiller's) in Freiburg, die jedoch erst zwei Jahre später erschien, und über die Entwickelung der Seuche im Breisgau leider nicht den gewünschten Aufschluss giebt. Schiller ist in sei

1) Fol. 117. a.

4) Fol. 118. a.

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Damianus hat seine nicht unwichtige Abhandlung während der Schweifsfieberseuche in Gent niedergeschrieben.

5) Er nennt sich Schiller von Herderen, von einem Landgute in dem gleichnamigen Dorfe, dicht bei Freiburg.

nen Ansichten gemässigt, er zeigt sich durchweg als einen sehr gebildeten, und in den Griechen bewan. derten Arzt, und wenn auch er von dem Ballaste schwerfälliger Arzneien sich nicht frei halten kann, so mag nicht ihm, sondern dem Zeitalter die Schuld beigemessen werden, welches eben so wie jedes andere seine Dämonen walten liefs, und den Genius der Heilkunde mit Nebel und Finsternifs umgab den freien und grofsen, über menschliche Kurzsichtigkeit erhabenen, der seine Verehrer nur unter den begeisterten Dienern der Natur findet.

12. Bild der Krankheit.

Die Angaben der Zeitgenossen über die Erscheinungen und den Verlauf der Schweifssucht sind zwar im Einzelnen ungenügend und mangelhaft '), doch lässt sich aus der Gesammtheit der noch erkennbaren Züge ein lebendiges und vollständiges Bild ihres Angriffes auf den menschlichen Körper entwerfen, besonders aus den deutschen Beobachtern, die ihre eigenen und die allgemeinen Erfahrungen ihrer Zeit treu und redlich wiedergaben, denn die Engländer haben bis hierher fast nur das Aeufsere dieser nun schon zum vierten Male unter ihnen aufgekommenen Volkskrankheit geschildert.

. Es ist ausgemacht, dafs das Schweifsfieber zwar im Ganzen äusserst hitzig verlief, und die Nachwehen nicht in Anschlag gebracht, in höchstens vierundzwanzig Stunden zur Entscheidung eilte, doch liefs es selbst in dieser engen zeitlichen Be

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1) Schiller sagt ganz naiv, die Zeichen der Krankheit wären offenbar, und die er nicht angegeben, müsse man sich-hinzudenken." Sect. II. c. 1. fol. 20. b.

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Beschränkung sehr verschiedenartige Zufälle hervortreten 1), so dafs bei einer genaueren Beobachtung, als von den damaligen Aerzten erwartet werden kann, nicht wenige Stufen seiner Ausbildung und Heftigkeit zu unterscheiden gewesen wären. Es zeigte sich sogar eine Form dieser Krankheit, der gerade der we sentlichste Zufall, der schmelzende Schweifs abging 2), wie bei der gefährlichsten Form der Cholera Erbrechen und Durchfall fehlen, und die entweder durch einen allzu gewaltsamen Angriff das Leben innerhalb einiger Stunden vernichtete, oder vielleicht auch irgend eine andere uns unbekannte Wendung nahm.

Vorboten fehlten durchaus, wenn man nicht Vorboten. eine mit Herzklopfen verbundene Beklommenheit hierher rechnen will, welche vielleicht nicht körperlichen Ursprungs war, sondern von der allgemein verbreiteten Todesfurcht herrührte, oder ein ohnmachtähnliches unwiderstehliches Sinken der Kräfte, das vielleicht der Krankheit so vorausging, wie es im nördlichen Deutschland als Gesammterscheinung den Ausbruch der Seuche verkündet hatte 3), oder auch rheumatische Leiden verschiedener Art, die im Sommer 1529 häufig vorkamen +), endlich auch widrigen Geschmack und übeln Geruch aus dem Munde, eine auffallend gewöhnliche Klage in dieser Zeit 3).

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Bei den meisten trat die Krankheit, wie die Mehrzahl der Fieber, mit kurzem Schüttelfroste und

1),,Habet inconstantes notas morbus." Schiller. ,,Di. versos diversimode adoritur." Damian. fol. 115. b.

2) S. oben das Remedium, S. 129. Anm. 2. sentia plurimum nocebat. Forest. p. 158. Schol. 3) S. oben S. 96. Klemzen, S. 254. 4) Bayer, Cap. 6. M. Hundt, fol. 5. a.

5) Bayer, a. a. O.

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Sudoris ab.

Frost.

Hirnzufälle.

Zittern ein '), das in den ganz bösartigen Fällen selbst in Zuckungen der Glieder überging 2), bei anderen mit mässiger, fort und fort zunehmender Hitze 3), entweder ohne offenbare Veranlassung, selbst mitten im Schlafe, so dafs die Kranken beim Erwachen schon im Schweisse lagen, oder auch im Rausch und während harter Arbeit 4), besonders früh am Morgen bei Sonnenaufgang 5). Viele Kranke empfanden sogleich zu Anfang ein unangenehmes Kriebeln oder Ameisenlaufen in den Händen und Füfsen 6), das sich sogar zu stechenden Schmerzen und einem äufserst schmerzhaften Gefühl unter den Nägeln steigerte, zuweilen auch mit rheumatischen Krämpfen, und mit einer solchen Ermattung des Oberkörpers verbunden war, dafs die Befallenen durchaus nicht im Stande waren, die Arme zu heben 7). Einigen sah man während dieser Zufälle die Hände und Füfse, den Weibern auch wohl die Weichen anschwellen 8).

Hierauf entwickelten sich in rascher Folge bedenkliche Hirnzufälle. Viele geriethen in rasende Fieberwuth 9), und diese starben gewöhnlich 10),

1) Angelus, S. 319. Schiller, Stettler, a. d. a. St., und viele andere.

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extremita

7),, Ungues potissimum excruciat, alas ita comprimit, ut etiam si velis, non posses attollere." Forest. p. 157. Schol. ,,In extremitatibus puncturis retorquentur dolorosis tes obstupefiunt, dolet orificium ventriculi, nervorum contractiones nascuntur, plantarum pedumque dolores." Damian. fol. 116. a. 8) Damian. a. a. O. 9) Klemzen, a. a. O. 10),,Nec quenquam vidimus ita delirantem restitutum incolumitati." Damian. fol. 116. a.

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