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Schule eingeführt worden, doch fehlte es nicht an gewaltigen erhitzenden Arzneien aus dem alten Vorrathe der Empiriker, die fast durchgängig vor den milden Tränken und Syrupen der Arabisten den Vorzug erhielten. Hellwetter verkaufte ein unbekanntes Pulver, und eine Menge erhitzender Tincturen (gebrannte Wässer), von denen Dr. Magnus Hundt in Leipzig mit vieler Anpreisung eine Uebersicht giebt. Die Flugschrift dieses Arztes gehört in jeder Beziehung zu den gewöhnlichen, giebt keinen Beweis von verständiger Auffassung der Krankheit, und gehört in das Gebiet des niedern ärztlichen Wirkens, welches in Zeiten der Gefahr dem Volke so leicht zum Gespötte wird, und die Achtung des ärztlichen Standes, zum grofsen Nachtheile des Gesammtwohles so sehr verringert.

Hundt.

Man glaube indessen nicht, dafs diese Flugschrift- Klump. steller von dem Volke, das in so gewaltiger Aufregung Gutes und Schlechtes durcheinander wirft, überall so bereitwillig gehört wurden. Die Schrift eines Dr. Klump in Ueberlingen, der seine Schweifsfieberkranken im Ausbruche der Krankheit mit Theriak und allerlei erhitzenden Pestpulvern bestürmte, erregte grofses Gelächter 1), und man kann nicht leugnen, das Volk hatte wenigstens hier und da den Vortheil des gesunden Sinnes gegen die unendlichen Recepte der Aerzte auf seiner Seite. Und nun ist es erfreulich zu sehen, wie dieser gesunde Sinn, der ohne Zweifel von wackeren Aerzten geleitet wurde, in gar vielen Städten zum Heile der Leidenden durchdrang. Dies be

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1) Vix malevolorum cachinnos morsusque praeteriit.“ Schiller, Epist. nuncupator. Den Titel der in der Bibliothek zu Strafsburg noch vorhandenen Originalschrift giebt Gruner, Script. p. 12., und einen lateinischen Auszug daraus Gratoroli, fol. 39.

Wittenberger weist die Flugschrift eines Arztes in Wittenberg 1), Regiment. die in der Sprache des Volkes geschrieben, höheren ärztlichen Anforderungen so vollkommen entspricht, dafs ihrem unbekannten Verfasser noch jetzt der gerechteste Beifall zu Theil werden inufs. Denn er zeigt durchweg eine sehr genaue Kenntnifs des Schweifsfiebers, und grofse Besonnenheit. Sein Verfahren ist durchaus milde und vorsichtig, er verwirft die Federbetten, warnt aber dringend vor jeder Abkühlung, und empfiehlt daher das in dieser Zeit sogenannte Benähen der Kranken, nämlich den Saum der Decke an das Lager mit Nadel und Faden zu befestigen, verordnet den Kranken mäfsiges, warmes, nicht erhitzendes Getränk 2), erfrischt sie mit Rosensyrup, und schärft es seinen Lesern ein, dafs die meisten Kranken ohne Arznei gerettet werden. Zur Verhütung der unbedingt tödtlichen Schlafsucht bediente man sich aufser anhaltendem Zuspruch, erfrischender Gerüche von Rosenwasser und Riechessig, dem Kranken in einem nicht zu nassen Tuche vorgehalten, oder vorsichtig die Schläfe damit benetzt. Die Genesenden wurden mit grofser Behutsamkeit gepflegt, und es ist wohl nicht der geringste Vorzug dieser ganz gediegenen Flugschrift, dafs sie auch die Zaghaftigkeit der Kranken, mit Gründen einer milden, aber männlichen Religion, wie sie nur irgend dem Sinne dieses Zeitalters entsprach, bekämpfte. Die hier gegebenen Vorschriften sind im Grunde die ursprünglich englischen, die schon im Jahre 1485 die Gewalt der

1) S. im Bücherverzeichnifs: Ein Regiment u. s. w.

2) Irgend ein dünnes, erwärmtes Bier. Warmbier war im nördlichen Deutschland ein allgemein gebräuchliches Getränk. Eimbecker und Bernauer Bier waren schwerere Sorten, und wurden von den Aerzten zur Nachkur empfohlen.

Schweifsfieberseuche gebrochen hatten, und der Verfasser verschweigt nicht, dafs man ihn hierüber schon am 7. August von Hamburg aus belehrt habe. Dafs durch dies Verfahren nicht nur einzelne Kranke 1) gerettet, sondern auch ganze Städte vor allzugrofser Sterblichkeit bewahrt worden seien, wollen wir ihm gern glauben, und wir müssen deshalb um so mehr bedauern, dafs die damalige Heilkunst der starren Schulen ihren Beruf als Priesterin des Lebens so durchweg verkannte, dafs sie mit ihren abenteuerlichen Arzneien mehr Opfer niederstreckte, als die Seuche je abgefordert haben würde.

Wie bald das englische Verfahren die verdiente Anerkennung fand, ist aus einer, der Sache nach fast gleichlautenden lateinischen Schrift zu entnehmen, die ein Auszug aus einigen deutschen Flugschriften zu sein scheint 2). Die einzigen hierin empfohlenen, sehr unschädlichen Arzneimittel sind nächst aromatischen Riechwässern Perlen und Korallen in erwärmtem Rosenwasser, efslöffelweise innerlich gegeben. Zur Vorbauung wird der durchweg sehr gebräuchliche Theriak in dem Safte gebratener Zwiebeln, jedoch nur in sehr geringer Gabe empfohlen. Aehnliche gute Ansichten in Betreff des Schwitzens unterschrieben auch wohl noch andere Aerzte 3), und endlich liefs der grofse Rath von Bern, noch unter dem 18. December eine zu Geduld und unerschrockenem Gemüth ermahnende Schrift ausgehen, in der der Gebrauch der Federbetten und aller Arzneien während der Krank

1) ,, Ich habe in meinem Hause sieben ligen gehabt an der selben seuche, von welchen, Gott lob, keiner starb." (Aus dem Briefe eines Hamburgers, in demselben Regiment.)

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Cordus.

heit, aufser etwas Zimmtwasser, ernstlich widerrathen wurde 1). Auch der Hof von Holland empfahl ein Heilverfahren 2), wahrscheinlich das englische die beiden einzigen Spuren irgend einer väterlichen Fürsorge der Regierungen für ihre Unterthanen.

Der gelehrte und schöngeistige Euricius Cordus 3) in Marburg hatte, als er schrieb *) noch keine Kunde von dem heilbringenden englischen Verfahren, und trat bei aller seiner Berühmtheit doch nur in die Reihe der gewöhnlichen Rathgeber. Er konnte sich von den aus Italien mitgebrachten Arzneivorschriften nicht losmachen, sondern reichte dem einzigen in Marburg vorgekommenen Schweifsfieberkranken einen zwar sehr gebräuchlichen, aber sehr widrigen Trank von Benedetto 5). Seine Verordnungen zur Vorbauung sind sehr überladen, doch ist bei dem häufigen Gebrauche der Abführmittel, den in dieser Zeit fast alle Aerzte anrathen, wohl zu erwägen, dass die damalige Völlerei sie im Allgemeinen nothwendiger machte, als vielleicht jetzt. Der Bischoff Ditmar von Merseburg hat der Nachwelt verrathen, der berühmte Mann habe sich vor der neuen Krankheit sehr gefürchtet, und seiner Angst kein Hehl gehabt *).

1) Stettler, Th. II. S. 33.

2) Wagenaar, a. a. O. S. 509.

3) Sein eigentlicher Name ist Heinrich Spaten, wovon Cordus (der Letztgeborne oder Spätgeborne) eine Uebersetzung sein soll.

4) Den 2. September.

5) . Pulveris cardiaci (sehr zusammengesetzt aus Edelsteinen und vielen anderen Dingen) 3ij, Pulveris cornu cervi 3j, Seminis Santonici, Myrrhaea 5B. M. f. pulv. Drachmenweise in erwärmtem Weinessig.

6) Chronic. p. 473.

Von dem gelehrten Augsburger Arzte Achilles Gasser) besitzen wir noch eine sehr überladene Arzneivorschrift, deren er sich in der Schweifsfieberseuche mit jugendlichem Vertrauen bediente 2). Wir könnten dieser noch tausend ähnliche zur Seite stellen, wenn es nicht schon am Tage läge, wie wenig die damalige Heilkunde im altgriechischen Gewande dem Bedürfnisse der Zeit entsprach; schwerfällig, unbeholfen und ihres ursprünglichen Geistes längst beraubt, denn so und nicht anders wurde sie an den Hochschulen gelehrt.

Gasser.

In dem breiten Sendschreiben von Simon Ri- Riquinus. quinus an den Grafen von Newenar in Köln 3), sind zwar Spuren der besseren Grundsätze bemerklich, die sich von Hamburg aus schnell über ganz Deutschland verbreiteten, doch ist die angerathene Vorbauung nicht viel besser, als zu den Zeiten des Kaisers Antonin, wo der Theriak des Andromachus zu den Bedürfnissen des römischen Hofes gehörte. Beiläufig erzählt Riquinus, ein Bauer in der Gegend von Cleve, der vom englischen Schweifse befallen worden sei, habe sich eiligst in einen noch heifsen Backofen verkrochen, und sei nach einiger Zeit

1) Geb. 1505, + 1577.

2) Es ist das Electuarium liberans Gasseri: R. Spec. liberant. Galen, Spec. de gemm. an. 3j, Pulveris Dictamn., Tormentill., Serpentinae, an. iv, Pimpinell. Zedoariae an. 3ß, Bol. Armen. lot., Terr. sigillat. an. Jij, Rasur. Cornu cervin. j, Zingiber. 3B, Conserv. rosar. rec. 3B, Theriac. veteris 3j, Syrup. acetositatis citri q. s. ut f. electuar. spiss. Velsch. p. 19. Gasser berichtet in seiner Chronik von Augsburg, es wären dort über 3000 Menschen erkrankt, aber nur 600 gestorben. S. Mencken, Scriptores rerum Germanicarum.

3) Gratorol. fol. 74. b.

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