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wenig heimgesucht '), und wahrscheinlich um dieselbe Zeit die meisten Städte und Dörfer dieses Reiches. Doch sind die Nachrichten hierüber in den dänischen Zeitbüchern sehr mangelhaft 2), weil die Zeitgenossen über die seltsame Flüchtigkeit des tödtlichen Uebels, das die Leiber ihrer Mitmenschen berührte, die gewifs auch dort grofsartige Erscheinung der Nachwelt zu beschreiben verabsäumten. Nur aus einigen Angaben ist ganz deutlich zu entnehmen, dafs es derselbe wohlbekannte Dämon war, den man auch Dänemark durchfliegen sah. Denn es erkrankten am meisten, wie schon ursprünglich in England, die jungen und starken Leute, weniger die alten und kränklichen, und in vierundzwanzig Stunden, höchstens in zwei Tagen (?) war über Leben und Tod entschieden.

In denselben Tagen verbreitete sich die Schweifsfieberseuche über die scandinavische Halbinsel, und brachte in Schwedens Hauptstadt, wo der Bruder des Königs Gustav Wasa, Magnus Erikson daran starb, wie in diesem ganzen Reiche und in Norwegen dieselben stürmischen Erscheinungen bei den Kranken, denselben Schrecken, dieselbe Todesangst bei den Gesunden hervor. Die nordischen Geschichtschreiber geben darüber sprechende Andeutungen, die nach sorgfältiger Durchforschung handschriftlicher Urkunden vielleicht noch an Farbe und Leben gewinnen könn

1) Boesens Beskrivelse over Helsingöer. - Diese Angaben verdankt der Verf. der Gefälligkeit des Hrn. Regimentsarztes Dr. Mansa in Kopenhagen.

2) Hr. Dr. juris Baden hat auf Gruner's Ersuchen vieles durchforscht und nicht mehr gefunden, als was Huitfeld berichtet. Eine Abschrift seines lateinischen Briefes hierüber an Gruner ist dem Verf. ebenfalls durch Hrn. Dr. Mansa zugekommen.

könnten). Dafs die Schweifssucht auch Litthauen, Polen, Liefland, wo nicht auch einen Theil von Rufsland durchzogen habe, wissen wir nur im Allgemeinen 2). Ohne Zweifel sind in diesen Ländern noch geschriebene Urkunden hierüber vorhanden, die noch eines umsichtigen Forschers harren; vorläufig aber ist aus dem frühzeitigen Auftreten der Krankheit in Preufsen zu vermuthen, dafs sie dort zu derselben Zeit wie in Deutschland, Dänemark und der scandinavischen Halbinsel geherrscht habe. Nirgends findet sich eine sichere Spur, dafs das Schweifsfieber noch im December 1529 oder im Januar des folgenden Jahres irgendwo vorgekommen sei. Es verschwand überall nach vierteljähriger Dauer im Ganzen, ohne irgend ein Merkmal seines Daseins in der Entwicke

In Te

1) Dalin, D. III. S. 221. Engelske Svetten. gel's Geschichte des Königs Gustav I., Th. I. S. 267. findet sich nur eine allgemeine Angabe über den englischen Schweifs in Schweden, ohne genaue Zeitbestimmung (Herbst 1529) und Beschreibung der Krankheit, wie dergleichen in deutschen Chroniken unzählige vorkommen. Sven Hedin schlägt die Sterblichkeit in der Schweifsfieberseuche in Schweden offenbar zu hoch an, wenn er sie mit den Verheerungen durch den schwarzen Tod ver gleicht. (S. 27.) Er theilt (S. 47.) eine ausführliche Stelle über die Schweifssucht aus Linné's pathologischen Vorlesungen mit. Der grofse Naturforscher hat aber seiner Einbildungskraft freies Spiel gelassen, und kennt wie alle Aerzte der neuern Zeit, die sich über den englischen Schweifs geäufsert haben, die Thatsachen viel zu wenig, um richtig urtheilen zu können. (Supplement till Handboken för Praktiska Läkare - vetenskapen, rörande epidemiska och smittosamma sjukdomar i allmänhet, och särdeles de Pestilentialiska. Ista St. Stockholm, 1805. 8.)

2) Aus Reimar Kock's handschriftlicher Chronik von Lübeck und Forest. a. a. O. Vergl. Gruner's Itinerarium, das überhaupt mit sehr rühmlichem, wenn auch trockenem Fleisse gearbeitet ist, in dem Brownschen Zeitalter aber so wenig Anerkennung fand, dafs es schon jetzt zu den Seltenheiten gehört.

lung anderer Krankheiten zurückzulassen, zwischen denen es hindurchging, wie ein Komet durch die Planeten ohne auch in das Gebiet des französischen Hungerfiebers, oder des italienischen Fleck fiebers einzudringen; für alle späteren Jahrhunderte ein sprechendes Bild gemeinsamer Erschütterungen des Völkerlebens, und für die Zeitgenossen eine furchtbare Geifsel.

8. Schreck.

Die Erschütterung der Gemüther in Deutschland war über alle Beschreibung heftig, und gränzte an wahnsinnige Verzweifelung. Sobald die Seuche sich auf dem festen Lande gezeigt hatte, gingen haarsträubende Erzählungen von den unerhörten Qualen der Kranken und der Gewifsheit ihres Todes wie ein Lauffeuer von Mund zu Mund. Von bleichem Schreck wurden die Sinne benommen, und die Einbildung vergröfserte das Uebel, das wie ein jüngstes Gericht hereinzubrechen schien. So hörte man nur überall vom englischen Schweifs, und erkrankte jemand an irgend einem andern Fieber, so mufste es dieser Dämon sein, der dem Geiste seine Schreckbilder unablässig vorgaukelte. Zugleich entstand der unglückselige Wahn, wer irgend von der englischen Seuche ergriffen, dem Heifse Tode entrinnen wollte, der müfste vierundzwanzig Behandlung. Stunden unablässig schwitzen ). So brachte man nun die Kranken, war es der englische Schweifs oder nicht,

denn wer wäre bei Besinnung gewesen, dies zu unterscheiden auf der Stelle zu Bett,

1) „Darnach war von etlichen fürgeben, es müsste einer vierundzwanzig Stunde aneinander schwitzen, und in mittler weil kein lufft an sich gehen lassen, dieses bracht manchen menschen umb seinen hals." Chronik von Erfurt.

bedeckte sie mit Federbetten und Pelzen, und während der Ofen stark geheizt wurde, verschlofs man Thüren und Fenster mit grofser Sorgsamkeit, um jedes kühle Lüftchen abzuhalten. Damit nun auch der Leidende, war er etwa ungeduldig, seine heifse Last nicht abwerfen möchte, so legten sich noch einige Gesunde über ihn her, und beschwerten ihn so, dafs er kein Glied rühren kounte, und endlich in diesem Vorspiel der Hölle, in Angstschweifs gebadet, seinen Geist aufgab, wenn er vielleicht bei einiger Besonnenheit seiner allzu hülfreichen Verwandten ohne Mühe hätte erhalten werden können '). In Zwickau lebte ein Arzt wir wissen nicht mehr den Namen dieses der gegen diesen tödtlichen Wahn voll menschlichen Eifers auftrat. Er ging von Haus zu Haus, und wo er einen Kranken in heifse Betten vergraben fand, da rifs er diese mit eigener Hand binweg, verbot überall die Kranken mit Hitze zu martern, und rettete durch sein entschiedenes Wesen viele, die ohne ihn gleich anderen hätten ersticken müssen 2). Es geschah in dieser Zeit oft, dafs wenn in Kreisen von Freunden der Schweifssucht nur mit einem Worte gedacht wurde, einer und der andere, von peinlicher Angst ergriffen, so dafs das Blut ihm

Ehreniannes

1) Chronik von Erfurt, und gleichlautend bei Spangenberg, M. Chr. fol. 402. b., Pomarius, S. 617. und Schmidt, S. 305. Von den Niederlanden berichtet Gemma, L. I. c. 8. p. 189, nach den Erzählungen seines Vaters, der die Schweifssucht selbst überstanden hatte: Consuti (benäht) et violenter operti clamitabant misere, obtestabantur Deum atque hominum fidem, sese dimitterent, se suffocari iniectis molibus, sese vitam in summis angustiis exhalare, sed assistentes has querelas ex rabie proficisci, medicorum opinione persuasi, urgebant continue usque ad 24, horas.“ etc.

2) Schmidt, a. a. O.

Arzt in

Zwickau.

Furcht.

ins Stocken gerieth, still und seines Verderbens ge-
wifs, nach Hause schlich, dort sich legte, und nun
wirklich ein Raub des Todes wurde '). Diese tödt-
liche Furcht ist eine schwere Zugabe zur Geifsel
schnelltödtender Volksseuchen, und im eigentlichen
Sinne des Wortes eine hitzige Gemüthskrankheit, die
in ihren nächsten Wirkungen auf den Geist mit dem
Alpdrücken einige Aehnlichkeit darbietet.
Sie ver-

wirrt den Verstand, so dafs er unfähig wird, die äu-
fseren Dinge in ihrem wahren Verhältnifs zu beur-
theilen, sie macht die Mücke zum Ungeheuer, eine
ferne unwahrscheinliche Gefahr zu einem grausen Ge-
spenst, das sich in die Einbildungskraft fest einklam-
mert; alle Handlungen werden verkehrt, und bricht
etwa in diesem Zustande der Zerrüttung eine andere
Krankheit aus, so glaubt der Kranke dem gefürchte-
ten Todesübel verfallen zu sein, wie die Unglückli-
chen, die nach dem Bifs unschädlicher Thiere der ein-
gebildeten Wasserscheu zur Beute werden. So mö-
gen in dem angstvollen Herbste von 1529 gar viele
von eingebildeter Schweifssucht befallen worden sein,
und manche von ihnen in hoch aufgethürmten Betten
ihr Grab gefunden haben 2). Andere dieser Gemüths-
kranken, die das Glück hatten, von körperlichen Ue-
beln verschont zu bleiben, viele von ihnen rühm-
ten sich gewifs ihrer Standhaftigkeit - verfielen ohne
Zweifel durch den heftigen Sturm in ihren Nerven in
jahrelange Hypochondrie, welche sich unter Umstän-

1)

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,,Animos omnium terrore perculit, adeo ut multis metus et imaginatio morbum conciliarit." Erasm. Epist. L. XXVI. ep. 56. c. 1476. a. Spangenberg, a. a. O.

2),, Mancher schwitzt vor forcht, und meynt er hab den Engelischen schweys, wenn er darnach aufsgeschlaffen hat, so erkennet er aller erst seyn narheyt." Bayer v. Elbogen, Cap. 8.

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