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nicht freisprechen; seine historischen notizen sind grösstentheils aus dem lexicon von Piticus geschöpft und die von ihm auf eigene hand versuchten auflösungen der inschriftlichen abkürzungen verrathen eine auf diesem gebiete bedenkliche unsicherheit; nur wenige proben mögen hier zur rechtfertigung eine stelle finden: p. 23, nr. 11 wird die bekannte formel deo) i[nvicto) Mithrae) in: deo) I(ovi) Maximo) ergänzt: p. 24, n. 13 die schon von Henzen (III, p. 110) richtig gedeuteten siglen: vir perfectissimus) praeses) provinciae) N(orici) Mediterranei) von dem verfasser nach seines lehrers Eichhorn deutung erklärt als: v(olens) p(ropria) pecunia) ponendo), n(umine) monitus) t'utelari), ein latein, das selbst in den uncivilisirtesten gegenden des römischen reiches als barbarisch gegolten haben würde: p. 106, n. 264 wird aus einem conductor) ferrariarum) Noricarum) gemacht: Calpurniï) filius) n{ovavit) und ähnliche ungeheuerliche ergänzungen finden sich noch sehr oft in dem buche: wir möchten daher dem verfasser das studium des Henzen'schen index angelegentlichst empfehlen, um so mehr, als die anführungen des Henzen'schen ergänzungsbandes zu Orelli den eindruck machen, als ob derselbe dem verf. nicht aus eigener anschauung bekannt geworden sei. - Was die inschriften selbst betrifft, so geben dieselben manche interessante aufschlüsse über die kultur und die verwaltung der römischen provinz Noricum; sehr bemerkenswerth ist die grosse zahl einheimischer keltischer eigennamen, die natürlich am längsten der eindringenden romanisirung widerstanden haben. Freilich wird man nicht überall mit dem verfasser geneigt sein, keltische namen anzunehmen; Antistia, Fronto, Senecio, Sura u. a. in dem verzeichniss der keltischen namen zu finden, muss gerechte verwunderung erregen, und wenn in nr. 393 der name Chariton als ,,sicher keltisch" bezeichnet wird, so dürfte die vermuthung gerechtfertigt sein, dass der hr. oberlandesgerichtsrath getreu dem alten grundsatze seiner zunftgenossen: graeca non leguntur, die griechische sprache nicht in den kreis seiner studien gezogen hat.

Es ist zu bedauern, dass nicht sachgemäss angefertigte indices die zahlreichen, besonders orientalischen gottheiten, die römischen ober- und unterbeamten, die municipalen würden u. s. w. übersichtlich vorführen; der verf. hat sich mit einem ziemlich überflüssigen inhaltsverzeichniss der steindenkmale, einem Philol. Anz. III

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register der angeblich keltischen namen und einem verzeichniss der römischen krieger begnügt: ein blick auf irgend eine inschriftensammlung neuerer zeit hätten ihn lehren können, wie wirklich brauchbare indices anzufertigen seien.

Trotz dieser ausstellungen kann das unternehmen des verf.'s immerhin ein verdienstliches genannt werden und die von ihm angefertigten copieen werden voraussichtlich in dem fast abgeschlossenen dritten bande des C. I. L., der auch die inschriften von Noricum enthält, die verdiente berücksichtigung finden. Weit geringer ist selbstverständlich die ausbeute an sculpturen, von welchen der herausgeber eine auswahl hat abbilden lassen, leider in lithographieen, die einen stark municipalen character an sich tragen und über den stil kein urtheil gestatten : taf. 1 und 2 stellen bei Zolfeld (Virunum) ausgegrabene fragmente von relief - streifen dar, die ein Mithrasmonument einfassten. Den cult des Jupiter Dolichenus bezeugt ein interessantes relief aus Trixenthal: Jupiter gerüstet mit der axt auf einem stier, ihm gegenüber Juno auf einem reh (?) stehend. Die p. 191 wiederholte symbolische erklärung des taf. 13 (inschr. n. CCCCLXXIį veröffentlichten reliefs vom domkapitular Herrmann hätten wir gern vermisst. Man erkennt drei bestiarii im kampf gegen einen bären; merkwürdig ist ein daneben stehender altar mit der inschrift NEMESI AVG., in dessen flamme eine Diana libirt. Zu taf. 5, inschr. CXLIV (ausfahrt auf einem bedeckten reisewagen) ist eine ähnliche darstellung auf der Igler säule zu vergleichen. Das. zu nr. CXLIII stellt nicht Achill dar, wie er den an den wagen gebundenen Hector in das griechische lager schleift, sondern wie er das grab des Patroklos umfährt, welches offenbar durch jene rechts auf dem postament stehende bildsäule angedeutet wird. Tf. 12 zu inschr. CCCCXIX, wo rechts felsen angedeutet zu sein scheinen, ist eine darstellung des Perseus und der Andromeda nicht zu verkennen, die namentlich in den provinzen häufig ist. Dass mitunter stücke von wirklichem kunstwerth zum vorschein kommen, zeigen die auf fünf blättern photographirten statuen: ein Hermaphrodit, zwei nackte epheben mit chlamys, Eros mit der umgekehrten fackel, statue eines stehenden in einen mantel gehüllten kindes, büste eines römers von weissem marmor, oberer theil einer imperatorenstatue, letzterer auf einem cippus stehend, auf dem nach angabe des herausgebers vier thaten des Herakles

abgebildet sind. Das concetto ist nach der einen in der photographie sichtbaren seite zu urtheilen von dem gewöhnlichen durchaus abweichend; um so mehr ist es zu bedauern, dass der herausgeber sich nicht veranlasst gesehen hat, uns dieselben statt manches unbedeutenden stückes, was er aufgenommen hat, in abbildung mitzutheilen.

7. G. C. H. Raspe, der sogenannte schiffskatalog in der Ilias. Progr. d. domschule zu Güstrow. 1869. 4. 18 s.

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Die grundlage für die in dieser abhandlung gegebene kritik des schiffskatalogs bildet eine untersuchung über den zeitlichen nebenbei auch örtlichen standpunkt, auf den der dichter desselben sich gestellt habe. Das resultat derselben ist, dass er die zeit im sinne gehabt habe, wo die achaeischen heerführer mit ihren schiffen an der küste von Troja landeten. Danach ergeben sich dem verfasser zunächst die verse 685ff. 698 ff. 721 ff. als zusätze eines oder mehrerer dichter von sehr untergeordnetem range. Aus den hervorstechenden besonderheiten dieser zusätze werden dann wiederum andere nachgewiesen, dass schliesslich 105 verse von den 265 der Bowría als unecht sich ergeben, nämlich: 513-15, 525-26, 529, 535, 541-44, 549-51, 558, 625-30, 653-70, 671-75, 676-80, 686-94, 699-709, 711 -15, 716-28, 742-46, 748-55, 756-59. Ausserdem werden p. XII-XIV die besonderheiten resp. absonderlichkeiten des Troerkatalogs besprochen; den schluss machen bemerkungen über die einleitung zur Bouwtia v. 484-93, sowie über v. 781-85 und 459-64 und über den zusammenhang der ganzen partie.

Schon aus dieser kurzen übersicht ergiebt sich, dass in dieser abhandlung eine auch in andern zweigen der classischen philologie neuerdings vielfach versuchte methode befolgt worden, nämlich die der subjectiven beurtheilung: der schiffskatalog wird nach den ansichten eines gelehrten des neunzehnten jahrhunderts post Christum beurtheilt und gemassregelt. Es mag solches verfahren seine berechtigung haben, zumal wenn es, wie in unserm falle, von einem scharfsinnigen und gelehrten philologen ausgeht, auch dieser weg veranlassung werden, manches zu finden, was sonst vielleicht nicht ans tageslicht gekommen wäre: aber immer bleibt es ein ab- oder umweg, der den, der ihn

betritt, nur zu verirrungen führt. Denn gesetzt, man könnte dem vf. alle von ihm behaupteten athetesen und sonstige paradoxen zugeben, was wäre dann erreicht? Nichts als ein stück homerisches epos in einer form, welche im alterthum nie existirt hat! Woher nun aber solche irrwege? Nun dem epiker ziemt es in medias res gleich zu gehen, nicht aber dem umsichtigen grammatiker, da ein solcher vor allem andern für eine grundlage zu sorgen und also ab ovo anzufangen hat. An diesem mangel einer festen grundlage leiden alle neueren untersuchungen über diesen so ungemein wichtigen homerischen katalog, über welche man das schöne referat bei Bernhardy Gr. Lit. G. II, 1, p. 161 fig. nachsehen mag: jetzt auch Kammer, s. Phil. Anz. II, p. 132. 284: nämlich sie gehen ohne weiteres von den aus Ilias und Odyssee abstrahirten kunstformen aus und verlangen im katalog genau dieselbe darstellungsart. Das ist aber ein fehler. Können hier auch

nur andeutungen gegeben werden, so wird sich doch wohl meine ansicht klar machen lassen. Also gehört der schiffskatalog in die Ilias? Die alten haben ihn stets als einen nothwendigen bestandtheil desselben angesehen und daher muss auch für uns feststehen, dass er nur für die Ilias gedichtet worden. Und ferner lässt sich sein alter bestimmen? Gewiss; denn in den Kyprien war nach Proklos ein κατάλογος τῶν τοῖς Τρωσι συμμαχησάντων: daher hat schon Stasinos den schiffskatalog der Ilias gekannt und, weil er in seiner art vortrefflich, auch patriotisch war, mit ihm gewetteifert: er ist also nicht allein älter als der anfang der Olympiaden, sondern gehört zu den ältesten und eigenthümlichsten partien der Ilias. Daher verlangt er die vorsichtigste und umsichtigste prüfung und soll uns epigonen die gelingen, müssen wir suchen solch altes mit altem gleicher zeit und stoffes zu vergleichen. Aber dergleichen giebt es in unserm falle leider nicht der katalog steht einzig in seiner art da: auch in der alten poesie anderer völker wird man zu ihm keine parallele finden. Um so wichtiger wird die frage nach seiner entstehung: wo liegen die quellen? lieferte den stoff allein die mündliche sage oder lagen schriftliche und prosaische aufzeichnungen zu grunde? Da die möglichkeit derselben bei den Griechen nicht bezweifelt werden kann, sprechen für sie nicht die zahlen? Freilich sind sie zumeist nur ruude, da die 22, 9 u. s. w. auf nachweislich später zugesetzten stellen beruhen: aber

solche waren dem dichter nöthig, da noch die historiker sie gar gern den genauen zahlen vorziehen: also die zahlen könnten immer auf alte register drgl. führen. Oder gehören sie spätern redaktoren an? Aber woher dann die auctorität des katalogs wie seiner zahlen bei Thukydides und den alten, da solcher ursprung ihnen nicht verborgen bleiben konnte? Also wir müssen abgesehen von den wenigen aus sachlichen gründen einer spätern zeit zugewiesenen stellen den ganzen schiffskatalog als geraume zeit vor den ältesten kyklikern entstanden ansehen. Aber auch den der Troer? den selbst der vorsichtige Nitzsch (Beit. z. gesch. d. episch. poes. p. 565) für unecht hält, von dem nach andern Raspe so ungemein viel schlechtes zu erzählen weiss? Wie leicht lassen sich alle diese verdächti

gungen zurückweisen! Denn dass dieser katalog der Troer kürzer als der der Hellenen ist, ergiebt sich schon aus dem stoffe, dem z. b. die schiffe fehlen, ergiebt sich aus der geringen bekanntschaft der Griechen mit den in ihm zu erwähnenden völkern, ergiebt sich vor allem daraus, dass doch schon durch diesen katalog der endliche sieg der Griechen über die Troer vorbereitet sein musste. Da aber zur zeit des Stasinos und vor allem damals auf Kypros genauere nachrichten über jene völker existirten, so dichtete Stasinos einen umfassenderen katalog, um mit Homer wegen seines bessern stoffs erfolgreich wetteifern zu können: s. Welck. Ep. Kykl. II. p. 150: vrgl. p. 156 flg. Und ausserdem war für ihn zu einem katalog der Griechen ein grund überall nicht vorhanden; denn in den ersten büchern der Kyprien wird ja das zusammentreten der Griechen zum zuge gegen die heilige Ilios geschildert, so dass man aus ihnen den heereszug bis ins einzelnste kennen lernte; von den Troern war das nicht der fall, deshalb der katalog der Troer. Fasst man dies zusammen, so kann der katalog der Ilias seiner jetzigen fassung nach nur als das im ganzen eigenthümliche, aus mehrfachen umbildungen hervorgegangene werk eines homerischen aöden angesehen werden. Auf diese masse nunwendet, wie gesagt, Raspe ohne weiteres die von ihm erkannten gesetze der homerischen kunst an. Aber das geht nicht, weil diese masse eine so ganz eigenthümliche dem inhalt nach ist, inhalt und form aber bei den alten immer in wechselbeziehung stehen, so dass hier eine eigenartige, von den übrigen partien des gedichtes verschiedene masse

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