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gesagt hatte, wandte er sich speciell an den österreichischen Gesandten Baron Hübner mit der Bemerkung: „Ich bedaure, daß unsere Beziehungen nicht so gut sind, als ich sie zu sehen wünsche; ich ersuche Sie jedoch, Ihrem Souverän zu sagen, daß meine persönlichen Gefühle für ihn stets die nämlichen sind.“ Der Gesandte säumte natürlich nicht, diese bedeutungsvolle Aeußerung sofort nach Wien zu berichten. Es war Nichts vorgefallen, wodurch sich der französische Kaiser von Seiten Desterreichs hätte verlegt fühlen können: man konnte also in dieser Aeußerung nur die Bestätigung der in den Zeitungen schon seit längerer Zeit ausgesprochenen Vermuthung finden, daß zwischen Frankreich und Sardinien eine geheime Allianz gegen Oesterreich bestehe, die näch stens zum Kriege schreiten werde. Die österreichische Regierung schickte daher ungesäumt, noch im Laufe des Monats Januar, ansehnliche Truppen= verstärkungen nach der Lombardei. Nachdem am 30. Januar 1859 die Vermählung zwischen dem Prinzen Hieronymus Napoleon und der sardinischen Prinzessin Clotilde vollzogen war, bemerkte der französische Kaiser in der Rede, womit er die Versammlung des geseß= gebenden Körpers (am 7. Febr. 1859) eröffnete: er sei zwar noch immer ein Mann des Friedens, armseliger Ehrgeiz werde nie seine Handlungen leiten; da aber die gleichen Interessen Frankreich und Sardinien durch eine Heirath verbunden hätten, er sich auch stark fühle durch seine Allianz mit England und die freundlichen Beziehun gen zu Rußland und Preußen, so werde er die Differenzen zwischen Sardinien und Oesterreich in einer Weise schlichten, daß er da= durch der Civilisation Geltung verschaffe. Das war noch deutlicher gesprochen. Da der Kaiser zugleich im Laufe des Februar große Massen von Kriegsmaterial nach den Häfen von Marseille und Toulon sandte, so war es außer Zweifel, daß er den Krieg gegen Oesterreich ernstlich beabsichtigte und auch schon in den nächsten Wochen zu beginnen gedachte. Die Diplomatie machte noch einige Versuche, den Frieden aufrecht zu erhalten, aber sie waren wohl nicht sehr aufrichtig gemeint ; denn die vermittelnden Kabinete standen schon von vorneherein auf französischer Seite. Der englische Gesandte in Paris, Lord Cowley, fand sich, im Einverständniß mit dem Kaiser Napoleon, in den ersten Tagen des März 1859 in Wien ein, um das österreichische Kabinet zu Concessionen an Italien zu vermögen. Letteres erklärte sich zu Verhandlungen über diesen Gegenstand bereit, verlangte aber vorherige Einstellung der Rüstungen, wozu sich Sardinien und Frankreich nicht verstanden. Darauf schlug (Mitte März 1859) Rußland vor, die italienische Angelegenheit auf einem Congreß zu schlichten; Oesterreich jedoch, das bei der Stimmung der Mächte von einem Congreß kein günstiges Resultat für sich erwarten konnte, stellte die Bedingung, daß

sein Besitzstand in Italien keinen Gegenstand der Verhandlungen bilde und Sardinien von der Theilnahme an dem Congreß ausgeschlossen sei. Diese Bedingung wurde von Frankreich nicht zugestanden. Zuleßt (Mitte April 1859) machte noch Preußen den Vorschlag zu einem Congresse in der modificirten Weise, daß beide Theile zuvor entwaffnen sollten und sämmtliche italienische Staaten an den Verhandlungen theilnehmen dürften. Frankreich wäre bereit gewesen, auf diesen Vorschlag einzugehen; allein Desterreich, das bereits gerüstet dastand und schon große Summen auf seine Kriegsbereitschaft verwandt hatte, schlug auch diesen Vermittlungsweg aus, da es lieber eine Entscheidung durch die Waffen suchen, als sein Schicksal einem Congresse anvertrauen wollte, wo es voraussichtlich ganz vereinzelt stand und alle Stimmen gegen sich hatte.

Das österreichische Kabinet hatte für sein auf den Kriegsfuß gebrachtes Heer täglich eine Million Gulden auszugeben. In diesem die ohnehin gedrückten Finanzen des Kaiserreichs so sehr belastenden Umstande lag für die österreichische Regierung eine dringende Aufforderung, die Differenzen mit Sardinien durch unnüße Verhandlungen nicht weiter in die Länge zu ziehen, sondern auf Entscheidung zu dringen. 23. April 1859 brachte ein Adjutant des zum Commandanten der österreichischen Armee ernannten Grafen Gyulai ein österreichisches Ultimatum nach Turin, das sofortige Herabsehung des sardinischen Heeres auf den Friedensfuß und die Entlassung der vielen Freiwilligen verlangte, welche aus ganz Italien dem sardinischen Heere zugeströmt wa ren. Der Adjutant hatte den Auftrag, drei Tage zu warten; die Verweigerung der Forderung sollte für eine Kriegserklärung gelten. Das sardinische Kabinet verschob die Ertheilung seiner Antwort bis zum Ablauf des dritten Tages, damit die französischen Truppen inzwischen näher herbeikommen könnten. Es war ein französisches Heer unter den Generalen Canrobert und Niel auf dem Landwege in Anmarsch, das am 25. April die piemontesische Grenze bei Culoz überschritt, und ein zweites Truppencorps kam zu Schiffe von Toulon her unter dem General Baraguay d'Hilliers und landete am 26. April in Genua. Dem lezteren folgten später auf dem Seeweg noch eine weitere Abtheilung französischer Truppen unter Mac-Mahon und Napoleon selbst mit den Garden. Der deutsche Bund hatte am 24. April 1859 den Beschluß gefaßt, sein Heer auf den Kriegsfuß zu sehen; England aber, das am 25. April seine Neutralität erklärte, that dem Bundestag zu wissen, daß es den deutschen Schiffen, falls sich der Bund zu Gunsten Desterreichs an dem Krieg betheilige, gegen die französischen Kriegsschiffe keinen Schuß gewähren werde, und Rußland erklärte in einem Nundschreiben an die russischen Gesandten, der deutsche Bund sei defensiver Natur; wollte er diese Eigenschaft nicht mehr anerkennen

und sich in dem bevorstehenden Kriege mit Desterreich verbinden, so würde das russische Kabinet dies nicht gleichgültig ansehen.

Der Adjutant des österreichischen Commandirenden erhielt am 26. April 1859 in Turin eine ablehnende Antwort, und damit war der Krieg erklärt. Kaiser Franz Joseph erließ hierauf am 28. April ein Manifest an seine Völker, worin er sagte, nur mit schwerem Herzen und nothgedrungen greife er zu den Waffen, um sein gutes Recht zu vertheidigen. Er habe Sardinien, das er in zwei Feldzügen besiegt, immer großmüthig behandelt, und müsse nun ein drittes Mal zu den Waffen greifen; doch hoffe er, daß Oesterreich in diesem Kampfe nicht allein stehe; die Sache Oesterreichs sei auch die deutsche. Letztere Ansicht war aber freilich in Deutschland bei weitem nicht die vorherrschende; fast die gesammte deutsche Presse, indem sie der Volksstimmung Ausdruck gab, nahm Partei für die Italiener, denen man allgemein Befreiung von der clerikalen österreichischen Herrschaft, liberale Institutionen und nationale Selbständigkeit wünschte. Desterreich hatte sich durch das im Jahr 1855 mit der päbstlichen Curie abge: schlossene Concordat in Europa keine Freunde gemacht; namentlich aber fand sich das protestantische Deutschland durch die in diesem Concordat der clerikalen Partei neuerdings zuerkannten „Prärogative“ cmpfindlich verlegt, die von dem Clerus sogar dahin ausgebeutet wurden, daß die protestantischen Leichen fortan nur in einem abgegränzten Winkel der katholischen Kirchhöfe, zu dem eine besondere kleine Pforte durch die Mauer gebrochen werden mußte, beerdigt werden durften; Sardinien dagegen hatte den Protestanten bereits völlig gleiche Rechte mit den Katholiken eingeräumt und überhaupt, den Bestrebungen des Ultramontanismus gegenüber, mit großer Entschiedenheit die Bahn eines ge= sunden Fortschrittes betreten. In Italien rief die sardinische Kriegserklärung die größte Begeisterung hervor. Mit der französischen Hülfe waren die Italiener des Sieges über Oesterreich gewiß. Schon am 28. April 1859, noch bevor eine Schlacht geschlagen war, sah sich der Großherzog Leopold von Toscana abermals genöthigt, sein Land zu verlassen. Bürger, Militär und selbst sein Ministerium verlangten, daß er sich entweder an Sardinien anschließe oder abdanke. Er begab sich von Florenz nach Bologna, von da später nach Wien. Auch die Bewohner des Herzogthums Parma drangen auf den Anschluß an Sardinien und vertrieben die Herzogin-Wittwe, die für ihren unmündigen Sohn Robert die Regierung führte; österreichische Truppen stellten zwar für einige Zeit die alte Ordnung wieder her und führten die Regentin zurück; aber schon nach zwei Monaten (am 7. Juni) mußte sie das Land wiederum und jezt für immer verlassen. Bei dem französi schen Volke fand die Unternehmung des Kaisers zu Gunsten Italiens

die allgemeinste Billigung. Der gesekgebende Körper genehmigte einstimmig (mit 247 Stimmen) das für die Kriegsführung verlangte Anlehen von 500 Millionen Franken, und das Kapital war auch durch eine Nationalsubscription schnell aufgebracht. Noch lebendiger beinahe als in Frankreich war die Theilnahme für Italien in England. Desterreich hatte in der That in Europa keinen andern Alliirten als die ultramontane Partei!

Am 29. April 1859 überschritt die österreichische Armee die piemontesische Grenze. Sie war 180,000 Mann stark; in ihrem Rücken standen noch weitere 80,000 Mann in Reserve. Die Sardinier hatten nur 70 bis 80,000 Mann aufzubringen vermocht, waren also für sich allein den Oesterreichern unter keinen Umständen gewachsen. Es schien natürlich, daß der österreichische Commandirende Graf Gyulai sich jezt sofort mit seiner Uebermacht auf die Sardinier geworfen, diese geschlagen hätte, und nach der Hauptstadt Turin vorgedrungen wäre, ehe die Franzosen auf dem Kriegsschauplah anlangen konnten; die weitere Aufgabe wäre sodann gewesen, die beiden französischen Armeecorps, die in weiter Entfernung von einander, das eine von Genua, das andere von der französisch-piemontesischen Grenze her anrückten, vor ihrer Vereinigung einzeln anzugreifen. Statt dessen blieb Gyulai mit seinem Heere in der fruchtbaren Provinz Lomelina ruhig stehen und wartete, bis die beiden französischen Heere, die zusammen ungefähr 150,000 Mann stark waren, unter sich und mit den Sardiniern ihre Verbindung her: gestellt hatten. Napoleon hatte durch seinen Gesandten in Wien schon am 26. April 1859 dem österreichischen Kabinet eröffnen lassen, daß er das Einrücken der Desterreicher in Piemont als Kriegserklärung betrachten werde; am 2. Mai rief er den Gesandten ab und am 4. Mai erfolgte ein Kriegsmanifest, worin er sagte: „Desterreich erklärt uns den Krieg, indem es seine Armee in das Gebiet unseres Alliirten, des Königs von Sardinien, hat einrücken lassen. Bisher ist Mäßigung die Regel meiner Handlungsweise gewesen; jetzt wird Energie meine erste Pflicht. Ich gestehe laut die Sympathien für ein Volk, dessen Geschichte mit der unsrigen verschmolzen ist und das unter fremder Unterdrückung seufzt. Der Zweck dieses Krieges ist, Italien sich selbst zu ge= ben, nicht blos, dasselbe den Herrn wechseln zu lassen. Desterreich hat die Dinge auf eine Epiße getrieben, die es nothwendig macht, daß es fortan nur bis an die Alpen herrsche und daß Italien bis zum adriatischen Meere frei sei." Am 12. Mai 1859 traf der Kaiser in Genua ein, nachdem er die Regentschaft über Frankreich seiner Gemahlin Eugenie übergeben hatte; für die Armee, die an der deutschen Grenze aufgestellt worden, hatte er den Marschall Pelissier, den er zu diesem Zwecke von seinem Gesandtschaftsposten in London abberufen, zum

Oberbefehlshaber ernannt. Er selbst übernahm das Obercommando über die gesammte französisch-sardinische Armee in Italien; am 12. Mai erließ er einen Tagsbefehl, worin er die Hoffnung aussprach, die Franzosen würden diesmal eben so glücklich in Italien fechten, als unter Napoleon I., und den Truppen vornehmlich den Vayonnetangriff empfahl. Ein drittes französisches Corps unter dem Prinzen Hieronymus Napoleon (Schwiegersohn Victor Emanuels), dem der Kaiser bei der neuen Ordnung der Dinge das Großherzogthum Toscana zugedacht hatte, landete am 23. Mai in Livorno; dasselbe blieb aber für die Entscheidung des Krieges ohne alle Bedeutung.

Im österreichischen Lager war man über die Stellung der feindlichen Armeen völlig im Unklaren. Um sichere Nachrichten zu erlangen, schickte Graf Gyulai den General Stadion mit 12,000 Mann auf eine große Recognoscirung aus. Dieser traf bei Montebello auf die französischen Vorposten unter General Forey; es entspann sich hier (am 20. Mai 1859) der erste Kampf; die Oesterreicher schlugen sich tapfer; da sie aber glaubten, die ganze französische Armee vor sich zu haben und sich bedeutend in der Minderzahl zu befinden, zogen sie sich zurück und brachten ihrem Oberfeldherrn die irrthümliche Nachricht, daß bei Montebello die französische Hauptmacht stehe. Wenige Tage" darauf (26. Mai) schlug der Freischaaren-General Garibaldi, der mit den Alpenjägern an den Lago maggiore vorgedrungen war, die österreichischen Vorposten bei Varese, nahm am 27. Mai von Como Besitz, und richtete seinen Marsch auf Mailand, welches auch der Zielpunkt der französischen Armee war, zog sich jedoch, als ihm von dort der österreichische General Urban mit einem überlegenen Corps ent gegenrückte, wieder an den Lago maggiore zurück. Napoleon war mit seiner Hauptarmee schon in der Nähe der sardinischen Festung Alessandria angelangt, wo er sein Hauptquartier aufgeschlagen; am 30. Mai verlegte er das Hauptquartier weiter nördlich nach Vercelli, in der Absicht das Manöver Napoleons I. bei Ulm und Jena nach zuahmen und die Oesterreicher zu umgehen. Es kam zwischen seinen Vorposten unter Canrobert und den österreichischen unter Zobel zu einem hißigen Gefecht an der Sesiabrücke bei Palestro (31. Mai 1859), welches sich abermals ungünstig für die österreichischen Waffen entschied. Graf Gyulai, um der Gefahr auszuweichen, von den Franzosen umgangen zu werden, befahl jezt den Rückzug der gesammten österreichischen Armee auf das linke Ufer des Ticino bei Pavia. Am 4. Juni 1859 fam es zu einer Schlacht bei Magenta. Beide Armeen, die französisch-sardinische sowohl als die österreichische, standen sich in ziemlich gleicher Stärke gegenüber, jede zählte ungefähr 70,000 Mann. Auf Seite der ersteren commandirte Napoleon selbst, unter ihm die

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