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Art. 75. Für diejenigen in Art. 74') bezeichneten Unternehmungen gegen den norddeutschen Bund, welche, wenn gegen einen der einzelnen Bundesstaaten gerichtet, als Hochverrath oder Landesverrath zu qualificiren wären, ist das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht der drei freien und Hansestädte in Lübeck die zuständige Spruchbehörde in erster und letzter Instanz ').

Die näheren Bestimmungen über die Zuständigkeit und das Verfahren des Ober-Appellationsgerichts erfolgen im Wege der Bundesgesetzgebung. Bis zum Erlasse eines Bundesgesetzes bewendet es bei der seitherigen Zuständigkeit der Gerichte in den einzelnen Bundesstaaten und den auf das Verfahren dieser Gerichte sich beziehenden Bestimmungen ').

Art. 76. Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten, sofern dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den competenten Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf Anrufen des einen Theils von dem Bundesrathe erledigt.

Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren Verfassung nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitigkeiten bestimmt ist, hat auf Anrufen eines Theiles der Bundesrath gütlich auszugleichen oder, wenn das nicht gelingt, im Wege der Bundesgesetzgebung zur Erledigung zu bringen*). Art. 77. Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justiz-Verweigerung eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende Hülfe nicht erlangt werden kann, so liegt dem Bundesrathe ob, erwiesene, nach der Verfassung und den bestehenden Gesetzen des betreffenden Bundesstaates zu beurtheilende Beschwerden über verweigerte oder gehemmte Rechtspflege anzunehmen, und darauf die gerichtliche Hülfe bei der Bundesregierung, die zu der Beschwerde Anlass gegeben hat, zu bewirken').

XIV. Allgemeine Bestimmung').

Art. 78. Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der Gesetzgebung, jedoch ist zu denselben im Bundesrathe eine Mehrheit von zwei Dritteln der vertretenen Stimmen erforderlich').

1) Im Entwurf allegirt als Art. 68, in der Vorberathung als Art. 73, in der Schlussberathung: wie oben.

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*) Das folgende zweite Alinea von Art. 75 fehlte im Entwurf. In der Vorberathung: wie oben.

3) Im Entwurf: Art. 69. In der Vorberathung: Art. 74.

In der Schlussberathung: wie oben.

4) Im Entwurf: Art. 70. In der Vorberathung: Art. 75.

In der Schlussberathung: wie oben.

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5) Fehlte im Entwurf. In der Vorberathung: wie oben, doch als Art. 76. In der Schlussberathung: wie oben. 6) Der ganze Abschnitt fehlte im Entwurf.

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berathung: wie oben.

In der Vor

7) In der Vorberathung: Art. 77. In der Schlussberathung:

wie oben.

XV). Verhältniss zu den süddeutschen Staaten.

Art. 79. Die Beziehungen des Bundes zu den süddeutschen Staaten werden sofort nach Feststellung der Verfassung des norddeutschen Bundes durch besondere dem Reichstage zur Genehmigung vorzulegende Verträge geregelt werden 2).

Der Eintritt der süddeutschen Staaten oder eines derselben in den Bund erfolgt auf den Vorschlag des Bundes-Präsidium im Wege der Bundesgesetzgebung 3).

1) Im Entwurf: „XIV.“

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In der Vorberathung: wie oben.

Das folgende zweite Alinea in Art. 79 fehlte im Entwurf.

In der Vorberathung: wie oben.

3) Im Entwurf: Art. 71. In der Vorberathung: Art. 78.

In der Schlussberathung: wie oben.

Die Verfassung des norddeutschen Bundes wurde, nachdem dieselbe am 24. Juni in zweiter Lesung von dem preussischen Herrenhause unverändert angenommen worden war, am 25. Juni 1867 durch im Wesentlichen gleichlautende Erlasse sämmtlicher Bundesregierungen mit der Bestimmung publicirt, dass sie mit dem 1. Juli in Kraft trete.

XXXII.

Verhältnisse

zwischen Preußen (dem norddeutschen Bunde) und den füddeutschen Staaten.

Der deutsche Bund hatte in Folge der Schlacht bei Königgräß seine definitive Auflösung gefunden. Die nikolsburger Friedenspräliminarien bestimmten das neue Band, welches, mit Ausschluß Deutsch-Oesterreichs, Deutschland für die Zukunft vereinigen sollte, wie folgt: „Artikel 2. Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich erkennt die Auflösung des bisherigen deutschen Bundes an und gibt seine Zustimmung zu einer neuen Gestaltung Deutschlands ohne Betheiligung des österreichischen Kaiserstaates. Ebenso verspricht Seine Majestät, das engere Bundesverhältniß anzuerkennen, welches Se. Majestät der König von Preußen nördlich von der Linie des Mains begründen wird, und erklärt sich damit einverstanden, daß die südlich von dieser Linie gele genen deutschen Staaten in einen Verein zusammentreten, dessen nationale Verbindung mit dem norddeutschen Bunde der näheren Verständigung zwischen beiden vorbehalten bleibt". Die nikolsburger Präliminarien wurden am 26. Juli 1866 abgeschlossen, und Preußen machte es den deutschen Südstaaten, mit denen der Friede kurz darauf gleichfalls zu Stande kam (mit Württemberg am 13. August, mit Baden am 17. August, mit Bayern am 22. August) in den Friedensverträgen zur Bedingung, daß sie diese Präliminarien, soweit sie die Neugestaltung Deutschlands beträfen, als verbindlich anerkenneten. Der definitive Friede zwischen Preußen und Oesterreich zu Prag erfolgte erst nach Abschluß der preußischen Friedensverträge mit den füddeutschen Staaten, nämlich am 23. August 1866. Auf Betrich des französischen Kabinets, welches eine enge Vereinigung des deutschen Südens mit dem deutschen Norden verhindern wollte, erhielt der Deutschland betreffende Artikel im definitiven Vertrag den Zusaß, daß der süddeutsche Verein ‚eine unabhängige internationale Existenz haben werde". Es verdient Beachtung, daß die süddeutschen Staaten, da sie sich nur für die Präliminarien verpflichteten, nicht aber für

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den definitiven Frieden, zur

Aufrechthaltung dieser nachträglichen Clausel keine Verbindlichkeit haben *). Sind sie, wie in Wahrheit, souverän, und haben sie jezt, nach Auflösung des deutschen Bundes, wie es Frankreich will, eine völlig unabhängige internationale Existenz, nun, so hat ihnen ja weder das Inland noch das Ausland Etwas einzureden, und sie können eben vermöge ihrer unabhängigen internationalen Existenz jeden Augenblick dieses aufgedrungene französische Geschenk zurückweisen, das heißt, zu Gunsten der Einigung Deutschlands auf Souveränetätsrechte verzichten, so weit sie wollen, und mit Preußen dieselbe nahe Verbindung eingehen, wie die deutschen Nordstaaten.

Als wir Dieses schrieben (Anfang Oktober 1867) war das Verhältniß, welches die Südstaaten zum norddeutschen Bund einnehmen sollten, noch völlig unentschieden. Auf keiner Seite zeigte sich ein besonderer Eifer, die Frage zur Erledigung zu bringen. Preußen auf der einen Seite hielt es für angemessen zu temporisiren, um einem Kriege mit Frankreich auszuweichen; es erwartete die Initiative zu einem Anschluß an Norddeutschland von den Südstaaten, mit denen es bereits in seinen Friedensverträgen für den Fall eines Krieges mit Frankreich ein Schuß- und Truzbündniß abgeschlossen hatte. Die Südstaaten selbst aber hatten sich allerdings verbindlich gemacht, in einen Südbund zusammenzutreten; allein es war ihnen mit diesem Bunde kein rechter Ernst; Baden und Württemberg zeigten wenig Neigung, ein Verhältniß einzugehen, in welchem Bayern vermöge seiner Größe ein bedeutendes Uebergewicht behauptet hätte; es schien, daß sie sich lieber sofort dem norddeutschen Bunde anschließen wollten, als sich einer doppelten Abhängigkeit, zunächst von Bayern, sodann von Preußen unterwerfen. Die Zusammenkunft des Kaisers Napoleon mit dem Kaiser von Oesterreich in Salzburg (18. August 1867), die augenscheinlich von französischer Seite auch in der Absicht unternommen war, den deutschen Südbund zum Leben zu verhelfen und denselben unter österreichische Führung zu bringen oder wenigstens in einer gewissen Entfernung von Preußen zu halten, konnte für eine endliche Entscheidung der Frage natürlich nicht günstig wirken. Das bayerische Kabinet schien sich jetzt wieder mehr von Preußen zu entfernen und eine von Preußen und Desterreich völlig unabhängige Politik befolgen zu wollen; das neue Programm der halbofficiellen bayerischen Zeitung, der süddeutschen Presse," welche vom 1. Oktober 1867 an er schien, vindicirte für Bayern die politische Stellung einer dritten deutschen

"

*) Auch Hessen-Darmstadt, obgleich sein Friede mit Preußen erst nach dem prager Frieden, nämlich am 3. Sept. 1866, unterzeichnet worden ist, wurde in den Friedensbedingungen (Artikel 13) nur auf die nikolsburger Präliminarien verpflichtet.

Großmacht, welche die Aufgabe habe, direct in die europäischen Verhältnisse einzugreifen, insbesondere sich zwischen Preußen und Oesterreich zu stellen und einen neuen Zusammenstoß dieser Mächte zu verhindern. Bei der Eröffnung der bayerischen Ständeversammlung am 8. Okt. 1867 desavouirte zwar der bayerische Minister des Aeußeren, Fürst HohenLohe, dieses Programm in gewisser Beziehung, indem er erklärte, wir wollen keine Großmachtspolitik, suchen auch keine Vermittlerrolle, wir verzichten auch auf einen südwestdeutschen Bundesstaat, der für sich abgeschlossen wäre; wir wollen vielmehr die nationale Verbindung der süddeutschen Staaten mit dem norddeutschen Bunde in der Form eines Staaten bundes: allein auch dieses Programm, von dem man nicht wußte, ob es die übrigen süddeutschen Staaten anerkennen würden, brachte die Sache vorläufig nicht weiter und gab nur so viel mit Bestimmtheit zu erkennen, daß die süddeutschen Regierungen bereits selbst auf die Gründung eines Südbundes verzichtet hatten.

Inzwischen hatten die süddeutschen Kabinete immerhin einige vorläufige Punctationen aufgesezt, sowohl unter einander selbst, als mit der preußischen Regierung, welche auf einen näheren Anschluß an Norddeutschland abzielten. Ein Schuß- und Truzbündniß der Südstaaten mit Preußen, freilich auf keine bestimmte Zeitdauer abgeschlossen und jeden Augenblick kündbar, bestand schon seit dem Monat August 1866. Die Einleitung zu einer Verbindung unter einander hatten die Minister der Südstaaten auf einer Conferenz in Stuttgart (3. Febr. 1867) getroffen, wo man über eine gemeinsame Wehrverfassung berieth; aber es kam nicht einmal in Bezug auf diesen Punct zu einer bleibenden Einigung, da Baden und Württemberg das preußische Exercitium und Zündnadelgewehr annahmen, Bayern aber in dieser Beziehung ́seinen eigenen Weg ging. Am dringendsten und von den Einwohnern der Südstaaten laut gefordert war die Aufrechthaltung des Zollvereins mit Preußen. Nach verschiedenen Verhandlungen kam am 9. Juli 1867 die Gründung eines gemeinsamen Zollparlaments zwischen Süddeutschland und dem norddeutschen Bund zu Stande. Wir lassen nun hier die betreffenden Actenstücke folgen, nämlich: 1) das den Friedensschlüssen angefügte Schuß- und Truzbündniß Preußens mit Württemberg, Baden und Bayern, 2) die Beschlüsse der stuttgarter Ministerconferenz der Südstaaten über eine gemeinsame Wehrverfassung, 3) die Militärconvention zwischen Preußen und dem Großherzogthum Hessen, 4) das Schuß- und Trußbündniß zwischen Preußen und dem GroßHerzogthum Hessen, 5) den Präliminarvertrag und den definitiven Vertrag zwischen den füddeutschen Staaten und dem norddeutschen Bunde über die Fortdauer des Zollvereines und die Gründung eines Zollparlaments.

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