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poli auf dem europäischen Ufer der Dardanellen. Die Franzosen wurden von dem Marschall Arnaud, die Engländer von General Raglan befehligt. Es bestand noch kein bestimmter Angriffsplan gegen Rußland; man hatte anfangs vor, die Russen in den Donaufürstenthümern anzugreifen; da lettere aber von ihnen geräumt wurden und bereits die Desterreicher den Schuß dieses Gebietes übernommen hatten, so mußten für die westmächtlichen Truppen andere Zielpunkte gesucht werden. Zunächst beschloß man, die Armee von Gallipoli nach Varna am Schwarzen Meere überzuschaffen; dort sollte der Feldzugsplan festgesetzt werden. Es währte die beiden Monate Juli und August hindurch, bis man sich in Varna zu einem Angriff auf Sebastopol einigte, einer sehr starken russischen Festung am Südende der Halbinsel Krim im Schwarzen Meere, durch deren Zerstörung man zugleich einen Hauptschlag gegen die russische Flotte im Schwarzen Meer führte. Inzwischen lagen die westmächtlichen Truppen diese zwei Monate hindurch in Varna völlig unthätig und büßten schon jezt, noch ehe die Leiden des Krieges begonnen hatten, durch Typhus und Cholera 2000 Mann ein. Vom 2. bis 4. September wurden die Truppen endlich in Varna eingeschifft und jetzt benachrichtigt, daß die Eroberung Sebasto= pols beabsichtigt sei; am 14. September 1854 landeten sie bei Eupatoria in der Krim, ohne daß die Russen ihrer Ausschiffung einen Widerstand entgegenseßten. Die Armee bestand damals aus 28,000 Franzosen, 26,000 Engländern und 8000 Türken, im Ganzen aus 62,000 Mann.

So waren also jezt die Russen von einer Eroberung der Türkei so weit entfernt, daß sie den Krieg vielmehr in ihrem eigenen Lande sahen. Die Walachei und Moldau hatten sie im Laufe des Monats September vollständig geräumt und die Besetzung dieser Fürstenthümer den Oesterreichern unter Heß überlassen, um das österreichische Kabinet zufrieden zu stellen. Ihr beabsichtigter Angriffskrieg war jet in einen Vertheidigungskrieg übergegangen. Diesen Vertheidigungskrieg führten sie aber mit großer Hartnäckigkeit; die Alliirten, welche mit der Stärke der Festung Sebastopol nicht bekannt waren, glaubten diesen Platz durch einen schnellen Sturm oder wenigstens nach kurzer Belagerung nehmen zu können; allein in dieser Erwartung täuschten sie sich; fie mußten ein volles Jahr vor der Stadt liegen, bis sie dieselbe in ihre Gewalt bekommen konnten. Der erste Zusammenstoß geschah am 20. September 1854 an dem Flüßchen Alma in der Nähe von Sebastopol. Der russische Obergeneral und Gouverneur der Krim, Fürst Mentschikoff, war mit 33,000 Mann und 65 Kanonen aus Sebastopol gerückt und hatte jenseit des Flüßchens auf einer steilen Höhe eine feste Stellung genommen, wurde aber hier von den verei nigten Franzosen und Engländern unter dem Commando des Marschalls

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Arnaud geworfen und in's Gebirge zurückgedrängt. Arnaud, der schon von der Cholera ergriffen war, commandirte noch in dieser Schlacht, übergab aber nach derselben das Commando dem General Canrobert und starb am 29. September. Die Alliirten fingen nun an, in der Entfernung dreier Stunden von Sebastopol ein festes Lager zu schlagen, die Franzosen in der Bucht von Kamiesch, die Engländer und Türken in der Bucht von Balaclawa. Am 10. October 1854 eröffneten sie die Laufgräben, um die Festung von der Südseite einzuschließen, am 17. Oktober begannen sie das Bombardement. Tie Nordseite der Festung blieb offen, ein Umstand, der es den Belagerten möglich machte, aus Rußland sowohl immer neue Streitkräfte als alle sonstigen Bedürfnisse an sich zu ziehen, und die Einnahme der Stadt natürlicher Weise außerordentlich erschwerte. Die Russen machten verschiedene Versuche, die Alliirten aus ihrem befestigten Lager zu vertreiben, die aber alle unglücklich abliefen. Am 25. Oct. 1854 griffen sie das Lager der Türken bei Balaclawa an; die Türken wichen, Engländer und Franzosen kamen ihnen zu Hülfe und trieben die Russen zurück; lettere erneuerten am 26. October den Angriff, wurden jedoch abermals zurückgeworfen. Am 5. November 1854 kam es zu einer größeren Schlacht. Die Russen hatten 30,000 Mann Verstärkung erhalten und beschlossen, da die Großfürsten Michael und Nikolaus in Sebastopol angekommen waren, diesen zu Ehren am 5. November einen Sturm auf die englischen Linien bei den Ruinen von Inkerman auszuführen. Der russische General Dannenberg überfiel bei finsterer Nacht Morgens fünf Uhr mit 51,000 Mann die Engländer, welche auf einen Angriff völlig unvorbereitet waren, der englische General Cathcart hatte für den Augenblick nur 8000 Mann in Bereitschaft; um 7 Uhr kamen ihm 3000 Franzosen zu Hülfe. Die Russen erstürmten die englischen Linien dreimal, wurden aber dreimal wieder zurückgeworfen. Nachmittags erschien die französische Brigade Monet auf dem Kampfplatz und entschied den Sieg zu Gunsten der Alliirten. Die Russen zogen sich mit einem Verlust von 8000 Mann unter den Schuß der Festungswerke von Sebastopol zurück; die Alliirten hatten 3000 Tødte und Verwundete.

Der Eintritt der rauhen Jahreszeit verhinderte jede weitere größere Action. Beide Parteien hatten von dem Winterwetter außerordentlich zu leiden, am meisten die Alliirten, die auf keinen Winterfeldzug vorbereitet waren und unter hölzernen Baraken campiren mußten. Es fehlte ihnen an allem Nothwendigen; nicht einmal Holz war in der Nähe und in hinreichender Quantität zu erlangen. Der unaufhörliche mit Schnee vermischte Regen hatte die ganze Gegend in tiefen Koth aufgeweicht; die Soldaten mußten Tage und Nächte in durchnäßten

Kleidern hinbringen; es faulten ihnen die Kleidungsstücke vom Leibe ; viele hatten keine Schuhe mehr und mußten barfuß den Dienst versehen. Taher richteten Typhus, Ekorbut und Cholera große Ver= heerungen an; es trat eine ganz neue Krankheit auf, in Folge der be= ständigen Nässe und Kälte fingen Vielen Hände und Füße an zu faulen, der Brand kam dazu und die so Erkrankten waren unrettbar verloren. Zwar wurden aus Europa Winterkleider und Lebensmittel in großen Quantitäten nachgeschafft, aber es währte lange, bis diese Transporte ankamen, und als die Vorräthe da waren, verzögerten wieder (so be= sonders bei den Engländern) verschiedene pedantische Bestimmungen die Vertheilung; die Soldaten hungerten und froren, während große Massen von Lebensmitteln und wollenen Decken auf den Schiffen im Hafen. lagen. Die Nussen befanden sich zwar in Sebastopol in ordentlichen Häusern; allein die nothwendige Bewachung der Festungswerke seßte auch sie beständig dem Winterwetter aus, was, in Verbindung mit dem gedrängten Zusammenwohnen in der Stadt, gleichfalls Typhus und Cholera zur Folge hatte. Die Verstärkungen, welche aus dem Inneren Rußlands den Winter über nach Sebastopol gezogen wurden, hatten auf dem weiten Marsche durch unbewohnte Landstriche mit der äußersten Noth zu kämpfen. Ganze Abtheilungen wurden von den wüthenden Schneestürmen verschüttet und kamen elend um. Die Flotte der Alliirten, welche für die Belagerung der Stadt nicht verwendbar war, erlitt durch einen furchtbaren Sturm, der in der Nacht vom 13. auf den 14. November 1854 auf dem Schwarzen Meere wüthete, empfindliche Verluste; drei große, mit Wintervorräthen beladene Schiffe gingen unter. Die englische Presse blieb gegen das Elend, dem die englische Armee preisgegeben war, nicht gleichgültig. Sie griff das Verpflegungswesen der englischen Truppen, das sich in weit mangelhafterem Zustande befand, als bei den Franzosen, heftig an, was zur Folge hatte, daß, auf den Antrag Röbucks, am 26. Februar 1855 eine Parlamentscommission zur Untersuchung der Ursachen der schlechten Verpflegung der englischen Armee zusammentrat. Der russenfreundliche englische Premierminister Lord Aberdeen mußte am 8. Februar 1855 dem Lord Palmerston Plaß machen. An Napier's Stelle, der bisher Nichts ausgerichtet hatte, wurde dem Admiral Dundas das Commando über die englische Ostseeflotte übergeben; aber auch dieser Wechsel im Commando erzielte keine besseren Erfolge.

Die wiener Conferenz bestand zwar den Winter über fort, blieb aber ziemlich unthätig. Am 7. Januar 1855 erklärte ihr der russische Gesandte in Wien, Fürst Gortschakoff, der Kaiser Nikolaus erkenne die Erläuterung der vier Punkte, welche ihm die Conferenz am 28. Dezember 1854 gegeben habe, an und sei zur Eröffnung von

Friedensconferenzen bereit. Allein die Conferenz ging vor der Hand auf diesen Vorschlag nicht ein; sie war der Ansicht, der Kaiser habe eine andere Auslegung der vier Punkte im Hinterhalt und könne überhaupt nur durch den Fall von Sebastopol zur Nachgiebigkeit gezwungen werden, dieser letztere aber werde erst im Frühjahr, wenn günstigere Witterung eingetreten, zu erreichen sein. England und Frankreich machten den Winter über die ernstlichsten Anstrengungen, um beim Eintritt des Frühlings gegen Sebastopol einen entscheidenden Schlag zu führen. Ihre Armee, die bis zum Februar 1855 ungefähr 45,000 Todte und 30,000 Kampfunfähige gehabt hatte, wurde am Anfang Februars 1855 auf 110,000 Mann gebracht. Napoleon hatte schon im Januar den erfahrenen General Niel nach dem Kriegsschauplatz geschickt, damit dieser untersuche, wie der Sturm auf die Festung am vortheilhaftesten angeordnet werden könne; derselbe erklärte, daß die Eroberung der Stadt von der Besißnahme eines sehr starken Vollwerkes, des sogenannten Malakoffthurmes, abhänge. Auch der russische Kaiser Nikolaus machte neue Anstrengungen für die Fortführung des Krieges; am 10. Februar 1855 erschien ein kaiserlicher Ukas, welcher die Bewaffnung des ganzen russischen Volkes befahl. Es schien, dieser Befehl solle Europa in Schrecken sehen; dieser Zweck wurde aber ganz und gar nicht erreicht. Der Kaiser war so ungeduldig nach Erfolgen, daß er direct von Petersburg den Befehl nach Sebastopol ergehen ließ, es solle sofort das türkische Lager angegriffen werden. Am 17. Februar 1855 führte der russische General Chruleff diesen Befehl mit 36 Ba= taillonen und 80 Geschüßen aus, wurde aber zurückgeschlagen. Im Obercommando über die russische Armee in der Krim sollte dem Fürsten Mentschikoff, mit dessen Führung der Kaiser unzufrieden war, der Fürst Gortschakoff folgen. Noch ehe aber dieser Befehl (20. März 1855) zur Ausführung kam, starb der Kaiser Nikolaus plößlich zu Petersburg (2. März 1855). Wahrscheinlich hatten Gram und Aerger über die Abnahme seines Einflusses in Europa seine Gesundheit untergraben und den unerwarteten Tod herbeigeführt. Am 4. März 1855 schloß sich auch Sardinien den Westmächten an, indem es an Rußland den Krieg erklärte und 15000 Mann nach der Krim sandte. Der neue ruffische Kaiser Alexander II. schien zum Frieden geneigt. Er erklärte sich bereit, einen Abgeordneten nach Wien zu schicken, um mit England, Frankreich, Oesterreich und der Türkei wegen des Friedens zu verhandeln. Diese Friedens conferenz, wozu die Mächte besondere Bevollmächtigte gesandt hatten, wurde am 15. März 1855 zu Wien eröffnet. Die Verhandlungen hatten Anfangs einen guten Fortgang; Rußland erkannte die ersten zwei der aufgestellten vier Punkte an; über den dritten Punkt aber, die Zahl der Kriegsschiffe,

welche Rußland auf dem Schwarzen Meere haben dürfte, kam keine Einigung zu Stande, weshalb die Conferenz schon am 21. April 1855 auf unbestimmte Zeit abgebrochen wurde. Desterreich hatte erklärt, die Waffen gegen Rußland ergreifen zu wollen, sowie die Bemühungen der Conferenz erfolglos blieben; England und Frankreich verlangten daher, daß Desterreich jest in die kriegerische Action eintrete. Um dies zu verhindern, erbot sich der russische Gesandte zu neuen Vermittlungsvorschlägen, und es wurde deßhalb am 4. Juni 1855 eine neue Conferenzsigung gehalten. Hier erklärte Desterreich, die Westmächte möchten wegen des unbedeutenden Punktes bezüglich der Kriegsschiffe auf dem Schwarzen Meere dem Friedensabschluß keine weiteren Schwierigkeiten in den Weg legen; man solle diesen Punkt einer Uebereinkunft zwischen Rußland und der Pforte überlassen. Allein England, Frankreich und die Pforte bestanden darauf, daß diese Frage von der Conferenz geordnet werden müßte, und so löste sich die Conferenz mit dieser vierzehnten Sizung am 4. Juni 1855 auf. Desterreich trennte sich jetzt von der Verbindung mit den Westmächten; es erklärte, die Stärke der russischen Flotte auf dem Schwarzen Meere möge die westlichen Seemächte wohl interessiren, den österreichischen Staat berührten aber die russischen und türkischen Flotten auf dem Schwarzen Meere, nachdem die Freiheit der Donauschifffahrt bis in's Meer zugestanden sei, so wenig, daß Oesterreich deßhalb nicht Krieg mit Rußland beginnen wolle; es werde fortan eine zuwartende neutrale Stellung einhalten. Der Kaiser Franz Joseph verminderte sofort seine Armee um 200,000 Mann und zog aus Galizien den größten Theil seiner Truppen zurück, wodurch es dem russischen Kaiser Alexander möglich wurde, die in Polen gegen Oesterreich aufgestellten Armee nach Seba: stopol zu ziehen. Das russische Kabinet hatte die Conferenz zu schrecken gesucht, indem es Ende März 1855 einen Aufruf der heiligen Synode in Petersburg an das russische Volk veranstaltete, worin der heilige Krieg gegen die Türkei und die Westmächte gepredigt und die ganze orthodoxe griechische Kirche zu den Waffen gerufen wurde. Allein dieser Aufruf zündete weder in Rußland in bemerkenswerther Weise, noch war er von irgend einer Wirkung auf das Ausland. Er bestärkte. vielmehr Europa nur in der Meinung, daß Rußland gar kein anderes Mittel besitze, die Volksstimmung für einen Krieg zu gewinnen, als religiöse Motive. Die Alliirten wollten nicht in das Innere des russischen Reiches eindringen, und für den Krieg an den Küsten des Schwarzen Meeres war der Aufruf von keiner Bedeutung. Wichtiger war es für das russische Kabinet, daß es an Oesterreich einen mächtigen Gegner beseitigt hatte.

Die beiderseitigen Armeen hatten sich bis Anfang April 1855

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