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Waffenstillstand aber vor der Hand nicht zugestanden. Im preußischen Lager erkannte man sehr wohl, daß Desterreich nur Waffenstillstand ver lange, um seine Südarmee in Ruhe aus Venetien herbeiziehen zu können. Gegen Italien berief sich Preußen auf seinen Allianzvertrag, nach welchem beide Mächte nur unter gegenseitiger Einwilligung Waffenstillstand und Frieden schließen dürften, und forderte von den Italienern die Fortsehung des Krieges. Diese rückten auch, troß der Erklärung, daß Venetien jetzt französisch sei, in Venetien vor, ohne daß der französische Kaiser Einspruch that, und bedrohten die Grenzen von Tirol und Jllyrien. Somit hatte die plötzliche Abtretung Venetiens an Napoleon keine andere Folge, als daß sie die Italiener, denen Venetien jetzt ge= wiß war, ermuthigte, noch weitere Ansprüche zu erheben. Auf die öffentliche Stimmung in Deutschland äußerte dieser Schritt des österreichischen Kabinets eine sehr üble Wirkung; denn bisher war Venetien mit seinem Festungsviereck von Desterreich beständig für ein den Deutschen unentbehrliches Vollwerk gegen Frankreich erklärt worden, und nun trat der Kaiser dieses Bollwerk an Frankreich ab, um seine Südarmee gegen Preußen verwenden zu können. Es wurden freilich sofort alle disponibeln Truppen aus Venetien an die Donau gezogen und nur die Besatzungen in dem Festungsviereck und ein kleines Corps unter General Maroichich zurückgelassen; allein dieser Zuwachs kam für die österreichische Nordarmee zu spät; die Verhältnisse lagen bereits so, daß von einer Aufnahme der kriegerischen Operationen gegen die PreuBen kein günstiger Erfolg mehr zu erwarten stand. Die preußische Armee säumte nicht lange, die durch die Schlacht bei Königgräß errungenen Vortheile zu benüßen*); die erste preußische Armee unter dem Befehl des Königs und des Prinzen Friedrich Karl richtete ihren Marsch nach Brünn, die sogenannte Elbarmee unter Herwarth von Bittenfeld marschirte direct über Iglau auf Wien, und die zweite Armee unter dem Befehl des preußischen Kronprinzen wandte sich nach Olmüş, wo Benedek in einem befestigten Lager die Reste seines Heeres sammelte.

Es war an demselben 3. Juli 1866, der durch die Schlacht bei Königgrät die Sache in Böhmen zu Gunsten Preußens entschied, daß auch die preußische Mainarmee unter General Vogel von Faldenstein ihre Operation gegen die dortigen Bundestruppen ernstlich be= gann. Freilich kam es auf diesem Theile des Kriegsschauplates nie zu einer eigentlichen Schlacht, sondern nur zu kleineren oder größeren Gefechten, die einen geringen Ausschlag gaben. Keine der beiden

*) Immerhin gestattete sie sich und den Oesterreichern, die sich inzwischen ungestört zurückziehen konnten, einige Tage Ruhe; sie ging, wie bemerkt, erst am 6. Juli bei Pardubiß über die Elbe.

einander gegenüberstehenden Armeen wurde eigentlich geschlagen oder zersprengt; die Preußen begnügten sich, das rechte Mainufer zu nehmen und zu behaupten, und vermieden es, für weitere Eroberungen eine Hauptschlacht zu liefern, die ihnen von den Bayern ein Paar Mal an= geboten wurde. Am 3. Juli kam es zunächst zwischen Preußen und Bayern bei dem Dorfe Dermbach im Fuldathale (Großherzogthum Weimar), dann am 4. Juli bei Neidhardshausen, Wiesenthal, Roßdorf und Zella zu Gefechten, die für die Bayern ungünstig ausgingen. Auf Seite der letzteren wurde den ganzen kurzen Feldzug hindurch dem Feinde in der Regel zu wenig Mannschaft gegenübergestellt; sodaß die Preußen fast immer in der Ueberzahl waren, während wenige Stunden entfernt bayerische Truppen unthätig stehen blieben. Am 4. Juli ging die gesammte aus sieben Regimentern bestehende bayerische Cavalerie über Fulda hinaus, um die Verbindung der bayerischen Armee mit dem achten Bundesarmeecorps herzustellen, das zwischen Fulda und Gießen auf dem Vogelsgebirge stand, traf aber sechs Stungen hinter Fulda in einer sumpfigen und waldigen Gegend, dem soge= nannten Quecksmoor bei Hünfeld, auf preußische Artillerie und Infanterie, und mußte sich, da ihr dieses Terrain keine Ausbreitung gestattete, schleunig zurückziehen. Die Preußen rückten hierauf am 6. Juli in Fulda ein; am 8. Juli gingen sie über die bayerische Grenze und beseßten den Badeort Brückenau; ihr Zweck, sich zwischen die Bayern und das achte Bundesarmeecorps einzuschieben, war dadurch erreicht. Die bayerische Armee stand in einzelnen Abtheilungen zwischen Neustadt an der fränkischen Saale, Kissingen und Hammelburg (das Hauptquartier war in Münnerstadt). In dieser Stellung wurde sie am 10. Juli von den Preußen angegriffen. Bei Kissingen standen nur drei Bataillone Bayern mit 12 Geschüßen unter General Zoller. Die Preußen, befehligt von den Generalen Kummer und Wrangel, erschienen von Brückenau her morgens 8 Uhr mit großer Uebermacht. Es wurde hartnäckig bei der kissinger Brücke über die Saale gekämpft; die Preußen bewerkstelligten aber den Uebergang über den Fluß an einem andern Plate, wo sie einen von den Bayern nur unvollständig abgebrochenen Steg wieder herstellten. Man tadelte, daß die Bayern nicht den Finsterberg und die Anhöhe Bodenlaube mit Geschütz besetzt hatten, von wo aus sie ein vernichtendes Feuer auf die Preußen hätten. richten können. Abends sieben Uhr zogen sich die Bayern gegen das Dorf Nüdlingen zurück. Hier kamen ihnen zwei Bataillone Infanterie und eine Abtheilung Artillerie zu Hülfe; die neuen Bataillone griffen die Preußen mit dem Bajonnet an und drängten sie hinter das Dorf Nüdlingen zurück; die Stadt Kissingen aber blieb in der Gewalt der Preußen. Es waren bei Kissingen den 30,000 Preußen nur 4000

Bayern gegenüber gestanden. Die Bayern hatten in dem Gefecht 92 Todte (unter diesen den General Zoller) und 573 Verwundete, die Preußen 130 Todte und 662 Verwundete. Man machte die Bemerkung, daß die Bayern mit ihren Podewils-Gewehren, mit welchen sie zwar weniger Schüsse geben konnten, als die Preußen mit den Zündnadelgewehren, viel sicherer trafen und tödtlichere Wunden verursachten, als die Preußen. Bei Hammelburg, drei Stunden unterhalb Kissingen an der fränkischen Saale gelegen, standen an dem nämlichen 10. Juli 5000 Mann Bayern 30,000 Preußen gegenüber. Der Kampf währte hier nur von 11 Uhr vormittags bis 4 Uhr nachmittags; die Bayern wichen der Uebermacht. Einige preußische Granaten hatten in Hammelburg gezündet; die Preußen halfen zwar löschen, aber es brannten gleichwohl 21 Häuser nieder, die fast alle unbemittelten Leuten gehörten. Der Plan des bayerischen Feldmarschalls Prinzen Karl, seine Armee mit dem achten Bundesarmeecorps in Ober-Hessen zu vereinigen, war nicht gelungen; das achte Armeecorps hatte sich, nachdem sich die Bayern am 4. Juli von Hünfeld wieder zurückgezogen hatten, aus dem Vogelsgebirge gegen Frankfurt a. M. gewandt; am 9. Juli schlug der Befehlshaber desselben, Prinz Alexander von Hessen, sein Hauptquartier in dem Dorfe Bornheim bei Frankfurt auf. An eine gemeinsame Action des siebenten Armeecorps (Bayern) mit dem achten (Württembergern, Badenern, Nassauern, Hessen) konnte also vorderhand nicht gedacht werden. Prinz Karl von Bayern entschloß sich daher, die bayerische Armee bei Schweinfurt zu concentriren und hier einen Hauptangriff der Preußen zu erwarten. Allein der preußische Kommandirende, General Vogel von Falckenstein, hatte nicht die Absicht, weiter nach Süden vorzubringen; er ließ die Bayern unbehelligt und wandte sich westlich gegen Frankfurt, um mit dem achten Bundesarmeecorps anzubinden und das rechte Mainufer vollständig bis an die Mainmündung zu erobern. Die Bayern ihrerseits folgten ihm nicht nach, wie man erwartet hatte, um das achte Armeecorps zu unterstüßen, sondern zogen sich noch weiter südlich nach Würzburg und Umgegend (am 13. Juli war das bayerische Hauptquartier in Kisingen). Der General Vogel von Falckenstein hatte sich mit einem Theil seiner Armee schon von Fulda aus, ohne sich an dem Kampfe bei Kissingen am 10. Juli zu betheiligen, gegen Frankfurt gewandt. Ge= neral v. Göben zog sich mit den preußischen Truppen, die bei Kisfingen gefochten hatten, den Main abwärts über Gemünden und Lohr nach Aschaffenburg, wo sich ihm am 14. Juli die Hessen-darmstädtische Division unter General v. Perglas, mit welcher eine Abtheilung kurhessischer Reiterei vereinigt war, entgegenstellte. Der Großherzog von Hessen verließ bei der Annäherung der Preußen am 14. Juli

Darmstadt und begab sich nach München. Die Hessen, ungefähr 8000 Mann stark, hatten die Höhen östlich von Aschaffenburg besetzt und ihre Vorposten längs der Eisenbahn bis Hain vorgeschoben. Sie wurden am 13. Juli aus dieser Position durch die preußische Brigade Wrangel zurückgedrängt, hielten bei Laufach noch einmal Stand, mußten aber mit einem ziemlichen Verlust an Todten und Verwundeten auf Aschaffenburg zurückgehen. Hier kamen ihnen auf der Eisenbahn 12,000 Desterreicher unter General von Neipperg zu Hülfe; mit diesen bezogen sie vor der Stadt ein Lager, um den Kampf am andern Tag zu erneuern. Am 14. Juli morgens acht Uhr brachen die Preußen unter General v. Göben aus dem Schmerlenbacher Walde hervor und beschossen mit ihrer sehr vortheilhaft aufgestellten Artillerie das Lager und den Bahnhof. Die Desterreicher und Hessen zogen sich in die Stadt hinein, um die Vrücke zu gewinnen und auf Hanau zurückzugehen; die Preußen folgten nach; es wurde auch in der Stadt gekämpft; auf der Mainbrücke, welche die Preußen mit ihrem Geschütz bestrichen, fanden noch viele Hessen und Desterreicher den Tod. Erst mit dem Einbruch der Nacht endete das Gefecht; die Alliirten zogen sich gegen Hanau zurück; die Preußen gingen über die Mainbrücke und besetzten die Dörfer Groß- und Kleinostheim. Den Hessen-Darmstädtern kosteten die Treffen bei Laufach und Aschaffenburg 79 Todte und 337 Verwundete; die Oesterreicher hatten bei Aschaffenburg ungefähr 100 Todte und Verwundete. Nach diesem Gefechte zogen sich die gesammten Truppen des achten Bundesarmeecorps südlich nach Miltenberg und Amorbach, um auf diesem Wege mit den bei Würzburg stehenden Bayern in Verbindung zu kommen. Frankfurt am Main blieb den Preußen überlassen. Am 16. Juli rückte General Vogel von Falckenstein mit 15,000 Mann in die Stadt ein; der Senat und das Bürgercollegium wurden aufgelöst und der Bürgerschaft neben ansehnlichen Lieferungen an Lebensmitteln, Monturstücken und Pferden eine Contri bution von 6 Millionen Gulden auferlegt. Am 19. Juli wurde Vogel von Faldenstein von der Mainarmee als Gouverneur nach Böhmen abgerufen und General v. Manteuffel trat an seine Stelle. Dieser kündigte der Bürgerschaft von Frankfurt an, daß sie außer den 6 Millionen noch weitere 19 Millionen als Contribution zu entrichten habe. Durch Deutschland und ganz Europa ging über diesen auf eine einzelne Stadt geübten Truck nur eine Stimme der Mißbilligung; die 19 Millionen wurden den Frankfurtern, nachdem ihre Stadt dem Königreich Preußen einverleibt war, erlassen; aber die 6 Millionen nebst 2 Millionen für Naturallieferungen blieben *).

*) Verschiedene Frankfurter Deputationen verwandten sich in Berlin um Nachlaß dieser Contribution, da Frankfurt eine preußische Stadt geworden und

Den preußischen Armeen in Böhmen stand kein schwerer Kampf mehr bevor. Am 6. Juli traf der österreichische General v. Gablenz im preußischen Hauptquartier ein, um wegen eines Waffenstillstandes zu unterhandeln. Der König ging auf keine Verhandlung ein, da die von den Desterreichern gewonnene Zeit nur dazu gedient hätte, die österreichische Nordarmee durch Truppen aus Venetien zu verstärken. Am 8. Juli beseßten die Preußen Prag. Der Kaiser erließ am 9. Juli eine Proclamation an die Ungarn, worin er sagte: „Es muß sich die Kraftanstrengung meines gesammten Reiches begegnen, damit die Abschließung des ersehnten Friedens unter billigen Bedingungen zu Stande komme. Ich bin des starken Glaubens, daß die kampftüchtigen Söhne Ungarns, vom Gefühle angestammter Treue ge= leitet, freiwillig unter meine Fahnen eilen werden." Am nächsten Tage (10. Juli) folgte ein kaiserliches Manifest an die gesammte österreichische Nation, das freilich wenig Vertrauen auf eine günstige Wendung der Dinge kund gab. Der Kaiser erklärte darin, er habe das Anerbieten Napoleons, mit Preußen einen Waffenstillstand zu vermitteln, angenommen; aber er werde nie in einen Friedensschluß willigen, durch welchen die Grundbedingungen der Machtstellung des Reiches erschüttert würden. In diesem Fall sei er zum Kampf auf's Aeußerste entschlossen und der Zustimmung seiner Völker gewiß, welche der neu auflebende patriotische Geist überall zu den Waffen rufe." Dies Lettere war freilich nicht der Fall; es herrschte im ganzen Reiche Verstimmung gegen die Regierung; man verlangte Reformen, die Beseitigung des klerikalen Einflusses, die Einsehung eines freisinnigen Ministeriums, die Berufung des Reichsrathes und Herstellung der constitutionellen Reichsverfassung. Die Versuche, in Ober- und Niederösterreich, Steiermark, Kärnthen und Krain einen Landsturm zu organiz siren, scheiterten an dem Widerstand der Bevölkerung. Die Stadt Graz, welche sich mit einer Adresse an den Kaiser um Aenderung des Regierungssystems und Berufung des Reichsraths gewandt hatte, erhielt zur Antwort, in einem Augenblick, wo sich das Vaterland in Gefahr befinde, sei keine Zeit, über Reformen zu verhandeln. Nichtsdestoweniger wiederholte der Gemeinderath von Wien die nämliche Bitte, indem er bemerkte: „In so bedrängnißvoller Zeit will die Vertretung Wiens nicht alle Ursachen erörtern, welche die gegenwärtige tiefernste Lage des Reiches verschuldet haben; das Eine aber darf sie aus

das von dem Staate Frankfurt zur Bezahlung der Contribution aufgenommene Anlehen dadurch preußische Nationalschuld geworden sei. Der König erklärte, er wolle die Stadt allerdings nicht zu sehr belästigen; man möge zwischen Stadtund Staatsleistungen in Frankfurt ausscheiden. Bei seiner Anwesenheit in Frankfurt am 15. August 1867 versprach er eine der Stadt günstige Entscheidung.

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