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Verantwortlichkeit für die ernsten Folgen des Entschlusses des berliner Hofes, den Streit nunmehr auf das Feld der Thatsachen überzutragen, ab. Wir bemerken zur Begründung unseres Protestes erstens, daß die Vereinbarungen zwischen Oesterreich und Preußen die Rechte des deutschen Bundes nicht alteriren konnten noch sollten, und daß ein Bundesmitglied, welches erklärt, die verfassungsmäßigen Beschlüsse des Bundes anerkennen zu wollen, hierdurch nicht die Rechte eines anderen Mitverbündeten beeinträchtigen könne. Wir müssen zweitens hervorheben, daß die königlich preußische Regierung ihrerseits längst die bindende Kraft jener Vereinbarungen sowohl durch Handlungen wie durch ausdrückliche Erklärungen verläugnet, daher das Recht verloren hat, sich gegenüber Desterreich auf Verbindlichkeiten, welche sie selbst nicht geachtet hat, zu berufen. Sie hat sich über das Prinzip, daß die schleswig-holsteinische Erbfolgefrage nur im Einverständniß mit Oesterreich gelöst werden solle, schon damals hinweggesezt, als sie, nicht auf Grund einer Vereinbarung mit uns, sondern auf Gutachten der preußischen Kronjuristen, die Souveränetätsfrage in Schleswig-Holstein für gelöst erklärte und Strafverordnungen gegen die Anhänger jeder anderen Meinung erließ. Ohne daß sie den Vorbehalt der Zustimmung Dester= reichs für nothwendig gehalten hätte, war sie später bereit, die streitige Frage bald einem deutschen Parlament, bald einem europäischen Congreß zu überweisen. Wie kann sie darüber klagen, wenn Oesterreich, in Ermangelung eines Einverständnisses, sich entschließe, dem gesetzlichen Organe des deutschen Bundes alles Weitere anheimzustellen?"

Das preußische Kabinet rückte seinem Ziele Tag für Tag näher. Schon in der zweiten Hälfte des Mai 1866 hatte dasselbe der Bundesversammlung Vorschläge zur Reform des Bundes gemacht, welche auf Herstellung einer Nationalvertretung, Regulirung der deutschen Auswanderung, Einführung gleicher Münzen, Maße und Gewichte und gleicher Gesetzbücher 2c. gingen: nun erfolgte am 10. Juni 1866 ein vollständiger Reformvorschlag, welcher nicht der Bundesversammlung, sondern den deutschen Regierungen direct mitgetheilt wurde. Der erste Artikel dieses Entwurfs lautete: „Das Bundesgebiet besteht aus denjenigen Staaten, welche bisher dem Bunde angehört haben, mit Aus nahme der kaiserlich österreichischen und königlich niederländischen Landestheile." Weiter verlangte der Entwurf, daß die deutsche Landmacht in eine Nord- und Südarmee ge= theilt werde und über erstere Preußen, über die zweite Bayern den Oberbefehl erhalte, ferner daß eine nach dem Reichswahlgesetz von 1849 direct gewählte Nationalvertretung mit den Regierungen die neue Bundesverfassung vereinbare. Desterreich mußte aus diesem neuen Vor

schlag erkennen, daß es dem Kriege unter keinen Umständen mehr ausweichen könne. Es hatte in der eben citirte Depesche an das preußische Kabinet vom 9. Juni 1866 die Bemerkung einfließen lassen, daß es die Entscheidung über die Elbherzogthümer nur „in Ermanglung eines Einverständnisses mit Preußen" wieder dem Bundestag anheimgegeben habe, woraus man følgern konnte, daß es sofort auch wieder bereit sei, die Sache mit Preußen allein abzumachen, d. h. dem König von Preußen die Herzogthümer zu überlassen, wenn Preußen für diese Vergrößerung, wie es Desterreich schon früher angedeutet hatte, dem Kaiserstaat ein Aequivalent aus deutschem Gebiet verschaffe. Nun aber zeigte es sich, daß das wiener Kabinet Preußen auch selbst durch ein Ueberlassen der Herzogthümer ohne Aequivalent nicht zufrieden stellen könne ; Preußen beabsichtigte und verlangte jezt ganz offen die Ausscheidung Desterreichs aus dem deutschen Bunde, und dieses Zugeständniß wollte Desterreich nicht machen. Damit war die Frage des Krieges entschieden. Am 11. Juni 1866 machte der österreichische Ge= sandte der Bundesversammlung die Anzeige, daß trotz der Protestation des österreichischen Statthalters die Preußen in Holstein eingerückt seien; dieser Schritt sei ein Bruch des wiener Friedens und des gasteiner Provisoriums, aber zugleich auch ein Act der Selbsthülfe, welchem die Bundesversammlung nach Art. 19 der Wiener Schlußacte mit allen Mitteln Einhalt thun müsse, weßhalb er hiermit den Antrag auf schleunige Mobilmachung der ganzen Bundes armee, mit Ausnahme des preußischen Contingents, stelle. Gegen diesen Antrag des österreichischen Kabinets richtete Preußen am 12. Juni 1866 eine Depesche an die deutschen Höfe. Dieselbe erklärte, der österreichische Antrag auf Mobilmachung des Bundesheeres sei ohne bundesrechtliche Grundlage; durch Annahme desselben löseten die deutschen Bundesstaaten das Bundesverhältniß und träten ihren bundeslosen Zustand mit einem Act der Feindseligkeit gegen Preußen an; sie schlössen dadurch eine militärische Solidarität mit Oesterreich, das, so wie es der Unterstützung der Bundesstaaten sicher sei, an Preußen den Krieg erklären werde. PreuBen müsse die Annahme des österreichischen Antrags von Seite der Bundesstaaten einer Kriegserklärung gleich achten und werde sich bei dem sodann ausbrechenden Kriege nur durch sein eigenes Interesse und durch jenes derjenigen deutschen Staaten leiten lassen, die auf seine Seite träten. Die Abstimmung über den österreichischen Antrag sollte am 14. Juni stattfinden. Noch bevor dieselbe erfolgte, rief die österreichische Regierung ihren Gesandten Grafen Karolyi (12. Juni) aus Berlin ab; dem preußischen Gesandten in Wien, Baron Werther, wurden dort die Pässe zurückgehalten, bis die preußische Regierung den holsteinischen Regierungsrath Lasser, welcher auf Befehl des Kaisers

die holsteinische Ständeversammlung hatte eröffnen sollen, frei gegeben hätte, was auch sofort geschah. Die österreichischen Truppen in Holstein, welche der preußischen Uebermacht nicht gewachsen waren, zogen am 12. Juni in das Hannöversche ab; ihr Commandant General v. Gablenz erklärte in einer Proclamation, worin er den Holsteinern für das geschenkte Vertrauen dankte, er weiche der großen Uebermacht und verlasse das Land, um seine Truppen nicht nuķlos zu opfern.

Am 14. Juni 1866 kam der vom österreichischen Gesandten gestellte Antrag auf Mobilmachung des gesammten Bundesheeres mit Ausnahme des preußischen, in der Bundesversammlung zur Verhandlung und Abstimmung. Der Antrag wurde von der Versammlung dahin modificirt, daß nur die Armeen der Mittel- und Kleinstaaten, also das 7. 8. 9. und 10. Bunderarmeccorps mobil gemacht werden sollten, nicht aber die österreichische (1. 2. 3.) und auch nicht die preußische Armee (4. 5. 6. Bundesarmeecorps). Auf diese Weise suchten sich die Mittel- und Kleinstaaten als vermittelnde Gesammtmacht zwischen die streitenden beiden deutschen Großmächte zu stellen, was freilich nur gelingen konnte, wenn die Großmächte ihre Armeen nicht gleichfalls mobil machten. Der in solcher Weise modificirte Antrag wurde mit zweifelhafter Stimmenmehrheit, nach der Erklärung des Präsidenten mit 9 gegen 6 Stimmen, angenommen. *) Dafür stimmten Oesterreich, Bayern, Württemberg, Sachsen, Hannover, Kurhessen, Großherzogthum Hessen, Nassau, die sechzehnte Curie. Dagegen stimmten Preußen, die zwölfte Curie, die fünfzehnte Curie (Oldenburg, Anhalt, Schwarzburg), die vierzehnte Curie (Mecklenburg-Schwerin und Streliß), Luxemburg-Limburg und die siebenzehnte Curie (freie Städte). Baden wünschte, daß der Bund vorerst noch eine Vermittlung versuche, und enthielt sich der Abstimmung; die Stimme von Holstein-Lauenburg wurde von Desterreich in Anspruch genommen. Der preußische Bundestagsgefandte v. Savigny protestirte schon beim Beginn der Sizung gegen den ganzen Vorgang. Der königliche Gesandte", sagte er, muß gegen

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*) Diefe 9 Stimmen kamen nämlich nur heraus, wenn man Nassau mitzählte, dessen Stimme aber, da es mit Braunschweig die dreizehnte Curie bildete, durch die Gegenstimme Braunschweigs neutralisirt wurde, oder wenn man, diese Neutralisirung anerkennend, die holsteinische Stimme als durch Oesterreich vertreten gelten lassen wollte. Außerdem wären es nur 8 Stimmen gegen 6 gewesen. Nun hatten sich aber von den sieben Stimmen der 16. Curie (Lichtenstein, beide Reuß, Lippe-Detmold, Lippe-Schaumburg, Waldeck, Homburg) schon in der Sizung Lippe-Detmold, Reuß jüngere Linie und Waldeck gegen den Antrag erklärt, und dieselbe Erklärung gab nachträglich auch LippeSchaumburg; so daß also die Stimmenmehrheit auch der 16. Curie gegen den Antrag war. Somit stand das Stimmverhältniß eigentlich 7 zu 7.

jede geschäftliche Behandlung des Antrages als formell und materiell bundesrechtswidrig stimmen und zugleich ausdrücklich protestiren. Nach der Abstimmung gab er folgende Erklärung ab: "Ich sehe mich jezt veranlaßt, der Bundesversammlung die Entschlüsse des preußischen Kabinets bekannt zu machen. Die Einbringung des österreichischen Antrags steht zweifellos mit der Bundesverfassung in offenbarem Widerspruch und mußte von Preußen als Bundesbruch angesehen werden. Das Bundesrecht kennt nur Bundesexecution; durch die nach dem Bundesrechte unmögliche Kriegserklärung gegen ein Bundesmitglied sicht Preußen den Bundesbruch als vollzogen an. Ich erkläre im Namen und auf Befehl meines Königs, daß Preußen den bisherigen Bundesvertrag für gebrochen, daher nicht mehr für verbindlich ansieht, und denselben fortan als erloschen betrachten und behanDamit erklärt jedoch der König von Preußen nicht auch zugleich die Grundlagen des Bundes für zerstört; er hält vielmehr an diesen Grundlagen und der erhabenen Einheit der deutschen Nation fest, für welche einen angemessenen Ausdruck zu finden, den deutschen Staaten die Pflicht gebietet. Deßhalb legt er hier zugleich die Grundzüge einer neuen, den Zeitverhältnissen entsprechenden Einigung vor *), auf welche er mit allen dazu geneigten deutschen Regierungen einen neuen Bund zu schließen bereit ist. Mit dieser Erklärung ist die Thätigkeit des preußischen Gesandten am bisherigen Bunde beendigt." Der österreichische Bundesgesandte v. Kübeck erwiderte hierauf, er protestire im Namen des Bundes gegen den Austritt Preußens, der weder factisch begründet noch rechtlich zulässig sei; der Bund sei nach Artikel 1 der Bundesacte und Artikel 5 der Schlußacte unauflöslich, und der gegenwärtige Beschluß der Mehrheit auf Mobilmachung sei competenz mäßig **).

Nachdem die preußische Regierung hiermit allen deutschen Staaten erklärt hatte, daß sie die vom Bund beschlossene Mobilmachung als Bundesbruch und Kriegserklärung gegen Preußen auffasse, daher keine Bundesverpflichtungen gegen die übrigen deutschen Regierungen mehr

*) Den bereits oben erwähnten Entwurf vom 10. Juni 1866, welcher

den Austritt Oesterreichs aus dem deutschen Bund verlangte.

**) Zur Erklärung des Verhaltens Preußens gegen einzelne kleinere Bundesstaaten in dem jezt ausbrechenden Kriege mag hier noch bemerkt werden, daß von der zwölften Curie (Weimar, Coburg-Gotha, Meiningen, Altenburg) allein Meiningen für den österreichischen Antrag, ebenso von der siebenzehnten Curie (Lübeck, Hamburg, Bremen, Frankfurt) allein Frankfurt für denselben stimmte. Aus der sechzehnten Curie (Liechtenstein, Reuß ältere, Reuß jüngere Linie, LippeDetmold, Lippe-Schaumburg, Waldeck und Homburg) waren Liechtenstein, Reuß ältere Linie und Homburg für den österreichischen Antrag.

anerkenne, richtete sie Tags darauf (15. Juni 1866) an die norddeutschen Höfe von Sachsen, Hannover und Kurhessen die Aufforderung, der von Preußen vorgeschlagenen Berufung eines deutschen Parlaments ihre Zustimmung zu geben, ihre Heere auf den Friedensfuß zu sehen und sich gegen Preußen bei dem bevorstehenden Kriege mit Desterreich neutral zu verhalten. Gingen die genannten Höfe auf diese Bedingungen ein, so sei der König von Preußen bereit, ihnen ihre Souveränetät zu garantiren, soweit dieselbe nicht etwa von dem künftigen deutschen Parlament beschränkt würde. Die preußischen Gesandten in Dresden, Hannover und Kassel mußten diese Sommation persönlich übergeben und erklären, daß die Antwort noch an dem nämlichen Tage zu erfolgen habe; werde dieselbe über diesen Termin hinaus verzögert oder laute sie verneinend, so betrachte sich Preußen als im Kriegszustand mit genannten Staaten befindlich. Alle drei Fürsten lehnten die preußis ichen Forderungen ab. Dagegen beschlossen die Stände von Kurhessen, gleichfalls an diesem 15. Juni, ihre Regierung aufzufordern, dem Bundesbeschlusse auf Mobilmachung keine Folge zu geben, und verwahrten sich vor jeder Geldbewilligung zu einem Kriege, der gegen die Interessen des Landes sein würde. Am folgenden Tage (16. Juni 1866) erging vom preußischen Ministerium eine ähnliche Aufforderung an Braunschweig; von letterem wurde verlangt, daß es sein Heer auf den Kriegsfuß seße und mit dem preußischen vereinige. Der Herzog er= klärte, er billige die preußischen Grundzüge zu einer neuen deutschen Verfassung, wolle sich auch nicht auf die Seite der Gegner Preußens stellen, wünsche aber sein Heer auf dem Friedensfuße zu belassen und neutral zu bleiben. Bei dieser Erklärung gab sich Preußen zufrieden. Der bedrohte König von Sachsen beeilte sich, die preußische Sommation dem deutschen Bunde vorzulegen und Bundeshülfe zu verlangen. Der österreichische Gesandte gab hierauf in der nämlichen Bundestags= sizung (16. Juni) die Versicherung, daß sein Kaiser den bundestreuen Regierungen ihren Besitzstand garantire und mit seiner vollen Macht der gegen. seine Bundesgenossen geübten Gewalt entgegentreten werde. Allein eigenthümlicher Weise wurde für den Schuß des Königreichs Sachsen weder von Oesterreich noch von den Bundesstaaten irgend Etwas unternommen ; das Land blieb vorläufig völlig preisgegeben; die sächsische Armee, 29,000 Mann stark unter dem Befehl des Kronprinzen Albert, zog sich nach Böhmen, um sich dort mit der österreichischen zu vereinigen, auch der Hof ging nach Prag, und die sächsische Schazkammer und die werthvollsten Gemälde der dresdener Gallerie wurden nach München in Verwahrung gebracht. Wie man später vernahm, hatte Bayern, das schon am 14. Juni seine besondere Militärconvention mit Dester= reich geschlossen (die jedoch erst am 30. Juni ratificirt wurde), den Plan

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