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wendet worden ist und der Inhalt als Rechtsvorschrift wirksam sein kann, so ist anzunehmen, dass es auch Rechtsvorschrift sein soll. Die Form der Verordnung dagegen ist an und für sich nicht geeignet zum Erlass von Rechtsregeln, falls nicht eine gesetzliche Ermächtigung hierzu erteilt worden ist; ist aber auf Grund gesetzlicher Delegation eine Verordnung ergangen, so hat sie die Kraft der Rechtsordnung nur dann, wenn sie ordnungsmässig verkündigt ist. Für das Reichsstaatsrecht ergibt sich daher der einfache Satz, dass alle nicht im Reichsgesetzblatt verkündeten Verordnungen nur die Kraft von Verwaltungsverordnungen haben. Vgl. oben S. 133.

III. Eine besondere Anwendung finden diese Grundsätze hinsichtlich der Organisation des Behördensystems. Es gibt keinen Staat, dessen Verfassungsrecht nicht darüber Regeln enthielte, welche Organe die verwaltende Tätigkeit auszuüben haben, und dessen Gesetzgebung nicht Bestimmungen über die Behördenorganisation träfe. Andererseits aber kann die einmal organisierte und handlungsfähig gewordene juristische Person durch ihre eigene Tätigkeit ihre Organisation weiter ausbilden. Ob nun die Einrichtung der Behörden und die Abgrenzung ihres Geschäftskreises ein Akt der Gesetzgebung oder der Verwaltung ist, bestimmt sich danach, ob die Massregel nur innerhalb des Verwaltungsapparates wirksam sein soll, oder ob sie ihre Wirkungen ausserhalb desselben erstreckt. Wenn einer Behörde staatliche Herrschaftsbefugnisse für gewisse Angelegenheiten übertragen werden sollen, so dass sie den Untertanen Befehle erteilen und sie zu Leistungen oder Unterlassungen zwingen kann, so ist die Schaffung einer solchen Behörde und die Bestimmung ihrer Kompetenz ein Teil der Rechtsordnung. Dies kann auch von ihrer Zusammensetzung, der Qualifikation ihrer Mitglieder, dem von ihr innezuhaltenden Verfahren gelten, wenn der einzelne einen öffentlich rechtlichen Anspruch darauf hat, dass die ihm gebietende Behörde, z. B. das Gericht, in einer gewissen Weise gebildet wird und ein gewisses Verfahren beobachtet). Andererseits kann die Errichtung von Behörden, ihre Geschäftsverteilung, ihre Organisation und ihr Verfahren ein Internum der Verwaltung sein, welches ohne Rechtswirkung für Dritte ist und eben deshalb die Rechtsordnung nicht berührt. Nur ist hierbei zu beachten, dass eine Behördeneinrichtung, welche in der Form des Gesetzes angeordnet ist, wegen der formellen Gesetzeskraft nur in dieser Form verändert werden kann, wenngleich sich ihre ganze Bedeutung innerhalb des Verwaltungsapparates hält und erschöpft.

IV. Das Verwaltungsrecht. Wenn es richtig ist, dass die Verwaltung die Tätigkeit der Staatsregierung behufs Durchführung der Staatsaufgaben ist, so ergibt sich, dass besondere Rechtsvorschriften für die Verwaltung begrifflich nicht notwendig sind, dass man sich vielmehr denken kann, dass der Staat für diese Tätigkeit sich der allgemeinen, für alle Rechtssubjekte geltenden Rechtsordnung unterwirft und sich mit derselben zufrieden

1) Die Bildung und Zusammensetzung der Gerichte ist nicht bloss eine innere Angelegenheit der Justizverwaltung, sondern der Einzelne hat einen im öffentlichen Recht begründeten Anspruch darauf, dass das Gericht, welches über ihn urteilt, in gewisser Weise gebildet und mit einer bestimmten Zahl von Mitgliedern besetzt wird, dass die letzteren in bestimmter Weise qualifiziert, lebenslänglich angestellt sind u. s. w.

gibt. In der Tat ist dies auch für wichtige und umfangreiche Gruppen von Verwaltungsgeschäften der Fall, wie z. B. für die Verwaltung von Domänen, Forsten, Bergwerken, Fabriken oder den Betrieb von anderen industriellen oder kommerziellen Unternehmungen. Es ist ebenso gut denkbar und, wie die Geschichte lehrt, auch zu Zeiten so gewesen, dass der Betrieb der Postanstalt, die Verwaltung des Unterrichts und vieler Zweige der Wohlfahrtspflege unter den für alle geltenden Regeln des allgemeinen Rechts erfolgt. Besondere Verwaltungsgesetze sind daher begrifflich die Ausnahme; als Regel ergibt sich für die Verwaltung die freie Tätigkeit innerhalb des Spielraumes, welchen die Gesetze gestatten. Tatsächlich aber kehrt sich das Verhältnis um, weil für die zweckmässige Erfüllung der dem Staate obliegenden Aufgaben die Aufstellung besonderer Rechtsregeln notwendig oder wenigstens nützlich ist.

Diese besonderen Rechtsregeln zerfallen in zwei Kategorien von sehr verschiedenem Charakter. Der Staat verwendet nämlich behufs Realisierung seiner Aufgaben zum Teil sein Herrschaftsrecht über Land und Leute; er verlangt Leistungen, er befiehlt Handlungen, er beschränkt die Handlungsfreiheit der Untertanen durch Verbote; zum Teil dagegen verzichtet er auf die Geltendmachung seines imperium und stellt sich auf gleiche Stufe mit anderen Rechtssubjekten. Dieser Unterscheidung entsprechen die beiden Kategorien von Verwaltungs-Rechtssätzen. Das imperium ist in dem modernen zivilisierten. Staate keine willkürliche, sondern eine durch Rechtssätze bestimmte Gewalt: das ist das Merkmal des Rechtsstaates, dass der Staat von seinen Angehörigen keine Leistung und keine Unterlassung fordern, ihnen nichts befehlen und nichts verbieten kann, als auf Grund eines Rechtssatzes. Diese Rechtsregeln können im Gewohnheitsrecht begründet sein; bei den modernen staatlichen und rechtlichen Zuständen sind sie gewöhnlich durch Gesetze sanktioniert. Diese Gesetze haben es sämtlich zu tun mit einer Abgrenzung der Staatsgewalt. Sie geben die Rechtsvorschriften über die Einwirkungen, welche der Staat auf Personen und Vermögen seiner Untergebenen vornehmen darf und sichern daher zugleich andererseits die Sphäre, welche vor diesen Eingriffen rechtlich geschützt ist. Der Gesamtinhalt aller dieser Gesetze definiert den rechtlichen Inhalt der Staatsgewalt, wie er durch die positive Gesetzgebung eines bestimmten Staates in einem bestimmten Zeitpunkte fixiert ist. Insoweit dagegen der Staat auf die Geltendmachung von Hoheitsrechten verzichtet und sich prinzipiell auf die gleiche Stufe mit anderen Rechtssubjekten stellt, schafft sich der Staat für seine auf die Durchführung der staatlichen Aufgaben gerichtete Tätigkeit günstigere oder wenigstens besondere Rechtssätze. Solche Gesetze modifizieren das Privatrecht, Strafrecht oder Prozessrecht und setzen spezielle Regeln an die Stelle der allgemeinen. Dass diese speziellen Rechtssätze in besonderen Gesetzen formuliert sind, beruht nicht auf ihrem juristischen Wesen, sondern auf technischen Gründen der Gesetzgebungskunst und auch die privatrechtlichen Gesetze, die Prozessordnungen und besonders das Strafgesetzbuch enthalten sehr zahlreiche Bestimmungen, welche mit Rücksicht auf die Verwaltungstätigkeit des Staates

die im allgemeinen herrschenden Rechtsregeln abändern oder ergänzen.

Beide Kategorien von Gesetzen sind Gesetze im materiellen Sinne des Wortes, denn sie enthalten Rechtsregeln. Auch wenn sie in der Form der Verordnungen ergehen, sind sie nicht Aeusserungen der Verwaltungstätigkeit, sondern Akte der Gesetzgebung; nicht Handlungen des Staates, sondern Sanktion von Rechtsregeln für die Handlungen desselben.

V. Die Verwaltung ist nicht bloss Anwendung und Ausführung, sondern zugleich Fortbildung und Quelle des öffentlichen Rechts. Indem die Verwaltung innerhalb der vom Rechte gezogenen Schranken für die Befriedigung der staatlichen und gesellschaftlichen Bedürfnisse Sorge trägt, führt sie zu neuen Rechtssätzen. Gerade so wie der Geschäftsverkehr der Individuen das Privatrecht langsam aber stetig weiter ausbildet und aus dem stets wiederkehrenden stereotypen Inhalte der Rechts geschäfte erst Gebräuche, dann Rechtssätze schafft, welche als Gewohnheitsrecht oder durch gesetzliche Anerkennung bindende Kraft erlangen, so erzeugt auch die gleichmässige, in unzähligen Fällen wiederholte und den Bedürfnissen des Staats entsprechende Geschäftstätigkeit der Behörden erst eine Verwaltungstradition und endlich Sätze des öffentlichen Rechts. Das vorhandene Recht genügt niemals vollständig sämtlichen Bedürfnissen der Gegenwart; es ist immer nur das Resultat der Vergangenheit. Die Verwaltung muss den Bedürfnissen der Gegenwart abhelfen, und indem sie innerhalb der Schranken der Rechtsordnung beginnt, führt sie allmählich eine Umgestaltung, Erweiterung und Fortbildung der Rechtsordnung herbei. Die Verwaltungstätigkeit des Staates ist sonach zugleich Handhabung und Erzeugung des öffentlichen Rechts, und es findet eine fortwährende Wechselwirkung zwischen Verwaltung und Rechtsbildung statt. Dadurch tritt der Anteil der Volksvertretung an der verwaltenden Tätigkeit des Staates erst in seiner vollen Bedeutung hervor. Er besteht nicht nur darin, dass bei den parlamentarischen Verhandlungen eine etwaige Verletzung der Gesetze durch die Verwaltungsbehörden oder eine irrige und unzweckmässige Vollziehung derselben gerügt werden kann; er wird auch nicht dadurch erschöpft, dass durch Feststellung des Staatshaushalts die finanziellen Mittel für die Verwaltungstätigkeit der Behörden bewilligt werden; sondern er kommt vorzugsweise dadurch zur Geltung, dass die Gesetzgebung eine Form der staatlichen Willenserklärung ist, welche nicht bloss auf die Sanktion von Rechtssätzen, sondern auch auf die Anordnung und Regelung der Verwaltungstätigkeit anwendbar ist.

§ 19. Die Formen der Verwaltungsakte. Die staatliche Geschäftsführung vollzieht sich zum weitaus grössten Teil durch Handlungen faktischer Natur, die ebenso wenig ein juristisches Interesse und einen rechtlichen Inhalt haben, wie die tatsächlichen Beschäftigungen und Arbeiten der Individuen. Sie stehen dem Recht ganz fern und bilden daher auch kein Objekt des Staatsrechts.

Wie jede Geschäftsführung bedarf aber auch die Staatsverwaltung der Rechtsgeschäfte d. h. Handlungen, welche zu dem Zwecke vorgenommen werden, um Rechtsverhältnisse hervorzubringen, fortzuführen, zu verändern oder

Laband, Reichsstaatsrecht.

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aufzuheben. Diese Rechtsgeschäfte sind ganz ebenso wie auf dem Gebiete des Privatrechts entweder zweiseitige d. h. Verträge, oder einseitige d. h. Verfügungen.

1. Der Vertrag findet überall Anwendung, wo der Staat mit den ihm zustehenden Herrschaftsrechten die ihm obliegenden Aufgaben nicht zu erfüllen vermag. Der Vertrag kann mit einer anderen Regierung geschlossen werden, also ein völkerrechtlicher sein; er kann ferner, wie die Anstellung von Beamten, die Naturalisation von Untertanen u. s. w., ein staatsrechtlicher sein; er kann endlich einen vermögensrechtlichen Inhalt haben. Verträge der letzteren Art müssen bei der Führung der Verwaltung in sehr grosser Zahl unablässig geschlossen werden. Die Lieferung von Waren, die Leistung von Arbeiten, die Herstellung von Werken, die Beschaffung von Geldmitteln u. s. w. kann der Gegenstand dieser Verträge sein; ebenso kann der Staat seinerseits die Leistung von Arbeiten oder die Lieferung von Waren u. s. w. übernehmen, z. B. in dem Betrieb der Postanstalt, der Staatseisenbahnen, der Forsten u. S. W. Das durch den Vertrag begründete Rechtsverhältnis ist nach den allgemeinen Grundsätzen des Privatrechts zu beurteilen, sofern nicht dieselben durch spezielle zu Gunsten des Fiskus eingeführte Rechtssätze modifiziert sind. Ein sehr grosser Teil der gesamten Verwaltungstätigkeit des Staates steht demnach nicht unter eigentümlichen staatsrechtlichen Regeln, sondern unter denen des Privatrechts und Civilprozesses.

Staatsrechtliche Prinzipien kommen nur zur Anwendung hinsichtlich des Subjekts, welches den Vertrag für den Staat schliesst, d. h. hinsichtlich seiner Vertretungsbefugnis. Dieselbe hängt davon ab, dass derjenige, welcher im Namen des Staates den Vertrag abgeschlossen hat, in rechtsgültiger Weise zur Führung des betreffenden Amtes berufen (angestellt) worden ist und dass der von ihm abgeschlossene Vertrag zum Geschäftskreis (Kompetenz) des von ihm verwalteten Amtes gehört. Hinsichtlich des Inhalts der Verträge, welche zum Zwecke der Staatsverwaltung geschlossen werden, gilt prinzipiell der allgemeine Grundsatz des Verkehrsrechts, dass die Kontrahenten volle Freiheit haben, innerhalb der gesetzlichen Schranken zu vereinbaren, was ihnen beliebt. Gerade an den unzähligen Verträgen, welche die Verwaltungsbehörden abzuschliessen veranlasst sind, wird es deutlich, dass die Verwaltungstätigkeit nicht Anwendung oder Vollziehung der Gesetze ist; der Staat schliesst vielmehr diese Verträge mit derselben Handlungsfreiheit ab wie jedes andere Rechtssubjekt und die Behörden, welche zur Verwaltung der Staatsgeschäfte berufen sind, haben bei der Vereinbarung der Vertragsbedingungen der Regel nach keine andere Stellung, wie sie die geschäftsführenden Organe juristischer Personen überhaupt haben. Ausnahmsweise aber kann der Inhalt der Verträge durch Gesetz oder Verordnung so fest vorgeschrieben sein, dass die Verwaltungsbehörden die Verträge nach einer genau bestimmten Schablone abschliessen müssen. Diese Ausnahmen beruhen teils auf dem finanziellen Interesse des Staates, teils auf der Fürsorge für die Wohlfahrt des Volkes. Ein besonders anschauliches Beispiel bieten die Verwaltungen der Verkehrsanstalten, deren einzelne, in unzähligen Fällen abzu

schliessenden Verträge einen vollkommen stereotypen Inhalt haben.

2. Die Verfügung ist das einseitige Rechtsgeschäft des öffentlichen Rechts; sie ist ein Willensakt der Verwaltung, durch welchen ein einzelner oder eine Summe einzelner Fälle in der vom Gesetz abstrakt geregelten Weise geordnet wird. Die Verfügung schafft keine Rechtssätze, sondern Rechts verhältnisse; sie begründet konkrete, subjektive Pflichten und ist Ausübung subjektiver Rechtsbefugnisse. Der Inhalt der Verfügung kann ein ebenso mannigfacher sein, wie derjenige der Gesetze und auch auf ihn lässt sich die Einteilung anwenden, welche oben S. 124 vom Gesetzesinhalt erwähnt worden ist, imperare, vetare, permittere, punire, d. h. ein auf einen oder mehrere konkrete Fälle gerichtetes Gebot oder Verbot, eine Ermächtigung (Konzession), oder eine Entziehung oder Gebrauchsbeschränkung. Die Verfügung kann auch sachlich eine Entscheidung sein; dahin gehören die von den Verwaltungsbehörden erfolgenden Straffestsetzungen, Bescheide auf Beschwerden, Beurkundungen und Erteilung von Legitimationspapieren. Endlich ist nicht zu übersehen, dass der Inhalt einer Verfügung aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt sein kann; insbesondere kann eine Entscheidung mit den aus ihr sich ergebenden Geboten, Verboten, Gewährungen u. s. w. kombiniert sein. Soweit der Staat Herrschaftsrechte über Land und Leute hat, um durch Anwendung derselben seinen Aufgaben gerecht zu werden, ist der Befehl die Form, in welcher sich die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden vollzieht. Die staatsbürgerlichen Pflichten sind Gehorsamspflichten, sie entfalten in der Regel keine Wirksamkeit, wofern der Staat nicht ihre Erfüllung fordert, d. h. befiehlt, und sie können demnach völlig wirkungslos bleiben, wenn dieser Befehl tatsächlich nicht erlassen wird. Die Gesetze normieren Voraussetzungen und Inhalt dieser Verpflichtungen nur abstrakt, in der logischen Form der Rechtsregel; um wirksam zu werden, bedürfen sie der Anwendung auf den konkreten Fall. Der staatsrechtlich erhebliche Inhalt der Verfügung ist der Befehl an den der Staatsgewalt Untergebenen, etwas zu leisten, zu tun oder zu unterlassen. Die Einziehung der Steuern, Zölle und Gebühren, die Einberufung zur Ableistung der militärischen Dienstpflicht oder des Gerichtsdienstes, die polizeiliche Tätigkeit u. s. w. bieten zahllose Anwendungsfälle.

Hiernach ergibt sich, dass der Inhalt der Verfügung rechtlich begründet sein muss, d. h. die Befugnis des Staates, jemandem etwas zu befehlen oder zu verbieten, von welcher die Verfügung Anwendung macht, muss durch einen Rechtssatz anerkannt sein. Die dem Staatsbürger obliegende Gehorsamspflicht ist im modernen Staate keine ungemessene, deren Umfang durch das Belieben der Regierung bestimmt werden könnte. Jeder Verwaltungsbefehl muss daher auf einem Gesetze beruhen, welches die Regierung mit der Befugnis ausstattet, eine derartige Leistung, Handlung oder Unterlassung von den Untertanen zu verlangen. Es gilt dies ausnahmslos und findet nicht bloss auf die Einforderung von finanziellen oder militärischen. Leistungen, sondern in demselben Umfange auch auf alle polizeilichen Ge

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