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Fabrik, um zu ersehen, daß dieser daran eine Schuld wohl kaum beigemessen und daß auch von einer finanziellen Schädigung des Staates füglich nicht gesprochen werden kann.

17. Schlußwort.

Wenn zum Schluß in kurzen Worten eine zusammenfassende Beurteilung der Stellung und Entwicklung der Linzer Fabrik und der Ursachen ihres Niederganges geboten werden soll, so muß wohl zunächst hervorgehoben werden, daß diese in den ersten Zeiten des privaten Besitzes eine erfolgreiche Ausbreitung ihres Betriebes unter vielfachen Anfeindungen ihrer monopolistischen Vorrechte in erster Linie wegen der unzureichenden verfügbaren Kapitalien, sodann aber im Besitz der Orientalischen Kompagnie wegen der Zersplitterung der Gelder dieser Gesellschaft, nur mit großen Unterbrechungen und nicht ohne bedeutende Opfer zu finden vermochte. In dem 82 Jahre währenden Bestande hatte sich jedoch das Industriewerk immerhin zu einer so hohen Stufe der Entwicklung emporgehoben, daß die Staatsverwaltung dieses infolge seiner Privilegierung in den österreichischen Ländern einzig dastehende Unternehmen nicht dem Untergange preisgeben wollte und, um dessen weiteren Bestand zu sichern, schließlich in die eigene Verwaltung übernahm.

Es muß nun ferner hervorgehoben werden, daß während der fast ein Jahrhundert währenden staatlichen Betriebsführung der Fabrik sowohl zur Zeit der Geltung ihres Privilegiums als auch nach dessen Aufhebung und Ablauf eine ausschließlich bevorzugte Stellung nicht eingeräumt war, daß sie vielmehr als ein der Allgemeinheit dienender Teil des staatswirtschaftlichen Organismus betrachtet werden muß.

Dabei bildet die Fabrik unzweifelhaft den Mittelpunkt der gesamten Wollenzeugfabrikation Österreichs und hatte. sie die führende Rolle bei den Bestrebungen zur Ausbreitung des Wollspinnerei- und -webereibetriebes. Schon im Jahre 1765 wurde sie beauftragt, dem böhmischen Kommerzienkonseß die für die Errichtung von Wollenzeugmanufakturen in Böhmen dienlichen, auf eigenen Erfahrungen beruhenden Auskünfte zu erteilen. Wie sie einige Jahre später dazu

verhalten worden ist, die Mährisch-Neustädter Fabrik unmittelbar zu unterstützen, die bald ihre gefährlichste Konkurrentin wurde, ist bereits angeführt worden.

Rohmaterialien, wie Wolle und Seide, ja sogar Baumwolle, deren Verwendung für die Zeugfabrikation sie lange Zeit hindurch mit allen Mitteln zu bekämpfen suchte, mußte die Linzer Fabrik an konkurrierende Fabrikanten und Meister, ohne dabei einen Handelsgewinn zu erzielen, abgeben, um dadurch zur allgemeinen Förderung der Textilindustrie beizutragen.

Bei der Ausbreitung und Verbesserung des Spinnereibetriebes, den sie durch Organisation, Spinnschulen, Beistellung von Arbeitsgeräten und Prämien förderte, verfolgte sie keineswegs nur ihre eigenen Betriebsinteressen und bei der aus staatswirtschaftlichen Gründen von ihr verlangten. Beteilung von Strafhäusern, Waisenhäusern und von Militär mit Spinnarbeit kam sie bei den hohen Materialtransportkosten und der meist schlechten Arbeitsleistung in der Regel nicht auf ihre Kosten und wenn sie in besonderem Maße notleidende Bevölkerung mit Arbeit versah, hatten ihre Verfügungen den Charakter von Wohlfahrtsmaßnahmen.

Zu einem besonders empfindlichen Ausdruck kam die Sonderstellung, die die Staatsfabrik im Organismus der österreichischen Industrie einnahm, wenn sie, wie dies öfter vorkam, die mühsam erworbenen Geheimnisse ihres Betriebes, über die sie selbst mit größter Strenge wachte, preiszugeben gezwungen war. 780 Wurde der Fabrik hiedurch die Konkurrenz im Inlande bedeutend erschwert, so kam es sogar auch vor, daß sie in ihrem Wettbewerb mit dem Auslande, dessen Waren zu verdrängen sie berufen war, beeinträchtigt.

780 Als z. B. im Jahre 1786 zwei Färber in Schönfeld in Böhmen gebeten hatten, ihre Söhne in die Fabrik zu nehmen, damit sie ihre Waren gleich denen der Linzer Fabrik zu färben und zu appretieren lernen könnten, wies die Direktion diese ab, da das Begehren für eine jede Fabrik, die sich ihren besonderen Vorteil mit Aufwendung vieler Unkosten und Versuche zu eigen gemacht hätte, zu drückend wäre. Dieses Vorgehen wurde jedoch von der Hofkammer nicht gebilligt und die Fabrik mußte ihrer Rolle als Lehrmeisterin entsprechend vorgehen und die Färbersöhne unterrichten.

wurde, wie aus dem Auftrag zu ersehen ist, im Jahre 1773 ihre sämtlichen Betriebseinrichtungen einem von der Hofkammer aus nicht angegebenen Gründen bevollmächtigten französischen Fabrikanten zu zeigen, worüber Sorgenthal sich bei dem Referenten der Hofkammer brieflich bitter beklagte.1

Neben der Verbesserung der Spinnerei und der Herstellung zahlreicher neuer, namentlich feiner Zeugwarengattungen war es ein unzweifelhaftes großes Verdienst der Linzer Fabrik, daß sie auch auf anderen Gebietender industriellen Technik auf verschiedenen Wegen und auch mit bedeutenden Opfern, zeitweise auch durch Heranziehung von Arbeitsleuten aus fremden Ländern jene Neuerungen in die österreichischen Länder einzuführen bemüht war, die diesen den Wettbewerb mit dem Auslande und die Verdrängung der ausländischen Waren ermöglichen sollten.

Zunächst und schon bei ihrer Errichtung geschah dies insbesondere bei der Färberei, später bei dem Appreturverfahren, im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts bei dem Glänzungsverfahren 782 nach englischem Muster, ferner bei der Berylldruckerei und vom Beginn des 19. Jahrhunderts an bei dem Ätzdruck und bei der Warenstrockung,' zuletzt namentlich bei der Erzeugung der Merinowaren und den verschiedenen Arten der Herstellung von Teppichen.

781 Brief an Hofrat Degelmann vom 25. Februar 1773: ... Ich kann im Vertrauen nicht sagen, wie schmerzhaft es einen Director fallen muß, dem sein Dienst-Eifer das Werk als das seinige ansehen läßt, jedem fremden Menschen alle Fabriks-Geheimnisse, die mir so viele schlaflose Nächte machen, zu zeigen, damit es bei andern Fabriken zum Schaden der kaiserl., die doch so viele Last, wovon die andern nichts wissen, tragen muß, eingeführt kann werden, zu geschweigen der großen Geldsummen, die darauf verwendet worden. Auf diese Art kann die Fabrik niemalen einen Vorzug erhalten, zudem ist dieser ein fremder, heut da, morgen dort. Die Wässerung, der Glanz und noch andere Vorteile sind allhier Engelland ausgenommen, besser als in ganz Europa, und diese Geheimnisse müssen jederman preisgegeben werden. Doch was ist zu tun, man will es, und ich werde pflichtschuldigst gehorchen." Sogar die Reise von Wien nach Linz mußte dem Fremden aus Fabriksgeldern vergütet werden. (H. K. A. Komm. N.-Öst. 88. Fasz. 1775-1811. Korrespondenzen.)

782 Als Glanzwaren sind namentlich Konzent und Tamis viel gesucht worden.

Dabei stand die Linzer Fabrik auch ihrem Umfange nach bis zu den großen Einschränkungen des Betriebes, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfolgten, obwohl ihrer Ausdehnung grundsätzlich Schranken gezogen wurden, unbedingt weitaus an erster Stelle. Nach einer Schätzung Sorgenthals standen im Jahre 1771 ungefähr 4000 Webstühle für Wollwaren, die der Linzer Fabrik ungerechnet, im Betriebe, einige Jahre später verfügte diese allein über mehr als 2000 Webstühle und als, nach einer Schätzung des Jahres 1802, bereits über 8000 solche Webstühle im Betriebe standen, erzeugten, wie Sorgenthal berichtete,783 die einzelnen mit der Linzer Fabrik konkurrierenden Fabriken nur den vierten oder sechsten Teil der von der Staatsanstalt hergestellten Woll

waren.

Wenn Kaiserin Maria Theresia schon im Jahre 1762,78+ also wenige Jahre nach der Übernahme der Linzer Fabrik in die staatliche Verwaltung, Hofkammer und Kommerzienrat zu erwägen beauftragt hatte, ob es nicht für das Ärar vorteilhafter wäre, die ärarischen Fabriken Privaten zu überlassen, so kann es wohl keinem berechtigten Zweifel unterliegen, daß die Linzer Fabrik durch die sowohl technisch als auch finanziell hervorragende Entwicklung in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts die Beibehaltung des staatlichen Betriebes, der der Fabrik eine wichtige Rolle in der österreichischen Staats- und Volkswirtschaft zuwies, als wohl begründet erscheinen läßt.

Der doppelten Aufgabe, sich selbst eine ertragreiche und fortschreitende Entwicklung zu sichern und daneben die private Textilindustrie in Österreich zu verbessern und auszubreiten, konnte die Fabrik natürlich auf die Dauer nicht entsprechen.

Es war jedoch nicht unmittelbar die wachsende Koukurrenz der privaten Industrie, die ihrer Mutteranstalt den Untergang bereitete, sondern in erster Linie die langjährigen, friedliche Arbeit hemmenden Kriegsstürme der Jahrhundertwende und sodann in deren Gefolge in noch viel höherem

783 H. K. A. Cam. 34. 1802. Juni 152.

784 Handschreiben vom 21. Mai 1762. (H. K. A. Komm. N.-Öst. 88. 1762.)

Maße die finanzielle Krise des Staates mit ihren lange nachwirkenden verderblichen Folgen für Industrie und Handel, die ihr Schicksal entschieden. Die großen Kriegslasten des Staates hemmten überdies die Fabrik nicht nur unmittelbar in ihrem Betrieb und Handel und somit ihrer Entwicklung, sie hatten vielmehr auch noch die weitere ungünstige Wirkung, daß diese immer mehr als Ertrasobjekt des Staates betrachtet wurde und daß damit ihre eigenartige Stellung im staatlichen Organismus immer weniger beachtet wurde.

Mußte die Fabrik ihre größeren Einnahmen dem Staate zur Verfügung stellen, so daß es ihr oftmals kaum möglich. war, den Betrieb fortzuführen,785 so wurde sie dadurch gehindert, zweck- und zeitgemäße Investitionen vorzunehmen. Dazu kam, daß namentlich infolge ungünstigerer Bilanzergebnisse und der Furcht vor finanziellen Verlusten ihr Weiterbestand oftmals in Frage gestellt war und daß die Jahrzehnte hindurch währende Unsicherheit ihrer Zukunft nicht nur ihre Ausgestaltung hemmte, sondern daß auch durch fortgesetzte Einschränkungen des Betriebes, mit denen die der Regie nicht Schritt zu halten vermochten, ihre Absatzgebiete durch die Verhältnisse der Warenpreisberechnung eingeengt wurden.

Was nach den oftmals geäußerten Ansichten der Leiter des staatlichen Unternehmens dessen Konkurrenz mit privaten Betrieben und dessen Entfaltung am meisten erschwerte, war jedoch neben den verhältnismäßig großen Verwaltungsauslagen, zu denen auch noch die Pensions- und Provisionsbezüge kamen, die im wesentlichen bureaukratische Verwaltung mit einer bis in die kleinsten Details gehenden Beaufsichtigung seitens dem wirklichen Arbeitsbetriebe zumeist fernestehender, weder mit der Geschichte der Fabrik, noch mit deren Bestimmung vertrauter Organe, der Mangel an Bewegungsfreiheit und eine minutiöse, oft geradezu spitzfindige Kontrolle mit einer kameralistischen, wie die Hofkammer selbst erklärte, höchst verwickelten Rechnungsmanipulation,

785 Die Hofkammer mußte der Fabrik ausdrücklich verbieten, gegen Verpfändung von Waren Betriebsgelder aufzunehmen.

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