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Größeres Aufsehen als irgend ein poetisches Werk in diesen lezten Jahren macht Niccolini's Arnaldo da Brescia, das religiöse und politische Wirken dieses Schülers Abälards und Wiederherstellers der römischen Republik. Eine historische Tragödie im großartigsten Styl und Shakspearscher Anlage: Italiens Kampf ge= gen den Barbarossa, der Papftgewalt Kampf gegen die Kaisergewalt, der Kampf des demokratischen Prinzips im Christenthum gegen die Despotie der Kirchenverfassung. Die Gesinnung streng antigibellinisch nicht nur, sondern entschieden antiguelfisch, wenn man nämlich Guelfen und Papstthum für gleichbedeutend hält. Chöre treten auf, nicht wie bei Manzoni eingewebte ly= rische Gesänge (mit einer einzigen Ausnahme), sondern Chöre nach der alten Art und selbst in großartigeren Massen und Formen: Italien gegen Teutschland, das Volk gegen den Clerus. Die Diction poetisch, die Sprache energischer als irgend etwas, dem ich begegnet wäre auf der italienischen Bühne.

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Die besondere Bedeutung dieses Werkes wird ein näheres Eingehn in dasselbe wol rechtfertigen. Das Historische darf ich als bekannt vorausseßen *) und führe nur an, daß Arnold, gegen das Jahr 1100 zu Brescia

Sieno quei dì che sopravivi al regno.
Se nei tesori del furore eterno

Sono altre pene che obliate io m'abbia,
Io tutte a te l'impreco!

Moro.

Impreca. Io regno.

*) Röm. Briefe Bd. I. S. 219.

geboren, jung in den geistlichen Stand trat und die niederen Weihen erhielt, worauf er nach Frankreich in Abälards Schule ging, die damals von vielen wißbegierigen jungen Männern besucht ward. In die Heimat zurückgekehrt, stellte er sich an die Spige der Opposizion, welche das unkirchliche Leben der Geistlichkeit, namentlich der höhern, auch nach den durch den strengen siebenten Gregor eingeführten Reformen, und die Vereinigung der geistlichen Gewalt mit der weltlichen hervorriefen. Auf dem Lateranischen Concil 1139 wegen schlimmen Schisma's angeklagt und aus Brescia vertrieben, ging er wieder nach Frankreich zu seinem alten Lehrer, der damals vor dem Concil zu Sens seine eignen Meinungen zu vertheidigen hatte, was ihm nicht gelang. Darauf vernahm man, Jahre lang, nichts von Arnold, der mit Abälard verurtheilt worden, bis wir ihn plöglich in Rom selbst wiederfinden, im Hauptlager der Macht, gegen die er so lange kämpfte, wo er, als Kaiser und Papst sich vertrugen, auf dem Holzstoß endete, während sein Wirken lange noch nachhaltige Spuren auf dem Capitol_zurückließ.

Mit der Papstwahl Hadrians IV. (Nicolaus Breakspear, vormals Mönch in St. Albans) beginnt das Drama. Römisches Volk ist auf einem Plaze nicht ferne vom Capitol versammelt, während die Cardinäle im Conclave find. Die Zwietracht, die immer waltet, theilt auch hier die Gemüther, wo Zusammenhalten Noth thäte. Die eine Partei führt ein Pierleone an, aus dem Geschlechte jüdischen Ursprungs, welchem Anaclet angehörte, der Innocenz II. als Gegenpapst gegenüberstand; er selbst im Bann der Kirche, Patrizier der Stadt, und den Sagungen

Arnolds hold; die andere ein Frangipani, Präfekt von Rom und im päpstlichen Interesse. In den Reden des Erstern sprechen sich die reformatorischen Ansichten aus: es ist die Schilderung der steigenden Macht der Kirche seit Hildebrands Zeit, ihres Eingreifens in die althergebrachten Rechte des Volkes, und wie die Kreuzzüge, die sie angefacht, ihrem Interesse genugt, und wie es endlich einer heiligen Stimme gelungen, Rom aus seinem Todesschlaf zu wecken. Von diesem Giordano Pierleone geführt, eilt nun der größere Theil des Volkes nach dem Capitolsplag, wo Arnold auftritt, die Politik des Papstthums und den Zustand des Clerus darstellt und, indem er die Erinnerung an die alte Majestät und Heiligkeit des Ortes weckt, die Wiederherstellung der alten Formen der Republik als einziges Mittel bezeichnet, Rom zu heben aus seinem Verfall, und den Rath gibt, der Kirche zu nehmen Szepter, Schwert und Reichthümer. Da ziehn, vom Frangipani geleitet, die Cardinäle heran, an ihrer Spize Guido, Cardinal von Sta. Pudenziana, dem Volke die Erwählung des Cardinals von Albano zu verkünden. Fast allgemein ist bei dieser Nachricht die Misstimmung der Menge; im Tumult, der entsteht, wird dem Stadtpräfekten das Schwert zerbrochen. Aber nachdem die Kirchenfürsten, der Verwirrung ausweichend, sich entfernt und Kunde gekommen, wie der Hohenstaufe heranziehe, wie die Lombardei uneinig dastehe, halb gegen den Kaiser, halb für ihn gerüstet, wie das widerspenstige Tortona zerstört worden von Grund aus: da beginnt schon Zagen einen Theil der Menge zu ergreifen und ängstlich reden sie von der Schwäche der Mauern und dem Mangel an Waffen, bis Schaaren von Schweizerbürgern aus

Zürich, die Arnold, der einst unter ihnen weilte und lehrte, gefolgt sind, dem Volke sich zugesellen und im Vereine mit ihm die Stadt gegen den Feind zu schüßen sich ge= trauen. So schließt der erste Akt, indem, von der Menge umgeben, Arnold den Hymnus auf den heiligen Geist anstimmt.

Der zweite Akt führt uns nach dem Vatican, wo wir den neugewählten Papst Hadrian im Zwiegespräch mit Guido finden, dem heftigsten der Cardinäle, der gleich zu den Waffen greifen möchte, um Arnold und sein Werk und seinen Anhang zu vertilgen. Der Papst aber ist nicht geneigt, sogleich zum Aeußersten zu schreiten. Er will zuerst den Weg der Ueberredung versuchen: er ermißt die Schwierigkeit seiner Stellung dem römischen Volke gegenüber in seiner doppelten Eigenschaft als Papst und als Ausländer. Ihm flößt des Reformators politisches Wirken wenig Besorgniß ein: die alten Namen, die er erneut in der leeren Stadt, werden länger nicht leben als die Blumen, welche zwischen ihren Trümmern sproffen. Aber gefährlicher ist seine kirchliche Lehre, die aller Habe entkleiden möchte den Clerus: eine Lehre, die Herrschern wie Volk zu gut nur gefällt, weil sie sich bereichern möchten mit dem Raube und heilig nennen würden die Kirche an dem Tage, wo sie nackt da stände. Hadrian weiß, welche Kraft und Macht in Arnold liegt: er weiß, wie einst der h. Bernhard, der schärffte Widersacher der Abälardschen Doctrinen, auf ihn gehofft, und verzweifelt noch nicht, daß er zurückkehren könne in der Kirche Schoos und ein Löwe Gottes werden. Widerstrebend nur fügt fich Guido, der den Papst an die Concilbeschlüsse mahnt und gedemüthigt wird durch das strenge Wort des Statt

halters Christi. Ein Bote Hadrians wird abgesandt an Arnold, den er in Giordano's Burg findet, wo er mit dem Pierleone die bevorstehende Prüfung Noms bespricht, beim Nahen des Barbarossa: er selbst in religiösem und politischem Enthusiasmus vertrauender als der Freund, welcher des Volkes Wankelmuth kennt und fürchtet. Arnold, dem Sicherheit zugesagt, geht zum Papste. In der Unterredung, die er mit diesem hat, liegt der endliche Wendepunkt seines Schicksals: nach vergeblichem Versuch, ihn zur Sinnesänderung zu bewegen, tritt Hadrian dem Widerstrebenden mit der ganzen Entschiedenheit der Ueberzeugung von seinem Beruf und seiner Pflicht als Haupt der Christenheit entgegen, mit der ganzen Schroffheit des theokratischen Absolutismus; noch einmal fordert er ihn auf, seines Lehrers Beispiel nachzukommen, zu bereuen, und zu glauben und zu hoffen, was seinem Verstande nicht klar sei, und die Kirche nicht mehr zu bedrängen durch seine Irrthümer, nicht mehr die blinde Menge aufzureizen zum größten Naube, nicht mehr die Braut Gottes arm machen zu wollen und verhöhnt, eine Bettlerin und Magd. Und als Arnold blos erwidert: er bleibe Rom treu und Gott; Strafen könnten ihn nicht schrecken, denn das Kreuz habe gesiegt, entläßt ihn der Papst. Die Zeit des Zögerns und der Schonung ist vorüber. Die Cardinäle werden gerufen: sie kommen und wollen Hadrian zum Lateran führen denn die Krönung ist anberaumter aber weigert's: ein Sklave dürfe nicht ge= krönt werden. Nicht er herrsche in Rom, sondern der Kezer von Brescia, Erst müsse das Capitol, das die Häresie eingenommen, Christ wiedergegeben werden. Dem Cardinal Guido übergibt er das Kreuz, vor den Schaaren

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