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sien, in denen das satirische Element freilich ungleich schwächer ist als das rein-komische. Bewunderung bei den Wenigen, die sie kennen gelernt, haben in Toscana die Dichtungen eines Ungenannten aus Prato erregt. In ihnen ist die Beobachtungsgabe eben so scharf, der Wig so treffend, die Schilderung so wahr, wie die Sprache conzis und prägnant, und der Gedanke nicht selten zum Hochpoeti= schen sich erhebend, wodurch die Satire wie eine gewaltig geschwungene Geisel, wie ein Gericht von oben erscheint. Der politische Charakter mancher dieser Gedichte und die Erbarmungslosigkeit, womit andere in wahrhaft großarti= ger Entrüstung Lächerlichkeiten weniger als Verkehrtheit und Gemeinheit angreifen, dürfte noch auf lange vielleicht ihrer Bekanntwerdung Hindernisse in den Weg legen.

Blicken wir nun zurück auf die Erscheinungen, welche die lyrische und erzählende Dichtung darbietet, und vergleichen wir deren gegenwärtigen Zustand mit dem, in welchem das vorige Jahrhundert sie uns ließ, so können wir ihr nur Glück wünschen zu dem Wege, den sie eingeschlagen. Denn sind auch manche ältere wie neuere Auswüchse noch da, so ist doch die italienische Poesie nicht mehr wie damals einem Walde parasitischen Unkrauts zu vergleichen, welches um die Wurzeln eines mächtigen, durch die Jahre gestürzten Baumes wuchert. Der Zustand des Landes, so viel auch noch im Argen liegt, hat sich unterdessen vielfach und wesentlich gebessert, in materiellem Bezuge wie in geistigem. Und es ist Aussicht vorhanden, daß der Fortschritt ein gleicher, wenn nicht ein rascherer sein wird. Viele Institutionen sind vervollkommnet worden. Der Frieden hat die Beziehungen zu andern Ländern gemehrt und ihre Wirkungen erhöht: der Ideen=

austausch ist nie so rasch und lebendig und fruchtbringend gewesen. Der Volksunterricht ist, namentlich im obern Italien, Gegenstand unendlich gesteigerter Sorgfalt geworden. Die ungünstigen Verhältnisse der Literaten find in billige Berücksichtigung genommen, und durch eine Vereinbarung mehrer Staaten, welche, unter Desterreichs Vorgang sich die Hand reichend, den Schuß des literarischen Eigenthums proclamirten eine Vereinbarung, von wel cher, leider! die Hälfte der Regierungen sich noch ferne hält *) vielfach gebessert worden. Auch auf andere Dinge wird, man darf es hoffen, das Beispiel einer solchen, in Italien seltenen, Vereinbarung wohlthätig wirken. Handel und Industrie endlich sind weit freier und ungehinderter als ehedem, und die Reduzirung des zu ausgedehnten Landbesiges auf mäßigern Umfang, ohne jedoch der Zwergwirthschaft Raum zu geben, womit man freilich auch schon bedroht zu werden beginnt, hat den Wohlstand im Ganzen und damit die Tüchtigkeit der Gesinnung gefördert. Unter solchen Umständen kann es der Literatur nicht an erfreulichen Aussichten fehlen.

*) Nämlich Neapel, Parma, Modena und Lucca, die den Nachdruck gestatten.

Siebzehnter Brief.

Die neuere poetische Literatur.

II. Das Drama. 1

Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts sagte Muratori, der Kranz der tragischen Muse harre noch eines würdigen Hauptes. Denn die Merope des Scipione Maffei (1713) ward zwar viel bewundert und hatte schon zu Lebzeiten des Verfassers zwanzig Auflagen erlebt, war aber ohne Nachwirkung geblieben. Da stand Vittorio Alfieri auf, und ihm ward der Kranz. Manche Umwälzung im Geschmack ist seitdem vorgegangen: Italien hat, politisch wie literarisch, manche Fasen erlebt, manche Stürme durchgemacht: das Ausland hat wiederholt Ansprüche geltend zu machen versucht; noch immer steht Alfieri da als der erste Meister der tragischen Kunst und Wenigen nur der Neuern ist es gelungen, sich frei zu machen von seinem Einflusse. Die Mängel dieses Dichters liegen so sehr auf der Hand, daß es kaum erforder= lich ist, an dieselben zu erinnern: die meist übergroße

Einfachheit seiner, nach dem knappsten antik - französischen Muster zugeschnittenen Pläne, das das gänzliche, oft affectirte Verzichten auf dichterischen Schmuck, bisweilen sogar eine angenommene Nauhheit der Sprache, eine Monotonie, die bei der strengen Beschränkung auf das blos zur dramatischen Entwickelung Gehörige, bei der Aehnlichkeit mancher Stoffe, bei der Ausschließung des lyrischen Elements unvermeidlich war und durch das Declamatorische, das sich nur zu sehr ins italienische Drama einschleicht, noch erhöht ward. Wenn er dennoch eine so immense Wirkung machte, wenn eine Reform der Bühne von ihm ausging und auch in unsern Tagen seine Tragödien den eigentlichen Fonds des Repertoirs bilden, so spricht dies für das Ueberwiegen seiner Vorzüge: die immer dramatische Handlung, die feste, bisweilen freilich etwas ungelenke Zeichnung der Charaktere, das Ergreifende der tragischen Situazionen, den Ernst und die Angemessenheit der zwar starren, unmusikalischen und selbst steifleinenen, aber edeln und männlichen Diction. AIFieri's talentvollster Nachfolger ist Monti. Der Aristodemo ist, der Fremdartigkeit des Gegenstandes und der Sitten ungeachtet, vielleicht die ergreifendste Tragödie des neuern Italiens, diejenige, in welcher, bei Befolgung der aristotelischen Regeln, die größte Wärme, der meiste Schwung, die wahrste Wiedergebung echt menschlichen Gefühls zu finden sind. Die Vaterliebe und die Neue sind hier mit der tiefsten Kenntniß des Herzens geschildert. Ueber dem Haupte des unseligen Königs, der, wie Jefta, die Tochter geopfert, schwebt vom Beginne an die unvermeidliche göttliche Ahndung, die allmälig sich niedersenkt und ihn erreicht und ihn zu Boden wirft. Mit

größerer Kunst als bei Alfieri, beginnt gleich in den ersten Szenen die Verwicklung, während die großartig schöne Sprache weniger von jener declamatorischen Emfase hat. Caio Gracco ist mannigfaltiger und belebter, aber weniger vollendet, kunstreich und fest in der Durchführung der Charaktere. Schwächer ist der Versuch, den er im Galeotto Manfredi machte, das Mittelalter auf die Bühne zu bringen, obgleich es auch diesem Werke an großen Schönheiten nicht fehlt. Ich muß hier einem Irrthum begegnen, den ich nicht selten aussprechen gehört habe: als wäre nämlich das Behandeln nazionaler historischer Süjets erst in unserer Zeit aufgekommen. Nur die geringe Beachtung, die das italienische Schauspiel vor Alfieri gefunden hat — eine Vernachlässigung, die man im Grunde Niemanden übelnehmen kann, der nicht Luft hat, literärhistorische Forschungen anzustellen konnte eine solche Meinung aufkommen lassen. Schon zu Papst Leo's X. Zeiten schrieb Giovanni Rucellai die Rosmunda. Foscolo, welcher, wie Monti, zwei antike Tragödien schrieb und eine moderne, Tieste, Aiace und Ricciarda, alle im Alfierischen Genre und ohne bezeichnende Eigenthümlichkeiten, kann daneben kaum in Betracht kommen, noch weniger aber Giovanni Pindemonte, der ältere Bruder Ippolito's, dessen zahlreichen Tragödien, worunter die Baccanali und Il salto di Leucade einen gewiffen Ruf behalten haben, Fantasie und Feuer nicht abgehn, wol aber künstlerische Vollendung der Form und Adel wie Angemessenheit der Sprache.

Wie in Lyrik und Roman, war es Alessandro Manzoni vorbehalten, auch im Drama einen neuen Weg einzuschlagen. Das Aufsehen, welches sein Conte

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