Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Vierundzwanzigster Brief.

Die Ueberschwemmung.

Vor einigen Tagen konnte man in einem Theile Noms in Nachen umherfahren. Während der vielen Jahre, die ich in Italien verlebt, habe ich nie so viel und so hefti= gen Regen gesehn, wie seit Mitte Augusts vorigen Jahres. Gewitter folgte auf Gewitter, Hagelschlag auf Hagelschlag; an manchen Orten wurde die Traubenernte völlig zerstört, Nom wurde seiner beiden schönen historischen Bäume, der Colonna'schen Pinie und der Tasso's= Eiche, beraubt, die Borghesische Villa mehrer ihrer ragendsten Pinien, die Allee von Grottaferrata verschiedener ihrer riesigen Platanen; oft war wochenlang der Boden ganz aufgeweicht. Fremde wunderten sich allgemein über den unitalienischen Sommer. Im Herbste währte es fort: man mußte im October, der hier meist so schön, mit einer gewissen Haft die guten Tage benußen, wenn man Excursionen zu machen wünschte. Auch der Winter ist sehr regnicht. Die weichen südlichen Winde herrschen vor und füllen die Luft mit Feuchtigkeit; bisweilen machen

fie der Tramontana Plaz, die dann oft in wenigen Stun den die Straßen fegt und wieder gangbar macht. Die entferntere Kette der Sabinerberge und was, nach den Abruzzen sich erstreckend, hinter ihnen liegt, sind wie gewöhnlich mit Schnee bedeckt, und wenn es recht blauer, heiterer Himmel ist, machen ihre schimmernden, zackigen Spigen die schönste Wirkung, um so mehr, wenn man sie, wozu Roms Localität die günstigsten Punkte bietet, von einem hochgelegenen Orte aus sieht, wo das überwinternde Grün der Pinie, der Cypresse, der Steineiche, des Lorberbaums den herrlichsten Rahmen bildet, und die leuchtende Sonne, die milde Luft, der frische Rasen den Gedanken an den Winter ferne halten. Die ferne Linie schneeiger Spigen bildet dann den überraschendsten Contrast. Die Höhe des Walls des Servius Tullius in der von Sixtus V. vor seinem Papstthum angelegten Villa Negroni bei den Diokletianischen Thermen, die Bogen der Wasserleitung in der Villa der Fürstin Wolkonski beim Lateran, der künstliche, laubbedeckte Hügel in der Villa Medici auf dem Pincio gehören zur Reihe solcher Orte, an denen Rom reicher ist denn irgend eine andre Stadt. Einigemale war auch der Soracte mit Schnee bedeckt, die vordere, der Campagna zugewandte Kette der Sabi ner-, Aequer- und Hernikerberge, selbst die Albanerhügel, und noch jezt schimmert das sogenannte Hannibalsfeld unter dem Monte Cavo in seiner weißen Bekleidung. In der Ebne fiel einmal Schnee, in der ersten Januarwoche; er lag Morgens früh in bedeutender Menge, mußte aber bald der Sonne weichen. Doch ich will Ihnen von der Ueberschwemmung schreiben, die wir in den legten Tagen erlebten. Nachdem der Februar mit mildem,

sonnigem Wetter begonnen, traten plöglich die heftigsten Südstürme ein mit wahrhaft tobender Gewalt: wie gewöhnlich war der Himmel bald mit schweren Wolkenmassen bedeckt, und am 4. und 5. regnete es beinahe unaufhörlich; es glich einer Reihe von Wolkenbrüchen. Am 6. früh waren die Albanerhügel bis tief in die Campagna herab in Schnee gehüllt; es regnete immer noch, wenn auch minder heftig, und gegen Abend trat die Tiber aus. In der Nacht und am nächsten Morgen standen die niedrigeren Theile der Stadt, die dem Fluß zunächst liegenden Straßen und Pläge des Rione Ripa, wo der Aventin hart ans Ufer tritt, die Gegend des Velabrum, von Alters her morastigen Andenkens, das Judenviertel und dessen Umgebungen, die Straßen vom Orso und von Tordinona, die nach der Engelsbrücke führen, die Ripetta, der Pantheonsplag, der Play von S. Lorenzo in Lucina unter Wasser, ja die Ueberschwemmung hatte den Corso erreicht, von dem ein gutes Stück überflutet war, und die jenseits desselben nach dem spanischen Plaz und der Propaganda führenden Straßen.

Es war ein schöner, aber erschreckender Anblick, den angeschwollenen Fluß in so ungewöhnlicher Höhe und Breite seine gelben schlammigen Wogen mit solcher reiBenden Schnelligkeit dahintreiben zu sehen; die Bogen der Engelsbrücke waren nicht mehr geräumig genug, und das Wasser strömte nebenhin und deckte die Brücke und den Fuß der Pilaster, auf denen die Berninischen Statuen stehn, deren verzerrte Stellungen und in Unordnung gerathene Gewänder vortrefflich zu der momentanen Situa= tion paßten, wo die Fluten sie bedrohten. Das Pantheon, wie es auch bei geringeren Ueberschwemmungen

der tiefen Lage wegen zu geschehn pflegt, war mit Wasser gefüllt; von der Sacristei aus gesehn glich es einer Naumachie. In den Wohnungen war großentheils die Hälfte der Höhe des Erdgeschosses unter Wasser gesezt, so daß es in sehr vielen den geängstigten Bewohnern durchaus nicht mehr möglich war, auszugehen oder irgendwie ihre Geschäfte zu besorgen. Aus den vielen Buden und den Parterrezimmern hatte man Hausgeräth und Waaren in die obern Räume retten müssen. Am schlimmsten soll die Verwirrung im Ghetto gewesen sein, wo die Beschränktheit des Raumes und die Ueberfüllung mit Menschen und Sachen das Uebel und die Unbequemlichkeit größer machten denn anderswo, abgesehen davon, daß in dieser Niederung, wo das Ufer beinahe ganz flach, der Strom durch die Insel, die man jest nach dem h. Bartolomäus benennt, gehemmt ist und die Wohnungen zum Theil dicht am Wasser stehn, die Ueberschwemmung am höch ften stieg. Man kann sich dies leicht denken, wenn man, am Thore des Ghetto an der Brücke Quattro Capi stehend, die Straßen abwärts sich senken sieht. An vielen Stellen, wo die Straßen noch frei waren, füllte das Wasser schon die Keller; die Kloaken, statt das Regenwasser abzuleiten, ergossen das vom Flusse in sie eindringende. So war es in der Stadt beschaffen; in der Umgebung aber war die Noth beinahe gleich groß. Von einem hohen Punkte aus, vom Capitol zum Beispiel, konnte man die Verwüstung überschauen. Vom Ponte Molle an war Alles überschwemmt; das Wasser deckte einen großen Theil der von der Porta del Popolo aus nach dem Norden führenden Straße, die Gärten zwischen dieser und dem Flusse, die Gärten und Wiesen jenseit

desselben bis zum Abhang des Monte Mario, sodann nach Westen die ganze Umgebung der Engelsburg, die der Straße von Ostia, die Wiesen bei S. Paul und die Gegend nach der Magliana hin. Ueberall Seen, von einzelnen höher liegenden Wiesenstreifen unterbrochen. Des in den nördlichern Strichen angerichteten Unheils will ich gar nicht gedenken; Holz, Hausgeräthe, Fragmente aller Art, die der Strom mit sich trieb, zeigten zur Genüge, wie schlimm es gegen Umbrien und die Sabina zu aussah. Die Gewässer des Anio, der oberhalb der Milvischen Brücke in die Tiber fließt, wurden förmlich zurückgedrängt; die Niederungen bei der Salarischen und der Nomentanischen Brücke waren alle überschwemmt und die erstere dieser Brücken soll durch das Waffer be= deutend beschädigt worden sein. Die Couriere konnten auf dem gewöhnlichen Wege nicht anlangen; der von Norden über Fuligno kommende blieb am 6. und 7. aus; der florentinische kam, nach bedeutendem Zeitverlust und nach Ueberwindung vieler Hindernisse, über den Monte Mario in Rom an.

Wie groß in dem, ganz unter Wasser stehenden Theil der Stadt Verlegenheit und Noth waren, kann man sich denken. An vielen Orten war alle Communication, aller Verkehr abgeschnitten: war doch ein großer Theil von Ripetta in einen reißenden Strom verwandelt! Um nach dem Theater von Lordinona, dem großen Operntheater, welches in der Nähe der Engelsbrücke liegt, gelangen zu können, machte man am 6. eine Vorrichtung mittelst einer Art Brücke; am 7. aber waren die untern Räume und das dort befindliche Festlocal des Principe Torlonia (des Eigenthümers des Hauses) unter Wasser gesezt, und

« ZurückWeiter »