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Trier für Gallien, Cöln für Italien, die weltlichen Kurfürsten im eigenen Namen. Bei dieser Gelegenheit wird der Thaten deutscher Kaiser von Karl d. Gr. bis Marimilian gedacht. Weiter geht der Redner darauf über von den deutschen Städten eine hervorzuheben, die vor andern des Preises würdig sei, seine Vaterstadt Nürnberg.

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,,Nürnberg der bedeutendste Stapelplatz deutschen Handels, eine freie und edle Stadt, geschmückt mit großartigen Werken, öffentlichen sowohl als privaten; dort sieht man wunderbare Häuser und stolze Paläste, saubere Straßen, kunstvolle Springbrunnen und gewaltige, schönverzierte Kirchen." Und was für Männer hat Nürnberg hervorgebracht? Von vielen sind zu nennen: Erasmus Dopler, Sirtus, Antonius und Andreas Tucher, Wilibald Pirkheimer, vor Allen: Albrecht Dürer. Lezterer war vor Kurzem in Italien. Da nannten ihn die Künstler von Venedig und Bologna Apelles und mit Recht, denn es ist eine wahre Anecdote, daß Dürers Hund, das selbstgemalte Portrait des Herren sehend, vor Freude bellte und an der Staffelei emporsprang, die Hände zu lecken. Wie ich nun, sagt der Redner, von den deutschen Städten eine ausgezeichnet und eingehender geschildert habe, will ich auch von den deutschen Fürstenhäusen eines herausgreifen und seiner Verdienste gemäß preisen. Es sind die angestammten Herren unseres neuen Rectors welche ich mir hierzu ausersehen habe: die Herzoge zu Sachsen. Nach kurzem Rückblick auf die Geschichte der Wettiner ertönt das Lob Kurfürst Friedrichs des Weisen. Er hat vor Kurzem die Universität Wittenberg als ein Asyl wahrer Gelehrsamkeit gestiftet, den elenden Ort in eine Marmorstadt verwandelt, eine herrliche Stiftskirche erbaut, für sie große Privilegien erlangt

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und eine Menge Reliquien

darunter den Daumen

der heiligen Anna von Rhodus —— angeschafft. Gerecht ist Friedrich und ein Freund der Gelehrten. Er liebt die Musik und versteht es sogar schnell zu lesen und in ungebundener Rede elegant zu dictiren. Doch was ihn besonders ziert und was man bisher bloß von August und Tiber gehört hat, er schreibt selbst eine so schöne Hand, daß es ihm kein Kunstschreiber gleichthun kann.

Wir erlaßen Scheurt das Resumée über den Inhalt der Rede, welches er in üblicher Weise den Hörern vorträgt und befragen uns nach dem Eindruck, den er auf uns gemacht hat? Ich denke sowohl was wir gehört muß uns ergreifen, als daß wir es gehört. Diese Rede voll glühenden Patriotismus auf welchem Boden vor einer Versammlung von Literaten aus allen Ländern Europas gehalten, ist ein gewaltiger Markstein für den, welcher die Gränze der alten und neuen Zeit sucht. Wenige Jahre früher wäre es keinem Deutschen eingefallen derartiges zu denken, vielweniger zu sprechen; ja wenn er selbst das Gefühl von alle dem gehabt hätte, was Scheurt sagt, er wäre nicht im Stande gewesen, das selbe sich zu klarem Bewußtsein zu bringen, da es nicht in das traditionelle Denksystem paßte und in diesem keinen Ausdruck fand.

Wie eine Vorahnung klingt es, daß Scheurl zum Schluß seiner Rede auf Wittenberg hinweist, welches allerdings dazu bestimmt war, das gewaltige Vermögen deutschen Geistes der erstaunten Welt zuerst zu zeigen. Nun hatte zwar hatte zwar unser Scheurt einen besonderen. Grund Wittenberg zu erwähnen, denn er war zur Zeit als er die Rede hielt schon dorthin als Professor des

Rechts berufen. Aber es ist gewiß keine historische Zufälligkeit, daß der deutschgesinnte und klassisch gebildete Mann Jahrelang mit dem damals noch jungen und eindrucksfähigen Luther zusammenwirkte, und in engem persönlichen Verkehr stand, ebensowenig wie es eine historische Zufälligkeit ist, daß Staupit welchen Luther selbst den Vater seiner Lehre nennt, mit der Bebel'schen Schule in Tübingen in Verbindung gestanden und Philipp Melanthon, der Lehrer Deutschlands, ebendort seine Bildung empfangen hatte.

Gerne möchte ich, wenn nicht Zeit und Gegenstand es anders verlangten, noch etwas bei Christoph Scheurl verweilen und erzählen, wie er in Wittenberg kräftig und patriotisch wirkte; wie er dann in seine Vaterstadt zurückgekehrt nach der Wahl Carls V. zum Deutschen Kaiser als Nürnberger Gesandter einen abenteuervollen Ritt nach Spanien unternahm und dort wieder Gelegenheit hatte dem glänzenden Hof der Spanischen Monarchie mit eben so begeisterten als eleganten Worten das Lob Deutschands zu verkünden; wie er ferner, anfangs ein unbedingter Verehrer Luthers, gleich vielen anderen Juristen bei gewissen Fragen bedenklich wurde und stehen. blieb, ja gegen den früheren Freund so mißgestimmt sich zeigte, daß er die von Kranach gemalten Bilder Luthers und seiner Gattin aus dem Wohnzimmer in den Vorsaal hängte. Nichtsdestoweniger bleibt er eine interessante that- und charakterkräftige Erscheinung. Dem milden Melanthon war er selbst noch in späterer Zeit zugeneigt. Waren sie auch in religiösen Dingen nicht einig, so verband sie doch die Liebe zum Deutschen Vaterland und die Begeisterung für den hohen geistigen Aufschwung, welche ihre Nation genommen hatte. Nicht in einer

Wissenschaft, in allen trat derselbe epochemachend her

vor.

Das was den deutschen Geist auszeichnet ist mehr das Gemüth, als der scharfe trennende Verstand. Aber eben jenes Gemüth gebiert das treue und aufopfernde Hingeben an die Beobachtung. Der Deutsche vertieft sich in die Betrachtung dessen was in ihm und außer ihm liegt. Es genügt ihm nicht ein mit dem bloßen Verstand gefundenes Resultat, er will innerlich überzeugt sein, will begriffen haben. So ist denn zunächst sein Streben auf Erforschen der Wahrheit durch eigene Beobachtung gerichtet. Nur die Differenzen, welche sich häufig bei wiederholter Beobachtung ergeben, der Zwiespalt, welcher oft zwischen ewiger Wahrheit und dem, was zeitig als wahr erscheint, besteht, bringt ihn zur Kritik. Beobachtung und Kritik sind aber die starken Pfeiler an welchen die deutsche Wissenschaft seit dem sechszehnten Jahrhundert zu einer Höhe erwachsen ist, welche frühere Entwicklungsstufen weit überragt. Die unmittelbar vorhergehende Bildungsepoche der Romanischen Völker war getrieben durch das Streben nicht nach innerer Befriedigung, sondern nach äußerem Glanz. Daher blendete ihr der Glanz der Autorität die Augen, nahm sie der Glanz kunstfertiger Verstandsoperationen völlig gefangen. Die Afterweisheit welche so geboren wurde liegt vergraben in papierenen Bergen: Niemand sehnt sich nach ihr, Niemand vermißt sie. Wer hinsteigt zu der Gesellschaft von Würmern und Motten, die sie begierig durchwühlen, hat gewiß einen anderen Zweck als wahre Belehrung direkt aus ihr zu holen. Anderes dürfen wir erwarten. Welches Schicksal der deutschen Nation auch beschieden sein mag, das was ihre Wissenschaft an Erkenntniß der Wahrheit posi

tiv errungen hat, bleibt Gemeingut der Menschheit aller Zeiten: die deutsche Zunge wird gleich der Griechischen und Römischen so lang die Welt steht, nie verklingen.

Anmerkungen.

1) Comoedia de optima studio scholasticorum. Nebst der Oratio ad regem Maximilianum de laudibus atque amplitudine Germanie und anderen Schriften Bebels iu einer Quart-Ausgabe, welche auf der Rückseite des Titels unter einer poetischen Widmung an Mattheus Lang das Datum entsält: Ex Innspruck in vigilia pentecpstes. M. D. 1. Leider fehlen in dem Eremplar des seltenen Buchs, welches die Kgl. Biblioliothek in Königsberg besiß, die lezten Blätter. Die Comödie findet sich Sign. G. (iiijb) — Jiij.

2) De potestate summi pontificis et Romani imperatoris Lectio facta ab excellentissimo cesarei pontificij que iurium doctore. d. Petro Rauennate wittenburgensi Idibus Mai Anno a natali Christi. MDllI.; in: Sermones Extraordinarij et pulcherrimi.... Petri Rauennatis ltali etc. (Agrippine in litteratoria officina ingenuorum Liberorum Quentell. Anno natali Christiano supra sesqui millesimum septimo Idibus Februarijs [sig. Z. iiij. col. 3 i. f.]) Sign. M m j. col. 3 bis Sign. G n iij. Ein vollständiges Eremplar des citirten sehr seltenen Buchs besißt die Kgl. Bibliothek in Königsberg.

3) Die Nede findet sich in der oben Not. 1 erwähnten Ausgabe kleinerer Schriften Bebels Sign. a ij — c (V). Vollständiger Titel: Oratio De Lau. Germ. Oratio Henrici Bebelij Justingensis sueui. Ad Augustiss. atque sacratiss. Ro. regem Maximilianum de eius atque Germanie laudibus. Am Ende: Ex Innspruck MDI.

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