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der auch in Italien fühlbaren Frische des Novembermor gens herrscht reges und lebhaftes Treiben. Große Studentenhaufen schaaren sich gruppenweise: Deutsche, Engländer, Franzosen, Spanier, Polen, ja Dänen und Schweden sind an, ihrem Aeußeren und den hie und da mit dem lateinischen Jargon, welches gesprochen wird, vermischten Ausrufen ihrer Muttersprache erkennbar. ,,Eine Rede zum Lob Deutschlands, das ist brav und wacker" tönnte es aus den Trupps der Deutschen und stammverwandten Landsmannschaften; ,,eine Rede zum Lob Deutschlands, das ist unerhört und eine Beleidigung der anderen Nationen“, sprechen Italiener, Franzosen und andere Romanen.

Wir nähern uns dem Ort, wo die öffentlichen Bekanntmachungen der Hochschule publicirt werden. Ein solenner Anschlag verkündet, daß heute die feierliche Uebergabe der Insignien seiner Magistratur an den aus der deutschen Landsmannschaft gewählten neuen Rector stattfinde und daß diesen Act in hergebrachter Weise eine aus Auftrag des Rectors durch Christoph Scheuerl von Nürnberg zu haltende Rede einleiten werde.

Als Thema der Rede ist das Lob Deutschlands bezeichnet. Zur festgesetzten Stunde begeben wir uns in die Kirche des heil. Dominikus, wo Schulter an Schulter die Studentenwelt Bolognas, besonders aber die Angehörigen der deutschen Landsmannschaft dicht gedrängt stehen. Kaum finden wir einen Plaz, der uns den Blick auf den pompösen Zug der Würdenträger beider Corporationen in der damaligen Sprache Universitäten —, aus welchen die Hochschule zu Bologna bestand, freiläßt. Es sind nicht die Lehrer der Academie, welche hier als Repräsentante und Beamte der Universität auftreten:

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der alte wie neue Rector beider Corporationen, die Procuratoren oder Vorsteher der Landsmannschaften, alle übrigen Magistrate sind der Zahl der Studirenden entnommen. Wir sehen jugendliche Gesichter unter ihnen: Sprößlinge fürstlicher oder gräflicher Familien, die man vorzugsweise durch die Wahl zu Universitätsämtern zu ehren bemüht war, aber auch ältere gereifte Männer, welche Amt und Haus im Vaterland verlassen haben, um sich zu ihrer Erfahrung die Wissenschaft zu holen. So waren schon seit drei Jahrhunderten wißbegierige Männer und Jünglinge nach Bologna gezogen, denen es darum zu thun war die Lehren des Römischen Rechts, welches als angestammtes Recht der Kaiser des heil. Römischen Reichs deutscher Nation galt, aus dem Mund weltberühmter Docenten zu vernehmen. Das Erlernte verwerthete man später im Rath der heimischen Fürsten oder auf der Gerichtsbank, und so war es gekommen, daß von Bologna aus die Disciplin des Römischen Rechts das gesammte Europa, namentlich aber auch Deutschland, sich unterworfen hatte.

Wir lassen die Bischöfe und Prälaten, Herzoge, Fürsten und Grafen, Räthe und Ritter, welche bei uns vorbeizogen, zu Ruhe kommen und wenden unsere Aufmerksamkeit einem jungen hochgewachsenen Mann, klugaber treublickenden Auges und von feingeschnittenen Zügen. zu, welcher nach beendigtem Hochamt das im Chor der Kirche errichtete Katheder betritt. Es ist Christoph Scheurl, der Sohn eines Bürgers aus Nürnberg, der, obwohl er eben erst sein vierundzwanzigstes Lebensjahr vollendet hat, doch schon seit etwa neun Jahren die Rechtswissenschaft zu Bologna studirt und solches Vertrauen bei seinen Commilitionen genießt, daß er bereits zwei Jahre hinter

einander das Amt eines Syndicus beider Universitäten zu verwalten hatte 4).

Passend hebt der Redner im Eingang die große Bedeutung Bolognas für den gesammten Culturzustand Europas her vor. Bologna ist die Mutter des Rechts für alle Nationen. Das Recht aber ist Hüter und Schüßer des menschlichen Gemeinlebens:,,die wahre Philosophie". Daher ist es nicht wunderbar, daß ein so großer Zusammenfluß von Studirenden in Bologna stattfindet. Diese Menge bedarf eines Leiters und die Installirung des nenen Rectors ist Zweck der heutigen Versammlung. Die Heimath desselben ist Meißen, der Wohnsitz eines edlen deutschen Stammes. Es scheint daher passend, Einiges zum Lob Deutschlands zu reden.

Aus dem was nun folgt, erkennen wir, daß die uns bekannte Rede Bebels, und auch die zuerst 1496 ge= druckten,,Tischreden Peutingers von den wunderbaren Alterthümern Deutschlands" schon ihren Weg über die Alpen gefunden haben und daß unser Redner sie mehr, als es mit unseren heutigen Begriffen von literarischem Anstand vereinbar ist, ausbeutet. Für uns wird er erst interessant, als er die Bebel'schen und Peutinger'schen gelehrten Deductionen von der ehemaligen Größe Germaniens verlassend darauf übergeht, seinen Hörern ein schönes Bild von dem damaligen Deutschland zu zeichnen. Er knüpft an die Bebel'sche Etymologie des Namens Germanen“ die Ausführung, noch immer seien die Deutschen Brüder. Das zeige ihr gemeinsames Festhalten an alter eigenthümlicher Sitte, die Neigung zu geselligem und gastlichem Vergnügen, die häufige Vereinigung zu gemeinsamer Tafel, das Darreichen der rechten Hand beim Gruß, der Zusammenfluß des gesammten Volks in den

Gotteshäusern gleich einer großen Familie, die durchgehende Sitte, Knaben außerhalb des elterlichen Hauses bei befreundeten Familien erziehen zu lassen 2c. Das Alles sei Deutschthum und zugleich Bruderthum (germanitas).

Was das Land selbst betrifft, fährt Scheurl fort, so zeichnet es sich aus durch große Anmuth und Fruchtbarkeit, besonders wo Flüsse es durchströmen. Das Klima ist mild, der Boden fruchtbar. Sonnige Hügel wechseln mit grünen Halden und schattigen Hainen. Groß ist der Reichthum an Getreide, edler Wein wächst auf den Bergen. Ueberall offene Wasserstraßen mehren. Handel und Verkehr. Fremde finden gastfreie Aufnahme, Hülfsbedürftige Freundschaft. Und auch an Talenten und tüchtigen Männern besonders im Kriegswesen sind die Deutschen eben so reich, wie andere Nationen. Dazu birgt die Erde einen großen Schatz edler Metalle: Italien, Frankreich und Spanien beziehen dorther ihr Silber, auch Kupfer und Zinn. Salzquellen gibt es in Menge. Was aber die Hauptsache bleibt: Deutschland allein ohne fremde Hülfe ist im Stande so viel Reiter und Fußtruppen zu bewaffnen, daß es den übrigen Nationen zusammen die Stirn bieten kann.

Nachdem nun dieser Zustand mit der Beschreibung des Tacitus zusammengehalten und ausgesprochen worden ist, Deutschland habe alle günstige Veränderung dem Christenthum zu danken, erzählt Scheurl weiter:,,Deutsche Kaufleute, deutsche Studenten und Künstler finden sich durch die ganze Welt. Deshalb sagt mein berühmter Lehrer Philipp Beroaldes: die Kenntniß der deutschen Sprache halte er für Nichtdeutsche unentbehrlich, denn fie sei neben der Lateinischen unter allen Sprachen die

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verbreitetste und daher für Kaufleute wie Reisende überhaupt weitaus die nüßlichste. Die kernige Sprache wird gesprochen von einem körperlich tüchtigen Volk, das von früher Jugend auf zum Krieg und andern Strapaķen abgehärtet ist. Das zeigt sich schon in der äußeren Erscheinung. Die Kleidung der Deutschen ist nicht lang und faltenreich wie die der Italiener, nicht bauschig und aufgebläht wie die der Franzosen, nicht herabhängend wie die der Griechen, nicht lar und offen wie die der Armenier und Perser, nicht knotenreich und vernestelt wie die der Inder, sondern so wie sie kriegerischen Männern wohl ansteht: kurz, knapp, leicht und den Waffengebrauch nicht hindernd. Das Alles zeigt den kriegerischen Charakter der Deutschen an, der nicht blos bei Männern, sondern auch bei Frauen sich findet, die oft selbstmitkäm pfend dem Feind gegenüber traten".

Unser Redner hält sich hierauf wieder an Bebel, die Verdienste der Deutschen um Ausbreitung des Christenthums schildernd. Dies bildet den Uebergang zur Erhebung geistiger Größen Deutscher Nation. Vor Allem werden ihre Erfindungen namentlich die des Schießpulvers und der Buchdruckerkunst gepriesen und dabei Gedichte des Deutschen Sebastian Brant und der Italiener Ricardus Sbrulius und Philipp Beroaldes recitirt. Dann Aufzählung der Deutschen, die zu Päpsten gewählt waren. Ferner weitläufige Auseinandersetzung über den Erwerb der Römischen Kaiserkrone durch die deutschen Könige. Karl d. Gr., König der Franken, erhielt das Kaiserthum von den Griechen. Aber erst unter Otto I. wurde durch den Papst förmlich anerkannt, daß die Wahl des Kaisers den Ostfranken d. i. den Deutschen zustehe. Von da an wählt Mainz für das eigentliche Deutschland,

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