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durch göttliche Fügung an Rom geknüpft ist, so daß der Papst ohne gewichtigen Grund ihn nicht verlegen darf. Auch kann sich der Papst keinen Nachfolger wählen, er kann nicht alle Bischöfe der ganzen Welt zugleich absehen, er darf nicht wohlerworbene Privilegien namentlich nicht Privilegien des Gerichtsstandes aufheben, endlich vermag er nicht Laien und Clerifern, die der weltlichen Herrschaft eines Anderen unterworfen sind, ihr Privatvermögen zu entziehen.

Nun will ich Einiges von der Gewalt des Kaisers ausführen. Auch er hat unumschränkte Macht. Schon vor seiner Krönung kann er Privilegien ertheilen, denn er ist Herr der Welt. Bloß aus der deutschen Nation darf er gewählt werden. Ehedem war die Kaiserkrone zwar bei den Franken, aber die Herren Deutschen" haben sie durch ihre Tugend verdient. Die Könige von Frankreich und Spanien sind dem Kaiser untergeben, außer wenn sie ihre Eremtion beweisen. Vom Papst hat der Kaiser das Privilegium, daß er bei jeder deutschen Kirche einen Canonicus ernennen kann. Auch adeln kann er, uneheliche Kinder legitimiren und Pfalzgrafen ernen nen, denen er die Ausübung der letzteren Befugniß überträgt. Der Wille des Kaisers hat Kraft eines Gesezes, und überhaupt ist er, wird gesagt, in der Welt wie ein körperlicher Gott, vergleichbar dem Morgensterne mitten im Nebel 2c.

Und weil ich vorhin die Frage aufwarf: ob der Papst seine Gewalt ohne Kardinäle ausüben dürfe, ist es den anwesenden Fürsten vielleicht interessant zu ver nehmen, ob der Kaiser befugt ist, von den Rechten seiner Gewalt ohne Beirath der Kurfürsten Gebrauch zu machen? Darauf ist ganz zweifellos mit Ja" zu antworten.

Allerdings wird es auch hier wieder anständig und räthlich sein, wenigstens in wichtigen Sachen die Großen des Reichs zu hören. Auch wird der Kaiser nicht wichtige Rechte seiner Krone frei veräußern dürfen. Aber sonst ist seine Gewalt unumschränkt. Universitäten kann er

selbst für Theologie und kanonisches Recht privilegiren, ohne daß Zustimmung des Papstes erforderlich wäre. Im Allgemeinen steht der Kaiser an Gottes Stelle in weltlichen Dingen, wie der Papst in geistlichen. Nur an das natürliche und göttliche Recht ist er gebunden, über dem positiven Recht, auch dem Gewohnheitsrecht, steht er. Wohl kann er ohne Ursache Jemand verlegen, wenn nur die Verletzung nicht alles Maaß überschreitet. Dagegen darf er Niemanden ohne Grund Eigenthum und Lehn entziehen.

Soweit Petrus Ravennas. Ich habe den Inhalt der Rede in ihren Hauptsäßen gegeben und nur im Anfange angedeutet, wie jeder Gedanke durch einen Syllogismus bewiesen wird und wie die Beweise sich immer auf Allegate aus Quellen, Gloffen und Schriftstellern stüßen. Oft kommen ganze Seiten, die nichts enthalten als Citate, Wiederholungen finden sich in Menge und es läßt sich denken, daß es nichts Angenehmes gewesen sein mag, dem Redner einige Stunden zu folgen, wenn man auch gezwungen war dem Gedächtniß desselben - welchem er den Namen Petrus ab memoria verdankt Bewunderung zu zollen.

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Im Ganzen und Großen ist es nur die bekannte mittelalterliche Lehre von der päpstlichen und kaiserlichen Gewalt, die wir vernahmen. Bemerkenswerth aber bleibt es immer, daß gerade in Wittenberg, wo einige Jahre darauf die energische Berufung Luthers von der Ent

scheidung des Papstes an ein allgemeines Koncil den rechtlichen Knotenpunkt der Reformation bildete, so unumwunden und ohne Bedenken behauptet worden war: der Papst stehe über dem Koncil, ja über der Kirche. Und dieser Saz wurde vertheidigt von einem Mann, der damals zu den Freisinnigeren zählte. Nicht blos seine Verbindung mit hervorragenden Humanisten, wie Nikol Marschalk, Herman Trebelius u. A. legt Zeugniß dafür ab, sondern auch die Thatsache, daß er 1506 vor der in Wittenberg ausgebrochenen Pest nach Cöln geflohen, dort von dem berüchtigten Jakob Hogstraten alsbald für einen Kezer erklärt und demgemäß verfolgt wurde. Luther zählt ihn daher zu denen, gegen welche die Anhänger des Papstes ihre Versuche, die Wahrheit mit Gewalt zu unterdrücken, gerichtet hätten. Und in der That Petrus Ravennas erscheint als ein Mann, dessen Blick nicht von dem gewöhnlichen Horizont begrenzt war. Aber über Denkweise und Bildung seiner Nation, die sich als Resultat einer jahrhundertlangen Entwickelung ergeben hatte, konnte er nicht hinaus, ebensowenig wie andere Italienische Humanisten, welche zum Theil an die Stelle christlicher Autoritäten die Alten seßend vermöge ihrer scholastischen, blos auf formelle Wahrheit gerichteten Denkmanier zu dem puren Heidenthum gekommen waren.

Was anderes als formelle Wahrheiten und materi elle unwahrheiten sind es, die uns Petrus Ravennas über die Gewalt des Papstes und Kaisers vorträgt? Ist es nicht eine rein äußerliche und formelle wenngleich idealistische Vorstellung, daß Gott in Papst und Kaiser seine Stellvertreter auf Erden habe?

Einen günstigeren Eindruck machen schon die gleich):

zeitigen Humanisten in Deutschland. Als man da anfing die Alten zu studiren ging man zwar auch zunächst darauf aus, sich in den Besit eleganterer Formen zu sezen; allein man nahm aus der Lectüre namentlich Römischer Historiker eine Stärkung des patriotischen Gefühls, welche für die Weiterentwicklung der Bewegung höchst einflußvoll blieb. Es ist wohlthuend zu bemerken, wie dem hirnlosen, auf Aeußerlichkeiten gerichteten Treiben der Anhänger des Alten gegenüber - hordenweise strömten fie nach Rom, um dort die Gunst eines Großen der Kirche und dadurch Pfründen 2c. zu erlangen — ein engeres Anschließen an das Vaterland das gemeinsame Streben ist, welches die Pfleger humanistischer Studien in Deutschland verbindet.

Man schrieb das Jahr 1501. Das treulose Streben der Stadt Basel sich vom Reich loszureißen und mit den Eidgenossen zu verbinden, das wiederholte Geltendmachen der angeblichen Ansprüche Frankreichs auf das Elsaß, vor Allem das siegreiche Vordringen der Türken, welchem seit dem Sturz des griechischen Kaiserthrons kein Halt mehr geboten schien, erfüllte manches deutsche Herz mit trüber Besorgniß. Denn wenn auch die Nation es für Ehrensache des Kaisers hielt an der Spize deutscher Heere wider den gemeinsamen Feind zu ziehen und der ritterliche, kriegslustige Marimilian geneigt genug war, der öffentlichen Stimme nachzugeben, so verfolgten doch die Großen seines Reichs schon die verderbliche Politik, ihre eigene Gewalt auf Kosten der kaiserlichen zu stärken, indem sie das Aufgeben wichtiger kaiserlicher Rechte als Vorbedingung ihrer Theilnahme am Kampf verlangten.

Ich führe meine Hörer in die Hofburg zu Innspruck. Im hochgewölbten vom Fackelglanz malerisch beleuchteten

Saal umgeben von fürstlichen Personen, Prälaten, Nittern, gelehrten Räthen sizt Kaiser Marimilian. Leises Flüstern bewegt die Reihen bis ein noch jugendlicher Mann im langen den Gelehrten bezeichnenden Talar an den aufgestellten Rednerpult tritt. Es ist der schon erwähnte Heinrich Bebel, Mr. artium und Lehrer der Philologie aus Tübingen, welcher gebeten hat, dem Kaiser eine Rede zum Lob Deutschlands vortragen zu dürfen3).

Der Sitte, beginnt er, den Kaiser zur Erhaltung des Friedens im Reich und der Kirche sowie zum kräftigen Vorschreiten gegen den Erbfeind der Christenheit zu mahnen will ich nicht folgen. Vor Marimilian wäre das überflüssig. Freilich ist die Gefahr groß. Vergangene Nacht erschien mir im Traum ein altes Weib von übermenschlicher Größe und gewaltigem Ansehen. Ihr Gewand war zerfeßt, zerstört ihr Aeußeres, abschreckend und doch erbarmenswerth entstellte sie Magerkeit und Schmuß. Aber ihr Haupt war erhaben und, soweit meine durch den Bliß ihrer Augen geblendete Sehkraft zu beobachten gestattete, mit einem zerzausten Lorbeer: kranz gekrönt. Vom Glanz ihres Blicks und dem Schreck ihres übrigen Aussehens lag ich entseelt, kalt überrieselte es mich und mit Virgil zu reden die Stimme versagte. Jene aber faßte mich an, nannte mich Sohn und sprach mir zu. Dadurch wurde ich mälig wieder aufgerichtet und erkannte, daß Mutter Germania vor mir stehe. Ehrfurchtsvoll begrüßte ich sie und fragte nach der Ursache der so ungleichen Beschaffenheit ihrer Glieder. Nach langem, die Rede unterdrückenden Schluchzen brachte sie die Worte hervor: Eile, Bebel, eile zu meinem theuern Sohn dem König Marimilian, denn er gestattet gern auch Privatleuten den Zutritt. Erzähle ihm von meiner

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