Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

lienischen Humanisten dringen auf Reinigung der Sprache und schließen sich im Ausdruck an classische Muster an. Die Gedanken, welche wir bei den Meisten von ihnen finden einzelne ehrenwerthe Ausnahmen hat es stets gegeben find entweder eben so läppisch wie die der Sophisten, oder aber enthalten werthlose Wiederbelebungsversuche zum Theil mißverstandener antiker Anschauungen. Einen positiven Gehalt der Schule, einen Schatz von neuen, fernigen und wahren Ideen suchen wir vergebens als Ge= meingut derselben. Auf vollständigen Beweis muß ich wieder verzichten. Aber ich will einen Mann für mich reden lassen, welcher recht wohl als Repräsentant der besseren Italienischen Durchschnitts-Bildung jener Zeit gel ten mag und auch in so fern interessant ist, als er auf deutschem Boden eine längerandauernde Wirksamkeit entfaltete

Petrus Thomais aus Ravenna galt schon in seiner Jugend für ein wunderbares Talent. Zwanzig Jahre alt erbot er sich als Student zu Padua eine Probe seiner Gelehrsamkeit abzulegen und zu beweisen, daß er die ganze Justinianische Gesetzgebung: Institutionen, Pandekten, Coder und Novellen mit allen Glossen Wort für Wort auswendig könne. Eine feierliche Versammlung der Universität wurde berufen, Petrus betrat das Catheder und erhielt zuerst vom Bischof der Stadt einige auf's geradewohl aufgeschlagene Stellen angewiesen. Er sagte sie ohne Anstand wörtlich auf, ja commentirte fie und gab über die Glossen mit ihren Allegaten Auskunft. Als auch Andere Stellen vorschlugen und überall dieselbe Fertigkeit und Sicherheit sich zeigte, entstand großes Verwundern. Der berühmte Jurist Alerander Tartagnus von Imola, damals schon hochbetagt und halb zur Mumie eingeschrumpft, saß sprachlos vor Staunen, dann

bekreuzte er sich. Petrus aber wurde einige Tage nachher von seinen Commilitonen zum Lector der Institutio nen erwählt. Jahrelang lehrte er zu Padua und Pisa bis ihn im Jahr 1497 Herzog Bogislav X. von Pommern von seiner Reise nach dem heiligen Grab zurücktehrend bewog, mit ihm nach dem hohen Norden zu ziehen. Dort sollte Petrus durch seine Lehrgabe und Celebrität der Universität Greifswald einen besondern Glanz verleihen. Im Winter 1497 verließ er Italien. Ob seine Gattin Lucretia, seine Söhne Vincentius und Johannes Baptista, seine Tochter Margareta sogleich oder erst später folgten, ist zweifelhaft. In Innspruc raftete er am kaiserlichen Hoflager. Wir sehen dort den Gelehrten vor Kaiser Maximilian und dessen Umgebung redend auftreten. Aber es sind bloß improvisirte latei= nische Gedichte voll leerer Schmeicheleien und mnemotechnische Bravourstücke, welche die Hörer ergößen. Zum Eques aureatus ernannt reiste Petrus weiter. In Greifswald docirte er zugleich mit seinem Sohn Vincentius fünf Jahre, und die Italienischen Doctoren“ (so pflegten sie sich mit Selbstgefühl zu nennen) zogen Schüler aus allen Gauen Deutschlands heran. Als aber am 25. Oktober 1502 Margareta,,der Stolz und Schmuck ihrer Familie" - wie die Greifswalder Matrikel besagen in der Blüthe ihrer Jahre starb, wollte im Schmerz über den Verlust und vom Heimweh getrieben der alternde Mann in das Vaterland zurück, wurde jedoch auf der Reise von Kurfürst Friedrich von Sachsen für die Universität Wittenberg gewonnen, wo er seine Wirksamkeit am 3. Mai 1503 mit einer Antrittsvorlesung:,,Ueber die Gewalt des Römischen Papstes und Kaisers" eröffnete 2). Kurfürst Friedrich, Herzog

[ocr errors]

Johann zu Sachsen, der Herzog von Braunschweig Lüneburg, der Hof der Fürsten, die gesammte Universität bildeten ein glänzendes Auditorium, vor welchem der Redner aus dem Gedächtniß sprechend folgendermaßen begann:

In Gegenwart so hoher Fürsten scheint es mir gut über tiefe und ergöhliche Stoffe zu handeln. Ich werfe zuerst die Frage auf: Kann der Papst seine Gewalt ausüben ohne Kardinäle? oder deutlicher: Ist zur Ausübung der päpstlichen Gewalt die Zustimmung oder we nigstens Befragung der Kardinäle erforderlich? Einige Juristen antworteten: Ja und stützten sich auf eine Stelle des kanonischen Rechts, wo es heißt der Kardinaliat (cardinaliatus) sei göttlichen Rechtens. Ich aber war immer der Meinung, daß aus jener Ansicht die unsinnige Konsequenz sich ergebe, der Papst sei entweder als Minderjähriger, der wenigstens für Prozeße eines Curators bedarf, oder als Verschwender oder als Wahnfinniger zu betrachten. Daher entscheide ich anders und habe für den Sat: Der Papst könne allein auch die wichtigsten Beschlüße fassen und vollziehen, ausreichende Gründe.

1) Das ist keine freie Gewalt deren Ausübung durch das Dazwischentreten eines Andern bedingt ist (Beweis durch Allegate aus Quellenstellen, Glossen und Schriftstellern). Aber der Papst besiht freie Gewalt (Wieder Beweis durch eine lange Reihe von Citaten). Also ist der Papst nicht gehalten bei Ausübung seiner Gewalt Jemand zuzuziehen.

2) Die Schlüssel der Kirche sind Petrus allein übertragen (Beweis stellen aus der Bibel).

3) In den Glossen zu mehreren Stellen des kanonischen Rechts ist ausgesprochen, daß der Papst allein

den Kaiser absehen könne indem ausgeführt wird, es sei bei solcher Absehung ein Koncil nur des Anstandes wegen zusammenzurufen. Ebenso kann der Papst allein den König von Frankreich abseßen. Jeder aber wird zugestehen, daß die Absetzung des Kaisers und des Königs von Frankreich wichtige Dinge sind (wieder Allegate).

In der That sind die Kardinäle bloß Diener und Räthe des Papstes und es ist wohl anständig und räthlich sie bei wichtigen Sachen zu befragen, aber nicht nothwendig. Die Kardinäle stehen in dieser Beziehung nicht höher als Andere, denn der Papst kann auch von Gelehrten, die nicht Kardinäle sind, sich berathen lassen. Und deshalb wird gesagt, der Papst trägt alles Recht im Schrein seines Herzens.

Auch läßt sich nicht anführen, es beruhe auf einer Gewohnheit oder Verjährung, daß der Papst die Kardinäle zuziehen müsse, denn gegen den Papst läuft überhaupt keine Verjährung. Im Allgemeinen steht zu be haupten, daß der Papst dem positiven Recht übergeordnet und nicht an dasselbe gebunden sei, außer da, wo dafselbe einen göttlichen oder natürlichen Grund hat. Doch auch hier kann aus bewegenden Ursachen eine abweichende Entscheidung getroffen werden.

Der Papst ist befugt ohne Beistand Koncilienschlüsse aufzuheben, nicht aber vermag ein Koncil päpstliche Bestimmungen zu entfernen. Und deshalb bestätigt ein Koncil nicht die Sabungen des Papstes, denn nur ein Höherer kann bestätigen, wohl aber confirmirt der Papst die Beschlüsse der Koncilien, so daß diese bindende Kraft nur dann haben, wenn sie im Namen des Papstes ausgehen.

Freilich wird gesagt, der Papst könne wegen Keßerei von einem Koncil abgesezt werden und eine sehr zweifelhafte Glosse - welche die Theologen nicht anerkennen — spricht aus, das sei auch der Fall, wenn der Papst notorisch Verbrechen begehe und Scandal in der Kirche errege. Aber in beiden Fällen ist der Papst durch das Recht selbst (ipso iure) abgesezt und nur factisch wird von dem Concil die Entseßung declarirt (dabei lange Abschweifung über Werth und Bedeutung der Glossen).

In Italien habe ich beobachtet, wie gegen Sazungen oder Urtheile des Papstes mitunter appellirt wurde. Doch das scheint mir ein lächerliches Unternehmen, denn appelliren kann man nur von einem Niederen an einen Höheren, der Papst aber hat keinen Oberen außer Christus. Somit kann von einer päpstlichen Entscheidung weder an den nachfolgenden Papst, denn der steht gleich, noch an ein Koncil, denn das ist untergeordnet, Berufung eingelegt werden. Da nun der Papst über dem Koncil steht, letteres aber die Repräsentation der Kirche ist, steht er auch über der Kirche. Das beweist Evangel. Johannis Cap. 10: Es sei eine Heerde und ein Hirte. Hätte die Kirche neben dem Papst die höchste Gewalt, ' so würden zwei Hirten sein. Wer daher von dem Papst an ein künftiges Koncil appelliren will, ist ein offenbarer Kezer. Das Koncil steht überall unter dem Papst; wie er es beliebig zusammenrufen kann, vermag er es auch beliebig aufzulösen, oder von einem Ort nach dem anderen zu translociren. Und dies ist die Ansicht großer Theologen, wie Albertus Magnus, des heiligen Thomas von Aquin u. A. Beschränkungen der päpstlichen Gewalt liegen außer dem schon erwähnten Gebundensein an das göttliche Recht darin, daß der apostolische Sit

« ZurückWeiter »