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Präsentirten zu approbiren hätte." Der Lettere suchte sich nun wenigstens die freie Ernennung des durch die Facultätsstatuten welche keine landesherrliche Bestäti gung aufzuweisen haben und daher, wie sich auch aus dem folgenden ergibt, von der Regierung nicht anerkannt wurden zu einem Ordinarius erklärten dritten Professors zu reserviren und ließ am 13. August 1622 der Universität eröffnen:

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,,Daß aber die Universität sich die Praesentationem tertii professoris in denen dreien (oberen) Facultäten zuzueignen gemeint ist, solches können die Herren Regimentsräthe nicht gut sein lassen: alldieweil der Tertius Professor in den angedeu teten Facultäten als ein Extraordinarius aus Ihro Churfürstl. Durchlaucht Preußische Rent-Cammer jedesmal besoldet wird, dannenhero Höchstgedachte Ihre Churfürstliche Durchlaucht sich auch die praesentationem in demselben passu reserviret und vorbehalten."

So rächte es sich schon jezt an der Universität, daß sie einem unbestimmten Ausdruck einen bestimmten aber dem Prinzip der Gleichberechtigung in der Wissenschaft widersprechenden Inhalt gegeben hatte, von gegnerischer Seite machte man dasselbe Mannöver, gab dem Begriff auch einen bestimmten Inhalt, aber einen solchen, welcher das köstlichste Vorrecht der Universität, daß sie sich wider Willen kein Mitglied aufzwingen zu lassen brauchte, zu vernichten bestimmt war. In Königsberg, wie auch anderwärts, vollzog sich jezt erst der Uebergang von der freien Corporation zur reinen Staatsanstalt, welcher schon mit der Reformation begonnen nicht überall gleichzeitig seinen Abschluß erreicht hatte.

Um aber noch einen Blick auf die Geschichte der Königsberger Facultät zu werfen: es hielten sich Ueberreste der alten Verfassung bis in's vorige Jahrhundert. Die Landesherrn machten von dem zunächst errungenen Recht, Extraordinarien frei zu ernennen, in solchem Umfang Gebrauch, daß zu Anfang des 18. Jahrhunderts zu gleicher Zeit 12 professores extraordinarii in der Juristenfacultät waren. Bis dahin hatten, nachdem 1694 der dritte Professor iuris auch von der Regierung als odentlicher Professor anerkannt war, die beiden ältesten außerordentlichen Professoren als Adjunkten in der Facultät gesessen. Als aber 1723 noch ein viertes Ordinariat errichtet wurde, saß — und zwar hatte das schon die Macht des Herkommens nur der erste Extraordinarius ,,ordentlicher Weise“, wie Arnoldt sagt, mit in der Facultät. Dies Verhältniß blieb bis in's Jahr 1746 und länger, wahrscheinlich bis zur Errichtung der fünften ordentlichen Professur, wo auch der lette prof. extraordinarius aus der Facultät weichen mußte.

In ähnlicher Weise wie in Königsberg ging der Prozeß der Ausstoßung der außerordentlichen Professoren aus den Facultäten auch auf andern Universitäten vor sich. Im Lauf des 17. Jahrhunderts freilich trug man noch Bedenken allzu rasch den Ertraordinarien alle Rechte zu entziehen. Die Statuten der theologischen Facultät zu Greifswald haben noch 1623 einen extraordinarius professor als ordentliches Mitglied der Facultät, der aber ausgeschlossen ist von der Universitätsversammlung. Die Statuta ordinis Iureconsultorum jener Universität Lassen die außerordentliche Ernennung eines vierten Professors als Mitglied der Facultät zu, schließen aber ausdrücklich die Adjuncten von allen acta und consilia der

selben aus. In Jena finden sich ähnlich wie in Königsberg extraordinarii qui ipsemet sunt facultati (theologicae) adiuncti bis 1634, wo das ganze Institut aufgehoben wurde, obgleich man noch 1655 daran dachte, es wieder einzuführen. Anderwärts war man überhaupt nicht sehr geneigt die neue Lehrerklasse aufzunehmen, so in Wittenberg wo 1624 ein gewisser D. Paulus Helmreich eine außerordentliche Professur der Kirchengeschichte begehrte, aber vom Kurfürsten abschläglich beschieden wurde, weil der ordinarius prof. historiarum ein solches Ertraordinariat für überflüssig und unzulässig erklärt hatte. Als man später aber doch professores extraordinarii er: nannte, (in der theolog. Facultät finde ich den ersten 1647) gab man ihnen die unberechtigte Stellung die sie statutenmäßig auf andern Universitäten schon hatten. Aehnlich in Altdorf. Epochemachend ist die Stiftung von Halle. Die Statuten der Universität, wie der Facultäten von 1694 trennen scharf zwischen Professores ordinarii, Professores extraordinarii und Doctores privatim docentes. Die beiden letzteren Lehrerklassen gehören weder zum Universitätsconcil noch sind sie irgendwie berechtigt in den Facultäten. Zweifellos dienten die Königsberger Einrichtungen bei Festseßung dieser Statuten zum Vorbild. Nach dem Muster von Halle sind aber wieder Göttingen und Erlangen gegründet. Die neuesten Stiftungen haben vorzugsweise Göttingen nachgeahmt und so stellte sich allmählich die neuere ziemlich uniforme Verfassung der deutschen Universitäten her, deren Facultäteneinrichtung ich schon schilderte.

Mehrfach habe ich bereits angedeutet, daß ich die alte Facultätenverfassung der Würde der Wissenschaft für angemessener erachte, als die heutige. Doch will ich beiden

gerecht werden. Fassen wir den Grundgedanken der alten Verfassung, so ist es die Idee der freien Wissenschaft und der Gleichberechtigung in derselben, auf der sie basirt. Aber sie bedarf der Genossenschaft der Träger der Wissenschaft um die Idee zu verkörpern. Und hier stehen wir auf der Schwelle der Kritik. Als Grundlage für die Verkörperung wird das genommen, was in Widerspruch steht mit der Idee selbst, nämlich die abgeschloffene Vereinigung der Meister, welche nur allein das Meisterrecht ertheilen kann, also die Zunft. Der Fehler liegt nicht in der Art und Weise der Verkörperung, denn die ist rein menschlich, nur in menschlicher Vereinigung und zwar geordneter Vereinigung erblüht das Hohe und Schöne, er liegt in der Idee. Der Gedanke einer absolut freien Wissenschaft ist erhaben, aber etwas Wohlthätiges, ein Gut würde die Wissenschaft dem Menschen nicht geworden sein, wenn der Freiheit derselben nicht schon dadurch Schranken gezogen wären, daß sie sich nur in zusammenwirkender Thätigkeit einer gleichzeitigen und succesiven Mehrheit von Menschen fruchtbringend entwickeln kann. Die Wissenschaft ist nur bedingt frei. Als man daher die Idee der absolut freien Wissenschaft zu verkörpern suchte, verwickelte man sich in einen unlösbaren Widerspruch, der dazu führte, daß das Körperliche und Aeußerliche, das Ideale und Innerliche bald überwucherte, so daß jene alten Facultäten das wurden, was sie zu Ende des 15. und Anfang des 16. Jahrhunderts waren: elende Zünfte, welche, wie sie nach Außen jede freie geistige Regung zu unterdrücken bestrebt waren, so auch im Innern sich nicht zu der geringsten geistigen Höhe erheben konnten.

Was wir bei den Universitäten beobachteten, ist keine

vereinzelte Erscheinung. Das ganze Mittelalter wurde getragen von einem, hohen Idealismus, der aber, eben da er übermenschlich war d. h. die Beschränktheit des menschlichen Wesens nur zu oft vergaß, in den gröbsten Materialismus umschlug. So ist die Idee eines geistigen Reichs gewiß eine erhabene und schöne; da man dieselbe aber zu verkörpern suchte und nicht berücksichtigte, daß die erste Voraussetzung der Verkörperung eine rein weltliche Macht, also das Gegentheil der Idee sei, artete dieselbe in die geistige und weltliche Zwingherrschaft aus, welche gebrochen zu haben, das Verdienst der Reformation ist. Die große welthistorische Bedeutung der letteren, die sich nicht blos auf die Kirchenverfassung erstreckt, bleibt überhaupt, daß sie überall die realen Mächte des Lebens in ihrer Berechtigung anerkannt und gerade dadurch dem auf die Spize getriebenen Idealismus des Mittelalters in Verbindung mit seinem extremen Umschlag steuerte. Nicht Schuld der Reformatoren war es, daß in der Folge das ideale Element gar zu sehr in den Hintergrund gedrängt wurde. Seit dem 16. Jahrhundert wurde kaum ein Kampf gekämpft, wo nicht jene realen Mächte des Lebens den Ausschlag gegeben oder doch entscheidend eingegriffen hätten. So bildeten sich wild und regellos Gestaltungen, denen man es ansieht, wie sie aus der zufälligen Vermischung elementarer Kräfte entstanden, ohne daß eine höhere geistige Kraft, die Idee, jene Vermischung geleitet und ein ihr selbst entsprechendes Product hervorgebracht hätte. Beispiele liegen nicht ferne : die heutige Universitätsverfassung, wie sie aus dem zufälligen augenblicklichen Bedürfniß im Kampf mit dem Besit der augenblicklich Berechtigten hervorgegangen, wie sie durch den Kampf der emporstrebenden Landeshoheit

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