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dieselbe noch aus Professores,,und Doctores", die in Wittenberg promovirt und gelesen oder sich dort niedergelassen haben, sofort dieselben als Doctores Vitebergenses drei Goldgulden gezahlt und nach Ablauf eines Jahres von Zeit der Promotion oder Domicilirung bei dem Decan um Reception angehalten oder, wenn sie Doctores extranei sind, noch besondere Bedingungen: Ablauf von 2 Jahren, Zahlung von 20 Goldgulden, Disputation pro loco, erfüllt haben. Aber die „Professores publici" d. h., wie an anderer Stelle erklärt wird, diejenigen, ,,quibus publici Professoris functio ab illustrissimo principe demandata sit," gehen den in die Facultät aufgenommenen Doctores, welche kein öffentliches Lehramt bekleiden, vor, selbst wenn lettere früher recipirt find. Außerdem rangiren die Doctoren nach der Zeit ihres Eintritts, nur daß noch die Doctores iuris Caesarei den Doctores iuris utriusque nachstehen und Ordinarius noch immer der kurze Titel für den Hauptlegenten des kanonischen Rechts und Dekan in der Fakultät stets den ersten Plaz einnehmen. Auch lernen wir eine neue Klasse von öffentlichen Lehrern kennen: die Substituti, welche zwar unter den Professores publici mitinbegriffen, aber den ordinarii gegenübergesezt werden und vor den einfachen, amtlosen Doctores cooptati keinen Vorzug haben. Diese Substituti sind vom Staat ernannte Stellvertreter der professores in Verhinderungsfällen. So war der bekannte, später in die Grumbach'schen Händel verwickelte und zu Kopenhagen enthauptete Justus Jonas der Jüngere2), I. V. D., von 1559 bis etwa 1565 Substitut oder Vicarius für den Ordinarius Laurentius Lindemann, der damals als Hofrath im Kurfürstlichen Dienst gebraucht wurde. Dabei bemerke ich, daß

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Jonas trop seines Vicariats nicht in die Facultät aufge= nommen werden konnte, da er erst um Michaelis 1559 zu Leipzig promovirt war und also die zur Reception eines auswärts Promovirten erforderlichen 2 Jahre noch nicht erfüllt hatte. Uebrigens mag die Stellung eines Substituten und noch dazu eines außerhalb der Facultät stehenden nicht die angenehmste gewesen sein, wie denn Jonas in seinen Briefen an Herzog Albrecht von Preußen häufig über die Behandlung, welche ihm seine Collegen zu Theil werden ließen, klagt.

Nach Allem hat in den neuen Statuten der Bestand der Facultät sich wesentlich geändert. Aber die wichtigste Umgestaltung haben wir noch kennen zu lernen: es können in die Facultät überhaupt nur 7 Mitglieder aufgenommen werden und die in Wittenberg Promovirten gehen dabei den extranei doctores vor. Da nun statutengemäß 5 Professuren bestehen, eine für das Digest. vetus, eine für den Codex, eine für Digest. novum und Infortiatum, eine für Institutionen, so blieben für cooptirte Doctoren nur 2 Stellen übrig.

Und die Rechte dieser beiden Doctoren sind auch schon wesentlich beschränkt. Im Allgemeinen bleiben sie stimmberechtigt, aber während ihnen bezüglich des Decanats das passive Wahlrecht gelassen, wird ihnen das active entzogen: bloß der Decanus, Ordinarius und die professores publici sollen den Decan wählen. Selbst die Vorlesungen anlangend stehen die doctores cooptati den Professoren nach: das Recht,,publice praelegendi in auditorio Iureconsultorum" sollen bloß lettere haben, Wittenberger Doctoren wird die „facultas in publico praelegendi approbatione et concessione Decani impetrata" gewährt, auswärts Promovirte können nur

privatim d. h. nicht in publico loco lehren und im Allgemeinen ist es untersagt, daß die Doctores zu den - genau vorgeschriebenen Stunden lesen, in welchen die,,professores ordinarii seu publici“ zu dociren pflegen.

Wer kann sich einen gewaltigeren Umschwung denken, als den, welchen nicht mehr als 50 Jahre in dem Verhältniß der Wittenberger Juristenfacultät und - darf ich hinzufügen aller übrigen Facultäten auf protestantischen Universitäten hervorgebracht haben? Ein neuer Geist durchdrang diese wie andere Lebensverhältnisse, auch erstreckte er sich nicht bloß auf Länder und Gegenden, welche den evangelischen Confessionen angehörten, selbst der römisch-katholisch gebliebene Theil der deutschen Nation konnte und wollte namentlich was die politischen und staatlichen Folgen anbetrifft - sich ihm nicht entziehen. Um bei den Universitäten stehen zu bleiben: ein directer Einfluß der Wittenberger Aenderungen läßt sich freilich nur auf die in protestantischen Ländern schon bestehenden oder während der Reformation gestifteten Hochschulen nachweisen, aber die katholischen Akademien mußten wenn auch zögernd und langsam sich endlich auch bequemen, die Form der evangelischen Universitäten anzunehmen und so entwickelte sich die deutsche Univer sitätsverfassung im Ganzen wie in ihren einzelnen Theilen ziemlich gleichförmig nach Wittenberger Muster. - Nur die österreichischen hohen Schulen sind ihren eigenen Weg gegangen; dadurch aber kamen sie aus allem Zusammenhang mit den deutschen Schwestern und erst in neuester Zeit ist derselbe wieder, wenngleich los und locker genug, angeknüpft.

Bindende Kraft behielten die Statuten der Juristenfacultät Wittenberg v. J. 1560 bis zur Aufhebung der

Universität, obschon durch das Leben oder einzelne Verordnungen Vieles geändert wurde. Uns interessirt zunächst eine Stelle in dem Wittenberger Visitationsbericht von 1587, wo es von der Artistenfacultät heißt: Und wird zum Dekanat ein halb Jahr einer ex professoribus genommen, das andere halbe Jahr einer ex adiunctis vel adscripticiis und werden adiuncti diejenigen Magistri genannt, so nicht numero professorum sind. Sie find gleich Bürgern, aber nicht Bürger und werden nicht allein ad decanatum, sondern auch ad examina magistrandorum gelassen.

Wir lernen hieraus, daß für die cooptirten nicht beamteten Mitglieder der Facultät der neue Name adiuncti üblich geworden ist, der sich auch bei den höheren Facultäten gleichzeitig findet: der Sache nach sind aber die adiuncti unsere alten Bekannten: die doctores cooptati non salariati seu stipendiati. Wohl standen ste einst den doctores stipendiati ordinarie vel extraordinarie legentes rechtlich gleich, aber wie sie schon im Jahr 1560 in vielen Stücken zurückgestellt waren, haben wir gesehen und jezt wird ihnen der Boden, den sie noch besitzen, Spanne um Spanne abgerungen. In Wittenberg hielten sie sich längere Zeit, ja sie bekamen bei der Juristenfacultät wieder einige Rechte, welche die neueren Statuten ihnen genommen hatten. In einem Decret v. 1624 wird ausdrücklich eingeschärft, man folle die Adiuncten bei der Wahl des Dekans mitvotiren und gleich den Professoren wechselsweise zum Präsidiren der Doctordisputationen zulassen, wie vor Alters. Das mag aber nicht lange gedauert haben: die ganze Einrichtung, welche auf den meisten Universitäten sich vorfindet, aber durch Beschränkung der cooptirten Doctores auf

eine gewisse meist sehr geringe Zahl und dadurch, daß die Facultät jest wirklich cooptirte, d. h. nach eigenem Ermessen und nach der guten Meinung, die sie von den betreffenden Candidaten hegte, die freigewordenen Stellen vergab, eine ganz andere geworden war, verschwand in Deutschland in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Nach dem dreißigjährgen Krieg wurden hie und da Versuche gemacht, sie wieder zu beleben, doch konnte sie, da ihr schon die Lebensfäden abgeschnitten waren, nicht wieder zur Blüthe gelangen. Die philosophischen Facultäten waren die leşten bei welchen das Institut noch einige Bedeutung sich wahrte. Auf den schwedischen Universitäten besteht dasselbe in ziemlichem Umfang noch heute...

Zum Untergang der Adjunctur mag in Deutschland beigetragen haben das Entstehen einer neuen Lehrerklasse, welche die Vorzeit in entsprechender Weise nicht kannte: die der professores publici extraordinarii. Wir haben vorhin die Bedeutung eines Doctor salariatus extraordinarie legens kennen gelernt und gesehen, daß sich das „,extraordinarie legens" bloß auf das Lehrfach bezog, daß aber der Inhaber des Amts als vollberech tigtes Mitglied der Facultät einverleibt war und den ordinarie legentes in nichts nachstand. Doch der Ausbruc extraordinarius ist ein bequemer, es lassen sich dem außerordentlich" außerordentlich viel Bedeutungen unterlegen und so kam, nachdem in Folge des veränderten Lehrplans und neuer Methode der Unterschied zwischen ordinariae und extraordinariae lectiones längst geschwunden war, doch der Titel außerordentlicher öffentlicher Lehrer wieder auf, wenn auch in ganz anderem Sinn. Schon die Wittenberger vicarii hätte man in gewisser Beziehung extraordinarii professores nennen

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