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Anderem heißt: Nachdem auch mit dem lesen in jure ein zeithero allerley misbrauch sol gehalden sein wordenn So wollen wir auch darauf guete achtung zuhabenn beuchlen, das in solchem lesenn der Rechte vnnd vorige brauch gehalten vnnd der apparat, mit dem tert absoluirt die Contraria ordentlich vnnd formlich fellig (völlig) Inducirt vnnd die solucion der glossen vnd scri benten mit vleis refoluirt Vnd was eynem Vleisigen Legentern sunst meher zustehet gethan werden, vff das die Scolares derselbenn facultet zu einem Rechtenn vnd grundtlichenn verstandt der Rechte kommen vnnd bestendige ergrundte Consilia schreibenn auch die leute denen sie yezußeitenn dienen In Frem sachen mit Raten Vnd schreiben vorwharen mugenn". Da auch Einige sich unterstanden hätten, die Rechte zu lehren, die vorher keine ordentliche Schule durchgemacht oder ,,hhe selten und wenig gehört vnd gegen den Jungen Schulern die alte vnd ordentliche weiß, dauonn obsteet vnnd in auslegung der Recht alwegen gebraucht ist worden, zuuercleinern, dadurch den die Jugent vonn grundtlichenn verstandt der Recht meher abgefurth dan eingelaittet wirdt", so solle ihnen ihre Anmaßung untersagt und wenn sie nicht ge= horchten, ihr Ungehorsam dem Kurfürsten angezeigt wer den. Nur darin ist eine Concession an die Apel'schen Ideen bemerkbar, daß auf die Nothwendigkeit des Institutionenstudiums hingewiesen und dem lector institutionum geboten wird, stets daheim zu bleiben und nicht auszuziehen (d. H. auf der Praris umherzuziehen) ,,vmb der jungen Schuler willen": er solle wöchentlich an vier Tagen lesen und bloß wenn die Kurfürstlichen Geschäfte oder Krankheit ihn hinderten, entschuldigt sein.

Wir erkennen in diesen Bestimmungen einen tapferen

Juristen der alten Schule, D. Melchior v. Offa, welcher damals als Kanzler in dem Dienst Kurfürst Johann Friedrichs stand 239). In seinem, im Jahr 1555 verab= faßten, sogenannten Testament findet sich eine der obigen ganz ähnliche Ausführung 240), freilich ist sie dießmal nicht gegen die in Wittenberg lehrenden Anhänger Johann Apel's, sondern gegen Peter Loriot aus Burgund ge richtet, der von Kurfürst Moriß nach Leipzig gerufen daselbst Vorträge in der elegant eregetischen Methode der neu erblühten französischen Schule hielt 241).

Melchior v. Ossa war ein wackerer und treuer Mann, fest wie aus Erz gegossen, nicht bloß practischer sondern auch gelehrter Jurist, dem sein Corpus iuris die liebste Lectüre blicb; wir können ihm sein zähes Fest= halten an der Methode, durch deren Hülfe er es zu Erheblichem gebracht hatte, kaum derargen. Er meinte, die Mehrzahl der Studirenden solle zu Practikern erzogen werden und das müsse in der altbewährten Weise ge= schehen; die neuen Methoden hatten für ihn nur die Bedeutung gewagter Experimente, denen man von Oben entgegenzuwirken verpflichtet sei. Irrte er auch hierinnen, da das Unechte von selbst zu Grunde geht, so hat er dennoch genüßt, denn die Experimente haben ihre Probe bestanden, und ihre Tüchtigkeit eben dadurch gezeigt, daß sie den Widerstand überdauerten. Was gut ist und etwas taugt wird immer sich Bahn brechen, nur die erbärmliche Schwäche klagt über Unterdrückung.

Die Notiz, welche Johann Apel in seiner Isagoge von der von ihm zu Königsberg aufgefundenen HS. eines Institutionenwerks gegeben, verursachte mehrfache

Mißverständnisse. Der französische Jurist Franciscus Balduinus (in seinem 1545 erschienenen Institutionencommentar) verstand dieselbe so, als ob Johann Apel ein uraltes Manuscript der kaiserlichen Institutionen mit abweichender Anordnung gefunden und beschrieben habe 242). Daraus entstand die Mähre von dem,,uralten Institutionenmanuscript an der Ostsee", die jahrhunderlang die Phantasie gelehrter Leute beschäftigte und mannigfach ausgeschmückt wurde. Balduinus habe das MS. sich zu verschaffen gewußt, er habe es abdrucken lassen und Anderes wurde mit dem ernsthaftesten Gesicht erzählt. „Diese neuen Irrthümer hat Koch berichtigt (Progr. de Cod. MS. Inst. ad mare Balticum reperto. Gissae 1772. 4to.), aber die Hauptsache, nämlich daß nicht von Justinians Institutionen, sondern vom Brachylegus die Rede ist, hat er nicht bemerkt" 243). Und doch scheint in letterer Beziehung schon einer der ersten Herausgeber des Brachylogus scharfsichtiger gewesen zu sein. Im Jahr 1548 erschien zu Lyon die erste 244), im Jahr 1551 zu Löwen die zweite Ausgabe des Buchs 245). Letterer ist die Isagoge Johann Apel's beigedruckt. Freilich bemerkt der,,Buchdrucker" in seinem Vorwort an den Leser, er habe dieß wegen der Vortrefflichkeit der Apel'schen Arbeit gethan: „in welcher der wegen seines Ta= lents, seiner Gelehrsamkeit, seiner Lehrgabe hoch zu er= hebende Verfasser nicht allein auf eine ergebnißvolle und elegante Weise über den besten Weg die Rechtsgelehrsamkeit zu lernen und zu lehren handelt, sondern auch die Hauptcapitel oder Glieder der Jurisprudenz mit ausnehmendem Scharfsinn feststellt, die er dann durch Beifügung von Definitionen, Divisionen und Beispielen illustrirt und wie in einem Gemälde dem Blick Aller

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darlegt" 246). Ein eigenthümliches Spiel des Zufalls wäre es, wenn der Herausgeber, ohne zu erkennen, daß in Apel's Werk eine Beschreibung des Brachylogus enthalten sei, jenes der Ausgabe des letteren beigefügt hätte. Jedenfalls aber wurde diese Verbindung für Apel's Namen gewissermaßen verhängnißvoll. Im Jahr 1777 nämlich wurde die literarische Welt durch eine eigenthümliche Ent: deckung" überrascht. Während man bis dahin dem Brachylogus ein hohes, ja ein jedenfalls zu hohes Alter zugeschrieben hatte 247), bekam plößlich ein Utrechter Gelehrter, Christoph Sare, heraus, daß der Brachylogus ein untergeschobenes Werk des sechszehnten Jahrhunderts sei und daß der Verfasser Johann Apel heiße. Sare war ein Eremplar der Löwener Ausgabe des Brachylogus von 1551 in die Hände gefallen, er hielt sie fälschlich für die Editio princeps, erkannte, daß Johann Apel in seiner jener Ausgabe beigedruckten Isagoge (von deren frühern Ausgaben er ebenfalls nichts wußte) den Brachylogus beschreibe und fand nun, daß die Angaben des unter der Maske des Buchdruckers redenden Herausgebers und diejenigen Johann Apel's miteinander nicht übereinstimmten. Das ging über seinen Verstand und wie er es vermöchte aus den in der Note abgedruckten Worten 248) herauszulesen, daß Apel an der Universität Löwen auf Befehl Kaiser Karls V. Römisches Recht ge= lehrt habe (,,Ioannes Apelius, vel Appellus, qui in Academia Louaniensi iussu Caroli V. Imperatoris iuris ciuilis Romani literas docuit, arg. p. 127 huius Dialogi), brachte er es auch fertig, den Verfasser der Vorrede zur Ausgabe des Brachylogus und Johann Apel für identisch zu halten, oder doch wenigstens solidarisch für einander verantwortlich sein zu lassen. „Bald

also, ruft er aus, steht jenes „Corpus legum" (der Brachylogus) dem Zeitalter Justinians nahe, bald ist es zur Zeit Kaiser Lothars von Sachsen, also zwischen 1125 und 1137, verabfaßt. Bald kam es aus Frankreich nach Löwen, bald ist es aus irgend einer Bibliothek ich weiß nicht welcher des Ostseestrandes herbei geschafft. Wer sollte sich über die sonderbaren Schicksale des Buchs, oder die Tollheit der Erzählung nicht wundern" ? 249). Aus diesen angeblichen Widersprüchen und, wie v. Savigny 250) annimmt,,,daraus, daß überhaupt das Werk (der Brachylogus) so schön zu Apel's aufgestellten methodischen Behauptungen paßt, folgert Sare, daß es eben zum Zweck einer solchen Bestätigung von Apel erdichtet sein müsse.“ Lezteres spricht nun zwar Sare nicht gerade aus, aber zu Ehren des menschlichen Verstandes sind wir gezwungen anzunehmen, daß er etwas Aehnliches sich gedacht habe.

Darüber daß Sare auf solche,,bodenlose" Ideen kam, verwundere ich mich nicht, die Sagacität mit der er aus Apel's deutlichen Worten einen Löwener Professor herauszulesen verstand, ist für ihn bezeichnend genug; aber unbegreiflich ist es, daß er Anhänger und Nachbeter fand. Wenn ich unter diesen Joseph Ludwig Ernst Püttmann 251) zu nennen habe, so kränkt mich das weniger, doch ungern erwähne ich, daß ein Mann, der vortreffliche Nachrichten über das Leben Johann Apel's gegeben hat und sich durch feines treffendes Urtheil auszeichnet, durch die Phantas fieen eines Sare ergözt werden konnte. Ich meine den anonymen Verfasser eines Aufsages über den Brachylogus in dem,,Allgemeinen literarischen Anzeiger" vom 2. August 1798. Er stellt zwar Johann Apel,,mit einem Ulrich Zafius in Parallele" und bewundert in der

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