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unter dem Arm in die Vorlesung eines berühmten Doctors. Albericus ein älterer Jurist kommt entgegen und fragt: Wohin? Da, in das Auditorium der Rechtslehrer, entgegnet Sempronius. Also zu dem celebren Professor, sagt Albericus, der den vornehmsten Leuten, ja selbst Fürsten furchtbar ist. Ja, erwidert Sempronius, zu ihm, der einmal einem über seine Ausführungen zu Gunsten eines Gegners erzürnten und mit seiner Ungnade drohenden Fürsten die Antwort gab, er wolle sich bemühen, Sr. Hoheit fortan ein ungnädiger Doctor zu sein, wozu sich auch bald Gelegenheit bot, da der Fürst seine Hülfe suchen mußte, die aber erst nach langem Bitten und nachdem drei Boten geschickt waren, gewährt wurde.

Weiter entwickelt sich folgendes Gespräch:

Alb. Wie viele Jahre studirst du die Rechte? Sempr. Jahre? Noch nicht einen ganzen Monat. Alb. Welches Pandektenfragment erklärt jezt der Professor seinen Hörern?

Semp. Die Lex, welche mit den Worten beginnt, Si non sortem im Pandektentitel de condictione indebiti (Fr. 26 d. C. I.)

Alb. Ah! jene dunkle und schwierige Stelle.

Sempr. Ja so muß es wohl sein, Albericus! Ich bin in diesem Auditorium blind und taub; aber doch nicht so eigentlich taub, ich höre die einzelnen Worte, verstehe aber nichts von Allem, was geredet wird, gerade so als ob ein Sarmate predigte. Denn zuerst weiß ich nicht, was das Wort sors bedeutet und der Professor, da er über die Anfangsworte der Lex sich verbreitete, hat es nicht erklärt . . . . . Dann, wenn der Docent von Civil- und Naturalobligationen redet und zwischen

beiden ängstlich unterscheidet, ferner wenn er von ignorantia iuris et facti spricht, verstehe ich so viel, wie nichts. Was usura centesima sei habe ich bei Andreas Alciat gelesen, doch stimmt dessen Erklärung nicht mit der des Accursius und unseres Professors. Ueberdem, wenn der Verfasser der Pandektenstelle von condictio spricht, redet der Professor lediglich von conditio

Die obsequia libertorum und die operae vermengt er so, daß er sich nicht scheut die obsequia operas obsequiales zu nennen

Dann bringt er unendlich viele Worte vor, die ich nicht verstehe: Stipulation, Acceptilation, Präscriptio, Novatio u. s. w. Ich verzweifle fast daran, in dieser Wissenschaft es zu etwas zu bringen und es möchte besser sein nach Hause zurückzukehren und gar nichts zu thun, als hier mit allem Schweiß nichts auszurichten.

Albericus ermahnt den desperaten Sempronius standhaft auszuharren und auf einem kürzeren und befseren Weg eine Grundlage für juristische Studien zu legen, nämlich die kaiserlichen Institutionen bei dem da für öffentlich angestellten Docenten zu hören. Sempronius entgegnet: Ich war wiederholt auch in den Vorlesungen dieses Mannes und trug da noch weniger da von als bei dem, von welchem wir eben sprachen. Denn der Institutionarius erklärt den S. Praeterea de actionibus (§ 31 I. de actt.), bei welcher Stelle er, wie mir erzählt wurde, schon länger als einen Monat verweilt. Guter Gott, wie vieles höre ich da, was ich nicht verstehe: Actiones bonae fidei, actiones stricti iuris, actiones arbitrariae, restituere, exhibere, solvere, debere, actiones in rem, in personam, Publiciana, Serviana, Hypothecaria, arbitrium iudicis,

officium iudicis, lehteres bald als nobile, bald als mercenarium, bald als inhaerens actioni, bald als non inhaerens bezeichnet, dann noch vis, metus, dolus. Alles übrige der Art könnte, so viel ist es, selbst den geschwäßigen Fabius ermüden (wie Horaz sagt); es heißt, daß es schon in das fünfte Jahr gehe seitdem der Professor seine öffentliche Institutionenerklärung anfing und es steht zu befürchten, daß er dieselbe innerhalb eines Jahres noch nicht zu Ende bringen werde.

Die Schilderung Apels ist keineswegs übertrieben. Die sechs oder siebenjährigen Institutionenvorlesungen verfehlten ihren Zweck und wurden deshalb nur von Wenigen gehört, die Pandektenvorlesungen ließen sich ohne Vorbereitungscollegium nicht verstehen. Wer daher wirklichen wissenschaftlichen Trieb in sich hatte, mußte sich autodidactisch bilden, indem er an das Studium von Alciat, Budeus und Zasius sich begab, wie denn auch Apel seinen Sempronius öfter versichern läßt, er habe das oder jenes aus einem der drei genannten Autoren gelernt.

Der Gedanke liegt nicht fern, daß Apel, als er Jurisprudenz zu treiben begann, mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, wie Sempronius, ja es mögen sogar bestimmte Persönlichkeiten sein, die er bei seiner Schilderung des Pandektisten und Institutionarius vor Augen hatte. Es war wol ein Privatlehrer der Institutionen, von dem er unter der Maske des Sulpitius sagt 20): „Ich hatte als Jüngling einen in Bezug auf das, was zu den ersten Anfangsgründen gehört, sehr gewissenhaften Lehrer." Bei der Nuhlosigkeit der öffentlichen Institutionenvorlesungen geschah es nämlich häufig, daß einzelne Studenten, die vielleicht schon seit

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Jahren sich vergeblich abgemüht hatten, zu jüngeren · etwa noch als Mgri, artium öffentlich nur philosophica Lesenden Lehrern sich begaben und sich von diesen Institutionen privatim vortragen ließen, jedoch so, daß das Absolviren der ganzen kaiserlichen Institutionen innerhalb Jahresfrist besonders ausbedungen wurde. - Möge dem sein, wie ihm wolle, wir sehen: auch seine juristische Bildung mußte Apel zum großen Theil autodidactisch sich erwerben. Dazu war Energie und kein geringer Aufwand geistiger Kraft erforderlich, besonders da er den Humanisten sich angeschlossen hatte, welche auf die da malige Schuljurisprudenz mit großer Verachtung herabsahen. Hutten vermochte es bekanntlich nicht den Eckel, welchen ihn der Accursische Absynth" verursachte zu überwinden. 21) Ebenso erging es Eoban Hesse: er verkaufte eines schönen Morgens zu Leipzig die juristischen Bücher, welche ihm der Bischof Hiob von Pomesanien zu Riesenburg angeschafft hatte, und warf die Beschäftigung mit Jurisprudenz bei Seite. 22) Mutian 23) schreibt von der Schuljurisprudenz:,,Es ist kein Zeichen von Talent, Geschmack und Gelehrsamkeit jenen Kris kram zu kennen." Zwar war für eine elegantere, an die humanistischen Studien sich anschließende Jurisprudenz die Bahn durch Alciat, Zasius und Budeus gebrochen, allein daß die wissenschaftlichen Errungenschaften' jener Männer nicht so bald Gemeingut werden konnten, daran war vorzugsweise eben jene verkehrte Lehrmethode schuld, die wir kennen lernten. Die Mehrzahl der Humanisten, auch derjenigen, welche selbst Juristen waren, wie z. B. Mutian ließ, es bei dem Raisoniren über die Jurisprudenz jener Zeit bewenden, ohne daran zu denken, die Ergebnisse der philologischen und histo

rischen Studien, welche mit Vorliebe betrieben wurden, der Rechtswissenschaft zu Gute kommen zu lassen und durch Reform der widerwärtigen traditionellen Methode, der ganzen Disciplin einen eleganteren Charakter zu geben. Ja es kam wol vor, daß Leute, die auf einer Seite als Vorkämpfer des Humanismus auftraten, auf der andern als barbarische Schuljuristen erscheinen und selbst ihr gutes Latein verläugnen, wenn sie sich als solche zeigen 24). Johann Apels geistige Beanlagung duldete eine solche Zerfahrenheit nicht, er konnte nicht in zwei Gestalten bald im Prachtgewande des Königs, bald in den zerfeßten Lumpen des Bettlers erscheinen, es war bei ihm eine Nothwendigkeit, daß der Humanist auch den Juristen durchdrang. Wol wurde er gerade deshalb von einigen seiner Parteigenossen für nicht ganz voll angesehen, aber er war zu einheitlicher Durchbildung und voller Reife des Geistes gelangt. Wir finden ihn 1519 in Würzburg, er schreibt von dort an Eoban Hesse und läßt den Augustinerprior Johann Lange zu Erfurt, Justus Jonas sowie Johannes Draconites grüßen (f. Beilage IIII); 1520 verkehrte er wieder zu Wittenberg und Leipzig. Melanthon schreibt im Februar jenes Jahres an den breslauer Theologen Joh. Heß aus Nürnberg 25): Es grüßen Dich alle Deine Freunde, vorzüglich Dominicus Schleupner, Johann Apel, Ulrich Binder und Hermann Tulich. Förstemann 26) erzält, Apel habe damals in Wittenberg juristische Vorlesungen gehalten. Ich habe dafür eine sichere Quelle nicht auffinden können. Ein Brief Ulrichs von Hutten vom 4. Juni 1520 an Petrus Mosellanus, worin er Apels durch Mosellan ihm zugekommenen Gruß erwidert, wurde erst kürzlich bekannt 27).

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