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rus Schade Mosellanus und ein gewiffer Dionysius empfohlen. Nur der Erstere ist bekannt, sein Ruhm als eleganter Philologe und Redner, als vielanregender Docent ist heute noch nicht verklungen. Er wirkte seit 1513 in Leipzig. Apel nennt ihn seinen Lehrer 13). Aus einer Andeutung aber schließe ich, daß Apel auch als Schüler des von 1514 1517 für griechische Literatur in Leipzig angestellten Engländers Richard Crocus sich bekannte.

Doch hier entsteht die Frage: War Apel, der im Jahre 1516 schon dreißig Jahre zählte, immer noch Student? Die Versuchung „Ja“ zu sagen, ist stark, denn bei dem Mangel an andern Quellen ist der Umstand, daß Apel Mosellan seinen Lehrer nennt, allerdings von Gewicht. Allein es ist zu bedenken, wie es damals gar nicht selten vorkam, daß auch Männer reiferen Alters, die schon selbst docirten oder Staatsämter beklei deten, nochmals die Hörsäle berühmter Universitätslehrer frequentirten. Namentlich fingen häufig lesende Magistri artium erst nach längerer Lehrthätigkeit an, die Auditorien der Juristen zu besuchen. Vielleicht daß Apel als Magister legens in Leipzig sich aufhielt und nicht nur seinen juristischen Studien, denen er sich damals jedenfalls schon gewidmet hatte, oblag, sondern auch aus besonderer Neigung seine humanistische Bildung vervollkommnete. Eine Spur deutet an, daß jene ihn vorher schon nach Erfurt geführt habe.

Wissen wir so von den äußeren Verhältnissen Johann Apels während seiner Lehrzeit so gut wie nichts, so sind wir doch so glücklich, ziemlich genau den Gang und die Richtung seiner Studien schildern zu können. Dazu hilft uns eines seiner späteren Bücher, nämlich die

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in Form eines Dialogs verabfaßte Isagoge in quatuor libros Institutionum diui Iustiniani. Die Personen des Dialogs sind Sulpitius, Albericus, Sempronius, unter dem Namen Sulpitius aber führt Apel zweiffellos sich selbst redend ein.

Uns interessirt zunächst eine Stelle 14), in welcher Sulpitius erörtert, welche Vorbildung erforderlich sei, um mit Nußen an das Studium der Jurisprudenz heranzutreten. Es ist nicht genug, sagt er, daß ein solcher Neuling Grammatik aus Alexander Gallus kenne, sondern er muß auch in der Geschichte tüchtig bewandert sein und wissen zu welchen Zeiten die einzelnen römischen Kaiser regierten, unter wem ein Jeder der Römischen Juristen respondirte, welches die Amtsbefugnisse des Prätors und der übrigen Magistrate waren. Dazu muß er mit den Comödien des Terenz, den Schriften des Cicero, Sallust, Livius, Quintilian und anderer ausgezeichneter Autoren, denen ich Erasmus von Rotterdam und andere heutige Celebritäten beigeselle, sich nicht fruchtlos bekannt gemacht haben. Auch darf er die griechische Literatur nicht ganz vernachlässigen, wenn er ein tieferes Eindringen in dieselbe nicht erstreben kann oder will. Denn es sind sehr viele Stellen der Justinianischen Rechtsbücher, die ohne solche Kenntniß unverständlich bleiben

Dann soll er nicht unerfahren sein in der Dialektik, er lerne fleißig definiren und richtig eintheilen, nicht aber treibe er jene ängstliche Dialektik des vorigen Jahrhunderts, die bis vor kurzem herrschte. . . . Mathematik aber, Rhetorik und Poesie begreife ich unter der grammatikalischen Vorbildung (reinen Schulbildung), so daß ich von einem Hörer der Jurisprudenz eine tüchtige, so zu sagen encyklopädische Vorbildung verlange, denn solche

zusammenhängende Einsicht in viele wissenschaftliche Disciplinen ist für einen Rechtsbeslissenen unerläßlich.“

Besaß Apel selbst, als er zum Studium der Juris prudenz sich begab, die Vorbildung, welche er hier von einem angehenden Juristen fordert, so muß er manches Jahr auf dieselbe verwendet haben. Es war damals nicht so leicht, wie heute, sich in den Besiß eines umfang: reichen Wissens zu sehen. Den meisten Universitätslehrern jener Zeit ging dasselbe ab. Apel wünscht zwar, daß vor Allem die Docenten eine umfassende gelehrte Bildung besigen möchten, wo dieß aber nicht der Fall, da müßten wenigstens die Schüler sie zu erwerben suchen : ,,Denn wir lernen nicht Alles von den Lehrern, vielmehr ist nöthig, daß wir durch fleißige Lectüre autodidactisch das Meiste erreichen."

Dieß deutet darauf hin, daß Johann Apel selbst in der geschilderten Weise Autodidact war. Wenn auch humanistische Lehrer ihn angeregt hatten, so wirkten dieselben damals noch zu vereinzelt, als daß an Durchmachen eines vollständigen Lehrkursus im heutigen Sinn zu denken gewesen wäre. Und was den juristischen Unterricht jener Zeit betrifft, so konnte er nicht einmal den Anstoß zu frischer geistiger Thätigkeit geben. Lehrer und Studenten standen auf unglaublich niedriger Bildungsstufe. Die Letteren anlangend, ist es interessant, dem idealen Bild gegenüber, welches Apel von einem wolvorbereiteten Rechtsstudiosen entwirft, den Zustand kennen zu lernen, in welchem die Mehrzahl in Wahrheit sich befand. Apel selbst schreibt im Jahr 1535 15): ,,Bisanher haben wir dermassen in iure studirt, das vnter dreissig gelarten iuristen nit einer ein rechten lateinischen brief schreiben kann. wie wol got lob die iungen gesellen

sich numals vnterstehen vorhin latein, darnach iura zustudiern, vnd sünderlich zu Wittenberg. das mag man dem melachthon dangken. wie wol auch nit alle." Bekannt ist die Erzählung Ulrichs v. Hutten von einem Studiengenossen in Pavia, der, als einmal der berühmte Rechtslehrer Jason von Mayno nach vielen anderen Citaten fortfuhr:,,Et Alexander de Imola ac sequaces" sich zu seinem Nachbar mit der Frage wendete:,,Wer ist der Sequaces ?" 16) Als Spalatin die Absicht hatte, sich der Jurisprudenz zuzuwenden, schrieb ihm Mutian 17): ,,Latinus inter barbaros versabere." Wir dürfen daher wol annehmen, daß durchschnittlich den damaligen Rechtsstudenten selbst eine nothdürftige Kenntniß der la teinischen Sprache abging, geschweige denn, daß sie in den anderen Wissenschaften, die Apel ihnen empfiehlt, bewandert gewesen wären.

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Und von wem und wie wurden solche Schüler unterrichtet? Durch das Eindringen der fremden Rechte in Deutschland waren die gelehrten Juristen wichtige Leute geworden: in den Räthen der Fürsten und Städte, bei Gesandtschaften, in den Gerichten, sowohl als Urtheiler, wie als Sachwalter, waren sie unentbehrlich. Sie saßen die halbe Zeit ihres Lebens auf dem Pferd oder im Wagen, um von Termin zu Termin, von Verhandlung zu Verhandlung zu eilen: für ruhige wissenschaftliche Be schaulichkeit blieb keine Zeit. Praktiker waren Alle, die Meisten handwerksmäßige Praktiker, welche geistlos nach traditionellen Formularen arbeiteten, aber routinirt genug das Getriebe des geschäftlichen Verkehrs beherrschten, nur Wenige Männer, welche an dem großen Werk ihrer Zeit, der wunderbar umgestaltenden und doch nicht völlig zerstörenden Verarbeitung des einheimischen Rechtsstoffs mit

Römischer Wissenschaft, in vollem Bewußtsein schafften. Als Lehrer aber waren die Leßteren nicht mehr werth als die Ersteren. Wer eine Lectura, d. h. eine Professur, hatte, erklärte eben die wenigen Tage der Woche, an denen er sich heimisch hielt“, einige Stellen der ausländischen Quellen, so gut er es konnte. Aus einem handschriftlichen Verzeichniß der zu Wittenberg vom 24. August bis zum 25. December 1519 gehaltenen juristischen Lectionen 18) ist ersichtlich, daß von sämmtlichen Docenten täglich 6 Stunden angekündigt waren, daß aber in der That bloß in der Zeit vom 17. October bis zum 11. November des Tags 4 oder 3 Stunden regelmäßig gelehrt wurde, während außerdem wochenlang das Lesen ganz unterblieb oder nur hin und wieder mit einer oder zwei Stunden des Tags fortgesetzt wurde. Die Docenten waren meist auswärts, einer hatte längere Zeit in Erfurt, zwei andere bei den Herzogen von Mecklenburg zu thun, die Studenten mußten daher feiern. Da: bei war, wie schon angedeutet, die Behandlungs- und Lehrmethode der Wissenschaft rein eregetisch; doch nicht so, daß auch bei aller Unfähigkeit der Docenten die. Lectüre der Quellen selbst einen erfrischenden Eindruck auf die Zuhörer hätte machen können, vielmehr wurden geist los und ermüdend über wenige Worte endlose Commen tare fortgesponnen, welche in den Formen der scholastischen Dialektik, in Notationen, Positionen, Oppositionen, Definitionen, Ampliationen, Limitationen 2c. sich fortbewegten und überall mit massenhaften Citaten gelehrt aufgepuht waren.

Doch hören wir unseren Apel einen Lehrer jener Zeit und sein Collegium schildern. 19) Der junge Stu dent Sempronius eilt mit einem mächtigen Folianten

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