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Canonisten hart aus 82). Jm Consistorium scheinen wieder die heimlichen Verlöbnisse Zweifel zu erregen, andere Fragen über die Kirchenzucht, Ercommunication und Bann waren zur Erörterung gekommen und hatten Differenzen veranlaßt; kurz wir sehen Luther am 23. Febr. 1539 auf der Kanzel, nachdem er eine ernste Predigt über Ercommunication und Bann gethan, im heftigsten Zorn gegen die Juristen und Kanonisten entbrennen,,,so die Lehre des Evangelii verachteten und die jungen Gesellen so iura studirten, in ihren Lectionibus mit papistischem Gräuel verwirrten, redeten schäbicht von Theologen und hießen sie Eselsköpfe." Das wolle er ihnen nicht schenken, er habe jezt 3 Jahre geschwiegen, aber er wolle es ihnen vertreiben, die Theologen verz spotten und,,gottlose Lehren den jungen Leuten einbilden in lectionibus"83).

Das war aber nur ein Vorspiel zu heftigeren Ausbrüchen, die am Sonntag Reminiscere (2. März) 84) und Iudica (23. März) 1539 erfolgten 85). Luther sprach wider die Ansichten der Juristen von der Digamie, gegen das Lehren des kanonischen Rechts überhaupt, lobte das Röm. Recht und erging sich über das kanonische in Ausdrücken, die, der überkräftigen Sprache jener Zeit entnommen, von zarten Ohren des 19. Jahrhunderts nicht ertragen werden dürften. Und wenn du gleich einen Juristen destillirtest ad quintam essentiam, heißt es unter Anderem, so vermag er nicht ein einziges Gebot Gottes auszulegen, er sei so gelehrt und klug als er wolle."

Luther mag selbst gefühlt haben, daß er zu heftig gewesen. Kurze Zeit nachher (am 21. April) äußert er sich zwar bei Lectüre des kanonischen Rechtsbuchs

Kurfürst Johann Friedrich sich in's Mittel schlagen mußte. Er rescribirte unter dem 8. Januar an Bugenhagen, Melanthon und Brück: Ueber das, was streitig und zweifelhaft sei, namentlich über Ehefragen, möchten Juristen und Theologen sich freundschaftlich vertragen und so weit es ohne Schaden für die christliche Lehre, die Luther aufgestellt habe, möglich, einig sein, mit Hintansehung des kanonischen Rechts 95). Die Juristen scheinen sich aber nicht gefügt zu haben. Luther reichte am 22. Jan. 1544 wegen der heimlichen Verlöbnisse noch eine Vorstellung an den Kurfürsten ein 96). Er hebt besonders die Gefahr der kanonischen Satzung für die Universität Wittenberg hervor: Wir haben einen großen Haufen junges Volk aus allerlei Landen, so ist das Mägdevolk kühne worden, laufen den Gesellen nach . . . wo sie können, bieten ihnen frei ihre Liebe an; und ich höre, daß viele Aeltern ihre Kinder sollen heimgefordert haben, und noch fordern, und sagen: wenn sie ihre Kinder schicken zu uns in's Studium, so hängen wir ihnen Weiber an den Hals, entziehen ihnen ihre Kinder; daraus diese feine Schule einen bösen Namen bekommet."

Allein auch hierdurch scheint die Sache noch nicht zu einem Abschluß gebracht zu sein. Doch vereinigte sich endlich Luther im Lauf des Jahres 1544 oder zu Anfang 1545 mit den Juristen zu einem Vergleich (Concordia), welcher sich nicht bloß auf die heimlichen Verlöbnisse, sondern auf die streitigen Fragen des Ehe rechtes überhaupt erstreckte. Ich habe denselben vor einigen Jahren in einem Actenfascikel des Weimarer Cummunalarchivs aufgefunden und zuerst veröffentlicht 97). Luther aber verließ sein Unmuth über die ganze Angelegenheit

wieder ein heftiger Handel mit den Juristen über die heimlichen Verlöbnisse." Das Consistorium hatte in Ehesachen ein Urtheil erlassen, gegründet auf die ka nonische Lehre von den sponsalia clandestina. Besonderen Aerger veranlaßte bei Luther auch der Jurist D. Melchior Kling, ein Schüler Schürpfs, welcher Kanonisches Recht im Geist seines Lehrers lehrte und in der Angelegenheit der Grafen von Mansfeld einer Partei als Anwalt diente, in welcher Eigenschaft er dem Luther sehr am Herzen liegenden Vergleiche entgegen war. Da hielt Luther am heil. Dreikönigstag eine starke“ Predigt, wie er sie selbst nennt 93). Ueber die Lehre von den heimlichen Verlöbnissen, von der Digamie über das ganze juristische Beweisrecht wird der Stab gebrochen; es wird angedeutet, die Juristen seien dem Erzbischof von Mainz Erzbischof Albrecht von Mainz, dem großen Gegner des Evangeliums erge ben 94) und wollten den Papst wieder hereinbringen. Troß der Weisung des Kurfürsten hielten sie am kanon. Recht fest, verwirrten so das Consistorium und die Jugend; sie anerkennten weder D. Pommer (Bugenhagen) für einen Bischof noch hielten sie ihn (Luther) für ihren Prediger. Es wäre kein Wunder, wenn Gott die Welt versinken ließe um der Schandjuristen Willen, man sollte solchen stolzen Tropfen die Zunge aus dem Halse reißen u. s. f. „Ich bin zornig und will es auch sein, schließt er endlich, ich kann es nicht leiden, daß der Papst und der Bischof von Mainz durch die Juristen sollten die Kirche regieren. Darum hebt Euch aus der Kirchen und trefft das Loch, liebe stolze Junkern, ich will Euch hierin nicht wissen".

Die Zerwürfnisse waren so bedenklich geworden, daß

Kurfürst Johann Friedrich sich in's Mittel schlagen mußte. Er rescribirte unter dem 8. Januar an Bugenhagen, Melanthon und Brück: Ueber das, was streitig und zweifelhaft sei, namentlich über Ehefragen, möchten Juristen und Theologen sich freundschaftlich vertragen und so weit es ohne Schaden für die christliche Lehre, die Luther aufgestellt habe, möglich, einig sein, mit Hintansehung des kanonischen Rechts 95). Die Juristen scheinen sich aber nicht gefügt zu haben. Luther reichte am 22. Jan. 1544 wegen der heimlichen Verlöbnisse noch eine Vorstellung an den Kurfürsten ein 96). Er hebt besonders die Gefahr der kanonischen Sazung für die Universität Wittenberg hervor: „Wir haben einen großen Haufen junges Volk aus allerlei Landen, so ist das Mägdevolk kühne worden, laufen den Gesellen nach wo sie können, bieten ihnen frei ihre Liebe an; und ich höre, daß viele Aeltern ihre Kinder sollen heimgefordert haben, und noch fordern, und sagen: wenn sie ihre Kinder schicken zu uns in's Studium, so hängen wir ihnen Weiber an den Hals, entziehen ihnen ihre Kinder; daraus diese feine Schule einen bösen Namen bekommet."

Allein auch hierdurch scheint die Sache noch nicht zu einem Abschluß gebracht zu sein. Doch vereinigte fich endlich Luther im Lauf des Jahres 1544 oder zu Anfang 1545 mit den Juristen zu einem Vergleich (Concordia), welcher sich nicht bloß auf die heimlichen Verlöbnisse, sondern auf die streitigen Fragen des Eherechtes überhaupt erstreckte. Ich habe denselben vor einigen Jahren in einem Actenfascikel des Weimarer Cummunalarchivs aufgefunden und zuerst veröffentlicht 97). Luther aber verließ sein Unmuth über die ganze Angelegenheit

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nicht. Dieses halben und wegen anderer Dinge kehrte er im Juli 1545 Wittenberg den Rücken in der Absicht, nie mehr zurückzukehren. Nur die liebreiche Ansprache des Kurfürsten bewog ihn, seinen Entschluß zu ändern.

Luther starb, wie bekannt, am 18. Febr. 1546. Bei seinem Leichenbegängniß gewahren wir Schürpf in den vordersten Reihen der Leidtragenden 98). Das alte Freundschaftsband aber, das ihn ehemals mit Luther vereint hatte, war nicht wieder geknüpft worden: die Kluft zwischen beiden Männern war zu tief gerissen, als daß sie vollständig hätte ausgefüllt werden können. Schon seit längerer Zeit hatte sich Luther gewöhnt zu sagen:,,Alle Juristen seien gottlos außer D. Brück“ 99).

Schürpf hat in dem ganzen Streit mit Luther eine große Festigkeit gezeigt. Er, der in Entschlüssen zaghafte und bedenkliche, war standhaft, ja hartnäckig, wenn es galt, den einmal als richtig erkannten und betretenen Weg einzuhalten. Dem Widersacher gegenüber zeigt er sich allerdings nicht ganz frei von Empfindlichfeit; aber ein Zeitgenosse sagt nicht ohne Beziehung auf die argen Ausfälle, welche sich Luther erlaubt hatte: 100),,Wenn Schürpf angegriffen wurde, unterdrückte er den Schmerz und die Nachbegierde, der öffentlichen Ruhe und Gottes wegen." Sein Auftreten gegen die Theologen war auch nicht etwa anmaßend. In einem Consil 101) z. B., in welchem er die Untrennbarkeit der Ehe behauptet, sagt er: „Ich weiß wol, daß einige jeztlebende Theologen von großem Ansehen und eminenter Gelehrsamkeit anderer Ansicht sind .... Allein die klare Gesezesstelle steht entgegen. Deshalb mögen wol die erwähnten Herrn Theologen auf ihrem Sinn bleiben; bei'm Geben rechtlicher Rathschläge aber und beim Ur

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