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derem heißt:,,Ich werde Dich immer glücklich preißen, berühmter Hieronymus, da Dir ein so ausgezeichneter Schüler wie Ulrich Mordeisen, auf unserer Universität (Padua) Consiliarius der deutschen Nation, bescheert wurde, der allein hinreichte, um den hohen Ruf Deines celebren Namens noch weiter auszubreiten".

Auch zu hohen Personen trat Schürpf in nahe persönliche Beziehung. Nicht blos zu seinen vornehmen. Schülern, auch seine Landesherren, Fürst Georg von Anhalt und Andere, pflegten sich mit ihm über öffent liche Angelegenheiten und kirchliche Fragen zu unterhalten ; der Kurfürst von Brandenburg, die Herzoge von Mecklenburg erforderten seine persönliche Gegenwart, um sich von ihm berathen zu lassen; noch im hohen Alter widmete er die dritte Hundertsammlung seiner Consilien König Christian III. von Dänemark, der von lezterem empfangenen Gnadenbezeugungen gedenkend. Auch mit Herzog Albrecht in Preußen stand er im Briefwechsel.

Das Vorgetragene reicht hin, um die große Bedeutung unseres Mannes in seiner Zeit zu beweisen. Wollen wir aber ein deutlicheres Bild von ihm bekommen, so müssen wir uns wieder in die engen Mauern von Wittenberg begeben und ihn in seiner Häuslichkelt, wie in engerem Freundeskreise, kennen lernen. Um das Jahr 1512 hatte sich Hieronymus Schürpf verheirathet 33). Gar wild tobte das Leben der brausenden Jugend durch Wittenbergs Straßen; damals war die ganze Universität in Aufregung versezt durch den Mord des Rectors Ulrich Erbar, den ein relegirter Student erschlagen hatte. Dazu bietet einen wohlthuenden Gegensatz der junge Professor mit seiner freundlichen Gattin, umgeben von gesitteten, fleißigen Schülern, die als Haus- und

Tischgenossen aufgenommen, gleich Söhnen gehalten werden und als solche sich betrachtend, den Familienkreis vergrößern. Wohl schon etwas früher hatte sich der Freundschaftsbund geknüpft, der Schürpf mit den Theologen Nicolaus von Amsdorff und Luther verband. Letterer war gegen Ende des Jahres 1508, wahrscheinlich zu Anfang des November nach Wittenberg gekommen. Zum Lesen über aristotelische Philosophie und zum Predigen berufen, scheint er, nach überwundener anfänglicher Schüchternheit, großen Eindruck auf der Kanzel gemacht zu haben. Ahnungsvoll sagte von ihm, dem damals noch fest an der Römischen Kirche und dem Papste hängenden, Martin Pollich: Der Mönch wird alle Doctores irre machen, eine neue Lehre aufbringen, und die ganze Römische Kirche reformiren, denn er legt sich auf der Propheten und Apostel Schriften und stehet auf Jesu Christi Wort, das kann Keiner weder mit Philosophey, noch Sophisterey . . . umstoßen und widerfechten. Der Mönch hat tiefe Augen und wunderbare Phantasias, er wird allen Doctoren zu schaffen machen und großen Lärm erregen "34).

Von Anfang gehörte zu Luther's eifrigsten Hörern Hieronymus Schürpf. Schon zu Erfurt hatte auf Luther der Ausspruch des heiligen Bernard über die Vergebung der Sünden durch die Gnade Gottes und den Glauben einen tiefen Eindruck gemacht 35). Er mochte auf den selben in seinen Wittenberger Predigten oft zurückkommen und es wird von Schürpf berichtet, daß auch er ge rade durch jene Aeußerung tief ergriffen und innerlich erbaut worden sei. Er suchte und fand persönlichen Umgang mit Luther und machte nun denselben Entwicklungsgang durch, wie dieser. Nachdem er durch

Lesen der heiligen Schrift die Ouelle reinen Glaubens fennen gelernt hatte, sprach er die Streitfragen mit Luther und Amsdorff,,,die er wie Brüder liebte", durch, er erkannte, daß es eine einige Kirche Gottes gebe und daß es die sei, welche auf den prophetischen und apostolischen Schriften ruhe. Auch in die Werke der Kirchenväter drang er ein, er verglich die Lehren der alten Kirche mit den Dogmen neuerer Jahrhunderte und wurde hoch erfreut, als er gewahrte, wie die Lehre Luther's übereinstimmte mit den Säßen der alten reinen Kirche, mit den Schriften des heiligen Augustin und Anderer. Augustin war ihm besonders werth. Ueber Chrisost omus urtheilte er eben so ungünstig wie Luther 36 ). Schürpf hat später häufig geäußert, er sei der Meinung, daß der erste Verderb des Evangeliums und der reinen Lehre dadurch entstanden sei, daß die Kirchenlehrer müde geworden seien, die üblichen Ausdrucksformeln der Kirche immer und immer zu wiederholen und dem Volk dieselben Worte einzuprägen, deshalb habe man nach neuen und ungebräuchlichen Ausdrucksweisen gesucht, denn die Menschen seien leicht zum Ueberdruß geneigt und neuerungssüchtig 37).

Immer aber blieb es die Lehre von der Rechtferti= gung durch den Glauben, welche Schürpf besonders an Luther's Lehre fesselte. Aus einem Glaubenskenntniß, welches er an Herzog Johann schrieb, ist uns die Stelle überliefert:,,Wir werden nicht wegen unseres Glau bens gerecht, sondern um des Mittlers, des Sohnes Gottes willen"; also Rechtfertigung wohl durch den Glauben, aber nicht wegen unseres Verdienstes, sondern wegen Christus 38).

Schürpf war somit ein Glied der befreundeten

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Genossenschaft" von welcher Luther in Briefen aus jever Zeit schreibt. Zu den uns schon Bekannten treten nach und nach zum Theil auch erst später Karlstadt, Spalatin, Justus Jonas, Melanthon und der Mediciner Augustin Schürpf, des Hieronymus Bruder, hinzu. Im Kreise solcher Männer, der oft noch erweitert wurde durch Kranach oder andere angesehene Einwohner Wittenbergs und durch fremde, durchreisende Gelehrte mag es oft gar lebhaft zugegangen sein in einer Zeit, die so geistig aufgeregt war, wie jene. Es wird erwähnt,,das gulden Fingerlein" Luthers,,,das viel Leute ärgert“, das hübsche Gemach, das über dem Wasser steht, darin man trank und mit andern Doctoribus fröhlich war, zum Biere auch wohl die Laute schlug u. s. w. 39). Der Streit zwischen den „Dunkelmännern“ und den Humanisten unter Reuchlin's Aegide war heftig entbrannt und die Wittenberger, besonders Luther, hatten sich bereits ziemlich offen auf Reuchlin's Seite gestellt, obgleich sie nicht eigentlich zur Schule desselben gehörten. Da kam, wie weltbekannt, im Jahr 1516 der Dominikaner Johann Tezel als Generalcommissär des Ablasses nach dem nördlichen Deutschland und gab den äußeren Anstoß zu Luther's Auftreten als Reformator. ,,Wie gar schwächlich ging's doch in der Erste an, erzählt Luther, da wir Anno 1517 nach aller Heiligen Tag gegen Kemburg zogen, da ich erstlich ansing zu schreiben wider die groben Irrthum von Ablaß. Da widerstund mir D. Hieronymus Schürpf und sagte mir:,,,,Was wollt Ihr machen? Man wird es nicht leiden"". Da sprach ich: Wie, wenn man's müßte leiden ?"40) Und man mußte es leiden. Schürpf, der anfangs ängstliche und

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zaghafte folgte mit kräftiger Entschiedenheit den kühnen Schritten des feurigen Freundes. Als am 3. Oktober 1520 D. Ed die päpstliche Bannbulle dem Rector der Universität Wittenberg zur Publikation sendete, stellten sich die gelehrten Räthe" des Kurfürsten an der Hochschule: D. Stehelin, D. Schürpf, D. Ch. Baier und mit ihnen die Corporation selbst auf Luthers Seite 41). Auch der berühmte Canonist D. Henning Göde erklärte, er halte von der Bulle nichts 42). Diese Standhaftigkeit der Juristen mag viel dazu beigetragen haben, den Muth anzufrischen und die Universität vor Schaden zu bewahren. Man fürchtete in Folge der Bulle maßenhaften Abzug der Studenten. Allein Spalatin, den der Kurfürst, um die Stimmung zu erforschen nach Wittenberg abgeordnet hatte, konnte schreiben: ,,Gott sei gelobt in Ewigkeit. Es gefällt mir noch allenthalben wohl zu Wittenberg und es steckt noch überall voll Studenten" 43). Freilich mag nicht nur Henning Göde, dem damaligen Ordinarius des kanoninischen Rechts, sondern auch Schürpf, dem ehemaligen Legenten des liber sextus und der Clementinen, ein Stich durch das Herz gegangen sein, als Luther am 10. Dezember 1520 vor dem Elsterthor zu Wittenberg mit der päpstlichen Bannbulle ein Eremplar des kanonischen Rechtsbuchs in die Flamme schleuderte. Aber er blieb treu zu einer Zeit, wo andere berühmte Männer schon bedenklich wurden und z. B. der große Jurist Ulrich Zasius zu Freiburg, der während des Ablaßstreites geschrieben hatte:,,Was ich von Luther in die Hände bekomme, das nehme ich auf, als ob es von einem Engel käme“ 44), an Luther die Worte richtete: - ich finde Einiges, woran ich Anstoß nehme. Die

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