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gekommen, daß lesende Scholaren befoldet wurden und so darf es uns nicht Wunder nehmen, wenn erzählt wird 17), Schürpf sei in dem ersten Jahre seines Verweilens zu Wittenberg noch Zuhörer der Juristen gewesen, während er selbst angibt, er sei gerufen und ihm ein jährliches Stipendium von 30 Goldgulden (à 21 gute Groschen) nebst dem Lebensunterhalt versprochen worden. Für lettere erhielt er eine Aversionalsumme von jährlich 10 Gulden, er versichert aber 17 Gulden gebraucht zu haben 18), eine Summe, die immer noch hoch genug ist, wenn man bedenkt, daß der jährliche Unterhalt für einen Studenten zu Wittenberg Anfangs des 16. Jahrhunderts nur auf 8 Goldgulden angeschlagen wurde.

bis dahin so öden WitSchon im ersten Jahre Unter den Inscribirten

Es begann nun in dem tenberg ein gar reges Leben. fanden 416 Inscriptionen statt. befinden sich die Lehrer, außerdem Scholaren aus allen deutschen Gauen, viele ältere Leute: Priester, Mönche, Canoniker u. s. w. Schürpf hielt die erste Disputation in der Artistenfacultät 19). Kurfürst Friedrich und sein Bruder und Mitregent, Herzog Johann, besuchten selbst zuweilen namentlich juristische Vorlesungen. In diesen zeichnete sich Schürpf durch Talent und schon erworbene Kenntnisse vor den übrigen Zuhörern aus. Er lenkte dadurch die Aufmerksamkeit von Männern, die bei Hof bedeutenden Einfluß hatten, auf sich. Daher wurde er

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Ostern 1505 zum Legenten des Liber sextus und der Clementinen zweier Theile des kanonischen Rechtsmit einer Besoldung von jährlich 60 Gulden ernannt und nahm um die nämliche Zeit den Doctorgrad in beiden Rechten an.

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Schon vorher, am 19. Oktober 1504, war er zum Rector der Universität erwählt worden. Als solcher in scribirte er in einem Semester 113 Studenten und deshalb wird sein Rectorat als ein blühendes bezeichnet. Bei v. Seckendorff20) findet sich die Nachricht, ein Ordinariat mit 100 Gulden Besoldung habe Schürpf im Jahr 1510 erhalten. Dieß ist aber ein Irrthum. Schürpf wurde nach eigener Angabe Walpurgis 1507 zum Ordinarius iuris civilis in Codice auf fünf Jahre mit einem Jahresgehalt von 100 Gulden bestellt 21). So wird er denn auch schon in dem interessanten Wittenberger Lectionsverzeichniß vom 1. Mai 150722) be= zeichnet. Später wurde Schürpf auch Kurfürstlicher Rath und Beisiter des gemeinschaftlichen Sächsischen Oberhofgerichts zu Altenburg und Leipzig. Als solcher erhielt er (,,one die Zerung") 60 Gulden Gehalt. In Folge der neuen am 7. Mai 1536 publicirten Fundation der Universität zu Wittenberg 23) wurde Schürpf als ,,der eldest vnnd furnembst“ zum ersten Legenten in Rechten (in Digesto veteri, infortiato oder Digesto novo) ernannt und erhielt dafür, wie für das Beziehen des Oberhofge= richts,,die Zerung derselben Hofgericht mit eingerechendt" dritthalb hundert Gulden. 24). Wir würden aber irren, wenn wir annehmen wollten, dies sei das ganze Einkommen eines Wittenberger Professors der Rechte gewesen. Die Anfäße für Collegienhonorare waren zwar sehr gering ein Wittenberger Theologe, Franz Lambert, empfing 1515 für eine sechsmonatliche Vorlesung über Lucas von jedem Zuhörer 15 gute Groschen - allein die große Menge der Zuhörer machte etwas aus. Zu den Honoraren kamen noch die Facultätseinnahmen, namentlich die Promotionsgelder

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ein Doctor der Rechte zahlte von 1508 an in Allem zweiundvierzig Gulden zwei ggr., der Ertrag der Nebenämter und die Einnahme aus der juristischen Praris. Schürpf erhielt,,Verehrungen“ von Fürsten und Städten, denen er diente, so z. B. 1549 dreißig Gulden von Herzog Albrecht in Preußen 25). Große Thätigkeit entwickelte er als Consulent in Rechtsangelegenheiten. Wir besitzen noch von ihm drei Sammlungen von je hundert rechtlichen Gutachten, die er auf Anfragen in verwickelten Rechtshändeln ertheilt hat 26). Sie erstrecken sich über alle Rechtsgebiete. Römisches und particuläres, insonderheit sächsiches Privatrecht, Prozeß, Staatsrecht, namentlich Lehnrecht, Kirchenrecht und sogar auf rein theologische Fragen. Kurfürsten, Herzoge, Fürsten, Grafen, Ritter, einfache Bürger und Bauern erscheinen als Anfragende. Die Sprache ist etwas steif, aber klar und bestimmt. Seine indirecten Lehrmeister, die Italiener des fünfzehnten Jahrhunderts, kann der Autor nicht verläugnen. Daher trotz des ausgesprochenen Strebens nach Kürze eine uns auffäl lige Breite. In jenem zeigt sich der Einfluß der Humanisten; aber Schürpf gehört nicht zu den genialen Geistern, welche in die für die Wissenschaft gebrochene Bresche rüstig eindringen und fortkämpfen. Ueberhaupt ist die reine Wissenschaft nicht sein Feld. Er ist Practiker, seine ganze Thätigkeit, sein ganzer Ideenkreis gehört der Gegenwart an; er bekümmert sich wenig um die Vergangenheit außer da, wo ein gegenwärtiges Bedürfniß wie in manchen kirchlichen Fragen — ihn dazu zwingt. Dem widerspricht nicht, was Luther sagt 27): Es ist ein Unterschied unter den Juristen: Etliche find natürliche Juristen, wie D. Gregorius Brück,

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der ist von Natur der fürtrefflichst Jurist, und in der Practica erfahren, in großen wichtigen Händeln wohl geübt und gewaltig. Etliche sind künstliche, das ist, die es aus'n Büchern fürnehmlich gelernt haben, ob sie wohl auch sinnreich sind und in Rathschlägen sehr geschickt, wie D. Hieronymus Schürpf; aber in der Practica gehets ihnen nicht so fertig von Statten. Etliche sind gar fromm, wie D. Sebald (Münsterer). Etliche aber find eitel Teufel." Luther versteht unter Practica nur die angeborene Gewandheit in Geschäften, im Umgang mit Menschen und im diplomatischen Verfehr; daß Schürpf ein rechter und guter Practiker in unserem Sinn war, zeigt sich auch darin, daß ihm die geistlose Anwendung der starren Rechtsregel auf vorliegende Fälle, ohne auf das individuelle Bedürfniß Nücksicht zu nehmen verhaßt war. D. Hieronymus," bemerkt Luther 28),,,ist ein scharfer Jurist, der Billigkeit lieb hat" und Schürpf selbst äußerte mit Bezug auf denUnterschied zwischen Recht und Gerechtigkeit: „Der Teufel führe mich weg, wenn's also geschieht, wie es in Büchern steht 29).

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Lehrmeister Schürpf's in der juristischen Praris war Henning Göde, sein College, dem oft das magn= ifike Prädikat: Alleinherrscher in der Jurisprudenz“ ertheilt wird. Nach Gödes Tod (1521) galt Schürpf als einer der ersten Consulenten Deutschlands, seine Consilia wurden in vielen Abschriften verbreitet, bis er sich endlich entschloß, um unberufenen Herausgebern zuvor= zukommen, eine Auswahl in mehreren Hundertsammlunlungen der Oeffentlichkeit durch den Druck zu übergeben.

Schürpf's Ruf als Practiker bewirkte, daß sich eine große Menge von Zuhörern um ihn schaarte. Seine

Vorlesungen zeichneten sich nicht durch Neuheit und Tiefe der Gedanken aus, wohl aber hatte er über ein wohlgeordnetes umfangreiches Wissen zu gebieten, das er würdig und klar mit hervortretendem sittlichen Ernst und liebenswürdiger Gemüthlichkeit seinen Zuhörern überlieferte 30). Geht ihm auch Das, was wir Eleganz nennen, durchaus ab, so ist er doch weit entfernt von der Geschmacklosigkeit Derjenigen, welche kurze Zeit zuvor über die Frage, ob des Lazarus Testament nach seiner Auferweckung gültig geblieben, stundenlang disputert hatten und die durch den in Tübingen erfundenen Fall von des Müllers losgebundenen Esel, der in des Fischers losgebundenen Kahn steigt und so fortgeschwommen ist, verhöhnt werden.

,,Ich habe eine ziemliche Schule und viel feiner Gesellen, die fleißiglichen studiren", schrieb einmal Schürpf an den Brandenburgischen Kanzler Johann Weinlob31). Von den fleißigen, feinen Gesellen sind viele aus fürstlichem Stamm, andere zeichnen sich in ihrem späterem Leben rühmlich aus. Nicht nur die meisten Collegen Schürpf's sind seine Schüler, sondern auch Männer in den höchsten Staatsämtern, besonders die für die Reformationsgeschichte so wichtigen sächsischen Kanzler und Räthe Brück, Franz Burkhard, Melchior Kling, Mordeisen u. A., verehren ihn als Lehrer.

So brachte ihn seine Thätigkeit als Docent und Consulent in Zusammenhang mit vielen ausgezeichneten Menschen; seine Verbindungen erstreckten sich über ganz Deutschland, ja darüber hinaus. Noch ist ein Brief des brrühmten italienischen Juristen Marianus Socinus d. J. an Schürpf vorhanden 32), worin es unter an=

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