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Verstandesreife und Gelehrsamkeit bei seinem fast_knabenhaften Aeußeren nicht ansah, zur Linken.

Der erste Gang wurde aufgetragen. Die junge Comtesse eben so ausgezeichnet durch seine Maniren, wie durch Eleganz und Lieblichkeit der Erscheinung, hob mit dem Messer einen Hühnerflügel von der Platte und legte ihn zierlich auf den Teller des Beanus; gleicher= maßen reichte sie dem Studenten ein Bruststück. Unser Beanus, welcher nie vorher die Schwelle eines feinge= sitteten Hauses überschritten und höchstens einmal entfernte Vettern einer Jungfrau aus so hohem Geschlecht weitab erblickt hatte, glaubte fich revangiren zu müssen, griff mit seiner schwieligen, übelaussehenden Hand in die Schüssel, nahm das größte der darin befindlichen Fleischstücke und legte so der Comtesse eine Portion vor, wie sie kaum jemals vor oder nachher auf dem Teller einer vornehmen jungen Dame gesehen war.

Die Schüssel wurde abgetragen. Als dieses der Beanus bemerkte, rief er überlaut:,,Es kommt doch noch mehr?!" Eine gelinde Aufwallung von Unwillen niederdrückend, strafte die Gräfin das hervorbrechende Kichern mehrerer als Tischgenossen zugezogener Hofleute mit ernstem Blick.

Die junge Comtesse aber nahm lächelnd von dem neu aufgetragenen Gericht eine ausgesuchte Portion und legte sie dem Studenten vor mit den Worten:,,Nimm, mein Bruder, iß! Denn du siehst, dein Genosse, welcher einen großen und starken Körper besißt, verachtet die Speise nicht; um so mehr bist du mit deiner zarten gebrechlichen Gestalt kräftiger Nahrung bedürftig; wie könntest du sonst Jenem, wenn er voranschreitet, folgen? Geneigten Haupts sprach der Student mit zierlichen

Worten der holden Jungfrau seinen Dank aus. Der Beanus dagegen saß stumm, sein Essen hastig verschlingend. Als er damit fertig war, verspürte er Durst. Und siehe vor ihm stand ein kostbares venetianisches Glas, gefüllt mit Elsasser Wein; und desgleichen vor der Comtesse eine schönvergoldete silberne Kanne, in welcher der delirirende Beanus Italienischen Schaumwein sich vermuthete. Freilich war bloß Trinkwasser darin — denn wer sollte einen starken und ausgezeichneten Wein in einer Kanne auftragen?, doch der Beanus, des Inhalts werth, griff danach und zitternd, unsicher, tölpelhaft, wie er war, stieß er mit dem Krug gegen das kostbare, von weiter Reise als theures Andenken mitgebrachte Glas, so daß dasselbe in tausend Stücke zersprang.

,,Zum Guckuck! rief er, und bei allen Heiligen, so etwas ist mir im Hause meines Vaters nie passirt.“ Und er sprach dießmal die Wahrheit, der Gute, denn im Hause seines Vaters, des Schäfers, existirte ein einziges Trinkgefäß: ein großer hölzerner Wassereimer, der kaum zerstörbar war. Doch der Student war wie mit Purpur übergossen, so schämte er sich des ungeschickten Benehmens seines Reisegefährten. Die junge Comtesse, seine Verlegenheit wahrnehmend, reichte ihm einen mit Wein gefüllten goldenen Becher, der vor ihr stand, und sagte:,,Nimm diesen, Bruder, trink daraus, ich möchte nicht, daß auch du ein Glas zerschlügest. Denn ihr scheint aus einer Gegend zu sein, wo Glas ein noch unbekannter Artikel ist." Der kluge Student überhörte die letzten Worte absichtlich, er trank von dem dargereichten Wein und gab verbindlich den Becher zurück. Da ließ das junge Mädchen nicht ohne herzlichen An

theil ihr krystallhelles Auge auf ihm ruhen. O herrliche Jungfrau! Sicher verdienst du Dank, daß du einen armen Studenten würdigtest, aus deiner schneeweisen. Hand den Labetrunk zu empfangen! Aber das mag nicht unverrathen bleiben, daß du weniger aus Sorge für die noch dastehenden Gläser deinen Becher dem Jüngling reichtest, als weil das Herz dich trieb, ihm einen Beweis deiner Zuneigung zu geben, denn ganz heimlich, ohne daß du selbst es merktest, hatte in jenes Herz sich die Liebe geschlichen.

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In solenner und splendider Weise wurden noch viele Gänge aufgetragen, bis endlich die Diener die Gedecke abnahmen. Da fragte die Gräfin ihre Gäste: „Seid Ihr aber auch satt, Gesellen?" Geneigten Haupts entgegnete der Student: Ruhmreiche Herrin, diese Mahlzeit war besser, als ich sie je verdiene. Aber der Vergelter alles Guten, möge anstatt meiner zahlen; je weniger ich selbst dieß vermag, desto williger gestehe ich, das Essen war glänzend und ich bin beinah' übersatt.“ Darauf fragte die Gräfin zum Beanus gewendet:,,Und wie steht es mir dir, mein Freund?" Der Angeredete schüttelte seine Mähne und antwortete: Ich kann nicht anders sagen, gute Frau, Euer Essen war fast so gut, wie ich es zu Hause bei meinen Aeltern gewohnt bin.“ Jezt konnten die Hofleute sich nicht mehr halten, lautes Gelächter erscholl.

Während nun der Student sich alle Mühe gab, das Benehmen seines Reisegefährten der Gräfin und deren Tochter gegenüber möglichst zu entschuldigen, gesellte der Beanus sich zu den Hofleuten und redete von dem Studenten hinter dessen Rücken allerlei Böses: warf ihm Unwissenheit vor und hielt sich über seine

Armuth auf. Doch bald war er selbst bettelhafter, als Irgendwer: er ließ sich mit einigen Knappen in ein Würfelspiel ein und verlor durch dummdreistes Wagen das ganze Reisegeld, welches sein Vater mittelst unvortheilhaften unzeitigen Verkaufs von Schafen mühsam herbeigeschafft hatte.

Als am folgenden Morgen der Tag graute, ritt der Burgherr von einer weiten Reise zurückkehrend, in die Thore seines Stammschlosses ein. Der edle Graf kam aus Desterreich, wohin er vom Kaiser zur Besorgung wichtiger Angelegenheiten gesendet war. Nachdem er die schwere Rüstung abgelegt hatte, ging er in den Räumen der Burg umher, überall nachsehend, ob Alles in OrdAuch die Studenten waren durch die entnung sei. standene Unruhe frühzeitig geweckt worden und begaben sich in den Schloßhof. - Dort bemerkte sie der Graf, begnügte sich aber mit der Frage: Wer sie seien? Doch bevor noch die Gräfin ihrem Eheherrn über die beiden jungen Leute und ihre große Verschiedenheit Mittheilung hatte machen können, erschien ein Bote, welcher vom apostolischen Stuhl eine Bulle überbrachte. Der Graf war wohl ein practischer Staatsmann, doch mit dem Lesen und insonderheit der lateinischen Sprache stand er, gleich den meisten seiner Standesgenossen, auf gespann tem Fuß. Dazu hielt er sich seinen Kanzler; doch diesen hatte er Tags zuvor von der großen Straße seit: wärts in's Land abgeordnet. So war denn Noth am Manne, denn vom Inhalt der Bulle mußte schleunigst Kenntniß genommen werden. Da kam es dem Grafen in's Gedächtniß, daß die jungen Leute im Schloßhof sich Studenten genannt hatten. Er ließ sie rufen-und fragte:,,Wer von Euch, Ihr Herren Studenten, ver

mag es, mir diese Bulle zu erklären?" Der Beanus nahm eine wichtig thuende Miene an, trat geräuschvoll einige Schritte vor und sagte:,,Ich, Herr Gastgeber, ich werde Euch die Bulle sehr gut interpretiren, wofür hätte ich denn sonst an die 18 Jahre auf dem Studium gestanden?" Sofort reichte ihm der Graf die Bulle und führte ihn etwas abseits, damit nicht die ganze Umgebung den Inhalt derselben erfahren möge. Der Beanus entfaltete das Pergament doch, wie ein Esel in's Weite sieht, riß er zwar die Augen groß auf, aber ein Wort erklären konnte er nicht, ja er konnte nicht einmal, was noch viel schmählicher war, eines lesen. Als der Graf das sah, holte er den Studenten herbei. Dieser erhob sich und sagte bescheiden: „Edler Herr, wenn doch Ew. Gnaden in so wichtiger Sache einen erfahreneren Mann rufen lassen könnten!" Der Beanus aber, sich vordrängend, rief: Wie soll der Knabe da das verstehen, was ich nicht verstehe; ich der ich fast mein ganzes Leben auf Schulen zugebracht habe und den Jahren nach beinahe Vater des Studentleins sein könnte; versteht doch der Knirps nicht ein sterblich Wörtlein Latein zu sprechen.“ Auf einen Mann, wie den Grafen, machte die Verdächtigung keinen Eindruck; er reichte dem Studenten die Bulle hin und sagte:,,Nun so versuche es wenigstens, sie zu lesen, Bruder!" Da endlich nahm. der Student das Blatt und übertrug die in poetischem und oratorischem Styl gehaltene Bulle ohne Anstoß von Wort zu Wort, dann seßte er den Inhalt in seinem Zusammenhang so klar auseinander, daß der Graf, defsen Zufriedenheit mit jedem Augenblicke gestiegen war, nicht umhin konnte, den Jüngling zu bewundern. Er brach in die Worte aus: „Fürwahr, Geselle, du hast

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