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bei den Italienern selbst, besonders bei einem,,Italienischen Doctor", der damals in Deutschland durch per= sönliches Erscheinen viel Aufsehens machte und fast gleichzeitig über dasselbe Thema schrieb, bei Petrus Ravennas 67). Die nämlichen Fragen, meist in gleicher Fassung, werden von ihm behandelt, wie von Kuppener 68). Aber was dem Werke des Italieners besonderen Reiz verleiht, das Selbstbewußtsein, mit dem er überall seine Person in den Vordergrund stellt und erzählt, was ihm bezüglich dieser oder jener,,Quaestio" vorgekommen, das geht dem die ersten literarischen Schritte wagenden Deutschen gänzlich ab. Man sieht, es ist schwer, sich mit Unbefangenheit zu bewegen, doppelt schwer, wenn man nichtnationales Wesen anzunehmen gezwungen ist. Kuppernes Schrift gehört zu den Erstlingen der romanistischjuristischen Literatur der Deutschen; hauptsächlich die Widerspenstigkeit des ausländischen Stoffes, die Sprö digkeit der fremdgeborenen Form gegenüber dem fleißigen und talentvollen Autor macht sie für uns interessant.

Kuppener hielt, wie es damals Sitte war, über sein gedrucktes Bud),,in scholis iuristarum studii Liptzencis" öffentlich Vorlesungen. Er vollendete dieselben Dienstags nach Palmarum (30. März) 1507,,,dum (Lipsiae) isto tempore lurida pestis grassari cessauerat“ 69). Unter dem Titel „Elegantissimae annotationes" etc. (f. Beilage II.) ließ er sie drucken und widmete das Buch mittelst eines „Ex Liptzk in vigilia dominicae Iudica" 1507 (20. März) datirten Schreibens Lucas Waßenroden aus Thorn, Bischof von Ermeland und Nicolaus Crapit Bischof zu Kulm. Der Autor meldet, daß seine Gesundheit immer noch nicht ganz hergestellt sei, daß er aber völlige Genesung hoffe

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und für diesen Fall größere und bessere Werke in Aussicht stelle 70). Die Anmerkungen" selbst enthalten außer einigen bereits benußten persönlichen Notizen kaum etwas von erheblichem Werth: Abschweisungen in mitunter ziemlich entfernte Rechts- und andere Gebiete schließen sich an Aeußerungen des Hauptwerkes an. Ist dort der Ausdruck Lex gebraucht, so folgt hier eine ziemlich ausführliche Darstellung der Lehre von den Gesetzen im Geschmack der damaligen Jurisprudenz, oder an die Erwähnung der fraudatores gabellarum fnüpft sich hier eine längere Erörterung über gabella. Das Wort litiscontestatio veranlaßt sogar ein Ercurs über Civilproceß (Sign. Cij), natürlich aber wieder nur über den romanisch-canonistischen, während des Sächsischen, der Kuppener doch aus der täglichen Praris bekannt genug war, mit keinem Wort gedacht wird.

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Beigelegt ist dem Werke eine kleine Rede zum Lobe der Rechte" (Oratiuncula in laudem iurium) an den Coadjutor der Diöcese Culm N. v. Chanapezkij und Johann Smollis, beide Plebani zu Marienburg bezw. zu Thorn. An Beispielen aus dem klassischen Alterthum, von welchem Kuppener mehr Kenntniß zeigt, als die Durchschnittsbildung damaliger Zeit verlangte, wird dargethan, daß überall der Nichtachtung der Gesetze die schlimmsten Zustände gefolgt seien. So kurz die Rede ist, so zeigt sie doch, daß Kuppener zu den „Modernen“ gehörte, die als Vorläufer der Humanisten betrachtet werden mögen, wenn sie auch noch gar weit von denselben entfernt waren und später mehrfach geradezu als Widersacher derselben auftraten 71). •

Den beiden Werken Kuppeners über die Authentica habita sind ausführliche Register angehängt. Das

jenige zu den Annotationes ist den Brüdern Andreas und Wolfgang Hummelßhayn von Leipzig, Baccalarien der freien Künste und Söhnen des Rathsherrn und Kaufmannes Johann Hummelßhayn des Aelteren, gewidmet. Die Tochter des Letteren, Margaretha, hatte Kuppener zum Weibe 72).

Der Titel des Hauptwerkes trägt einige Verse „,Ad lectorem" von Sebastianus Miricius (eigentlich: von der Heyde) aus Königsberg in Preußen 73). Zu Ende befindet sich von demselben ein,,Epigramma" auf Kuppener,

Die eben angeführten Umstände geben einigen Anhalt, um ein ohngefähres Bild von den äußeren Verhältnissen, in welchen Kuppener zu Leipzig lebte, uns zu entwerfen. Durch seine wahrscheinlich schon vor dem Wegzug nach Braunschweig abgeschlossene Ehe (s. Oben) war er mit einer allem Anscheine nach wohlhabenden und angesehenen Kaufmannsfamilie verschwägert. Die Krankheit, von der er so offen spricht, hatte weder sein Ansehen gemindert, noch das Verhältniß zur Familie seiner Frau gestört. Eine eigentliche Rolle bei der Universität zu spielen, verhinderte ihn seine Krankheit und wohl auch seine Heirath. Doch hören wir die Studenten mit Beifall von seinen Vorlesungen sprechen, und Wimpina, welcher ihn vermuthlich persönlich kannte, lobt seine Beredtsamkeit. Als nähere Freunde Kuppeners erscheinen Landsleute: Sebastian von der Heyde, dann aber und besonders: Stephan Gerdt aus Königsberg 74), Doctor der Philosophie und des kanonischen Rechtes, welcher von 1495 1514 Mitglied des kleinen Fürstencollegs war 5), im Winter 1504 das Rectorat bekleidete 76) und auch als Dichter und juristischer Schriftsteller auftrat77).

Die Gesundheit Kuppeners scheint sich allmählich ge= bessert und ihm gestattet zu haben, zu praktischer Beschäftigung zurückzukehren. Unter seinen Papieren findet sich die,,Ordnung des Fürstlichen Obernhofgerichts Meyner gnedigsten vnnd gnedigen Herren von Sachssen“ 7 ® ) d. i. die Sächsische Oberhofgerichtsordnug Kurfürst Friedrichs, Herzog Johanns und Herzog Georgs vom Jahre 14951). Ferner zeugen Formulare zu verschiedenen Prozeßschriften (Forma appellandi .... in principum Saxoniae iudicio 80), Delatio appellationis 81), Forma appellandi a iudicio Curiae ad principes vel eorum consiliarios82), Forma inhibitorialium83) Forma Eyner Lewterunge84), Forma citationis [aus der Zeit des Kurfürsten Ernst]85), sowie eine Beschreibung des Appellationsverfahrens vor dem Sächsischen Oberhofgericht (Processus in IIa instantia 86) davon, daß fich Kuppenener mit der Praris des vielerwähnten Oberhofgerichts vertraut machte; einige Urtheilsformulare endlich (Sententia in causa iniuriarum 87), in causa expensarum 88), in caussa matrimoniali 89) deuten darauf hin, daß seine Thätigkeit eine richterliche war. Besonders interessant ist das Protokoll eines Termins in Sachen Nicol. v. Maltiz c/a Pauel v. Luckaw, Injurien betr., abgehalten vor dem Sächsischen Oberhofgericht im Jahr 150990), sowie ein Urtheil des Richters und der Schöffen zu Leipzig in einer Diffamationssache aus dem Jahre 1510 mit lateinischen Entscheidungsgründen, welche auf die italienische Lehre von der Diffamationsklage sich stüßen 91).

Dabei unterließ es Kuppener nicht, seine literarische Thätigkeit fortzusehen. Seine Verschwägerung mit Leipziger Kaufleuten, seine Praris in Braunschweig, seine

eigene Betheiligung an der Societas stanni mochte ein besonderes Interesse für die Geschäfte des Handelsverkehrs bei ihm geweckt haben; er kam auf die Idee über sie ein Buch zu schreiben.

Nun waren es aber jener Zeit eigenthümliche religiöse und rechtliche Gesichtspunkte, aus denen man die gewaltige Entwickelung des Verkehrs, besonders des Handels, betrachtete.

Die Erfindungen und Entdeckungen des fünfzehn= ten und angehenden sechszehnten Jahrhunderts hatten. eine nicht minder großartige Umgestaltung des äußeren Lebens hervorgebracht wie in unseren Tagen Eisenbahnen und Telegraphen. Dabei erlitt merkwürdiger Weise das innere Leben der Einzelnen so gut wie keine Veränderung; wenigstens die Geseze desselben, welche frühere Zeiten aufgestellt hatten, blieben vorläufig die nämlichen. Daraus entstanden die schneidenden Contraste, welche uns heutzutage so befremdend erscheinen. Erst die Reformation hat einen geistigen Durchbruch gebracht, der aber, so gemäßigt er war, jahrhundertlange Erschlaffung nach sich zog.

Im Jahre 1508 war der lebhafte Handelsverkehr, den die größeren deutschen Städte mit dem Ausland unterhielten, nichts Neues mehr. In Nürnberg, Augsburg, Frankfurt, Lübeck, Leipzig und anderwärts befan den sich Factoreien Italienischer Häuser; deutsche Kaufleute durchzogen nicht bloß Italien, durch ganz Europa hatten sie sich verbreitet, überall konnte man Bevollmächtigte ihrer großen Firmen antreffen. Dabei war man aber in der moralischen Würdigung und rechtlichen Beurtheilung des Handels noch nicht weiter gekommen, als daß man sich fragte: Fällt das und das Geschäft

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