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auch Torgauer Bier und Naumburger Bier; und die ältern Magistri waren wohl zufrieden und sagten, daß die neuen Magistri sich wohl gelöffelt und Ehre eingelegt hätten. Dann fingen die etwas angeheiterten Magistri an, über große Fragen kunstvoll zu disputiren: und einer warf die Frage auf, ob es heißen müsse,,der unser zu machende Magister" oder unser zu machender Magister" u. s. w.

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Das dürfte zur Einleitung genügen. Es möge mir gestattet sein, daß ich nunmehr die Erzählung des Verfassers unseres „Sehr schönen Briefs" vortrage.

Im ersten Lenz wars, als die Lüfte milder wehten, alles grünte und sproßte, da ergriff Wanderlust einen jungen (Leipziger) Studenten, der zwar arm an Geld, doch reich an feiner Sitte, Herzensgüte und Eifer für die Wissenschaft war. Er gürtete die Lenden und machte sich auf, zur hohen Schule in Padua zu ziehen; dort wollte er seinen Wissensdrang befriedigen. Eines schönen Abends langte er in der Kaiserlichen Stadt Augsburg an, woselbst er übernachtete. Doch schon des an dern Morgens ließ er die Thore der Stadt wieder hinter sich. Ermattet durch die Strapazen der Wanderschaft, war er in unlustige Stimmung gerathen und so kam er in's Gebirge: Auf einer mühsam erstiegenen Höhe warf er sich, auszuruhen, in's Gras. Da trat hinter den Felsen ein Mensch hervor, welcher hastigen Schrittes sich näherte. Der Student rief ihn an und auf die Frage, wer er sei, erfolgte die Antwort: Ich bin Ulmer Beanus." (In Ulm war, sei nebenbei bemerkt, eine sehr frequentirte Klosterschule). Aber schon der Aufzug und das rennomistenhafte Auftreten des Ankömmlings ließ

erkennen, daß er Bachant d. h. ein dem Vagabundiren ergebener Scholar war. Der Student erzählte, wie er nach Padua wolle, der Beanus erwiderte, er gehe nach Rom, um dort eine Pfründe zu bekommen; doch fügte er hinzu, wie sich von selbst versteht, keine geringe, sondern eine solche, wie sie meiner Gelehrsamkeit gebührt und den Ansprüchen, die ich machen kann, entspricht.“ Zugleich erbot er sich zum Reisecumpan des Studenten: ,,aus Collegialität wolle er den kleinen Umweg über Padua nicht scheuen." Da dem Studenten das einsame Wandern in unbekannten Gegenden zuwider geworden war, freute er sich, einen Gefährten zu erhalten. So wurde denn ein Bündniß abgeschlossen, gerichtet auf gemeinsames Tagen der bevorstehenden Mühen und Gefahren. Dem Studenten war das Geld beinahe schon ausgegangen, er ging daher leicht und ohne Furcht; der Beanus aber hatte eine ziemliche Last zu schleppen, denn er führte 20 Gulden in kleiner Münze bei sich.

Als man nach gemeinschaftlicher längerer Rast den Weg wieder antrat, ließ der Beanus seiner Zunge freien Lauf. Mit rennomirender Schwazhaftigkeit erzählte er seine Ulmer Schulgeschichten, wie er Primus omnium gewesen, was man Alles lernen müsse, wie schwer die Eramina seien u. s. w. Schweigend hörte der Student das Alles an. Doch damit gerade ärgerte er den Beanus, der zulet in seiner,,bestialen Eselhaftigkeit“ ich bitte wegen dieses und ähnlicher Ausdrücke ein und für alle Male um Entschuldigung, sie sind wörtlich der Quelle entnommen darauf verfiel, den Begleiter zu foppen. Ich wundre mich, Bruder, sagte er, du willst Student sein und solltest als solcher eigentlich mehr wis sen, als ich; dein Stummfein aber zeigt eine Unwissen

heit an, über die ich meinestheils erröthen würde." Nun hatte zwar der Student in seinem kleinen Finger mehr Verstand, als der Beanus in dem Kopf, aber gerade deshalb ließ er sich auf dergleichen ungeschliffene Insolenzen nicht ein. Schnellen Schrittes ging er voran, denn der dämmernde Abend brach herein und es war ihm daran gelegen, noch vor völliger Dunkelheit eine Herberge zu erreichen. Allein der Weg dehnte sich und bald waren der immer noch heftig schwadronirende Beanus und sein Begleiter von nächtlichem Thalnebel umhüllt, der allen Umblick versagte und die Hoffnung benahm, noch heute eine Stadt zu erreichen. Da erblickten die Wanderer hoch oben auf dem Gipfel einer steilen Höhe die ragenden Umrisse von Thürmen und Zinnen. Es war eine inmitten des Gebirgs gelegene Ritterburg; man beschloß hinanzusteigen und zu versuchen, ob mit Gunst der Götter ein Nachtlager zu gewinnen sei.

Als die Wandrer dem Burgthor sich näherten, meinte der Student, man müsse innerhalb der Vorburg vor der aufgezogenen Brücke stehen bleiben und von da um Aufnahme bitten, sonst laufe man Gefahr, den Burgherrn ohne Noth zu beunruhigen. Doch der Beanus, fürchtend, man möge aus der Ferne das Rufen überhö ren, übersprang die durch Emporziehen der Gabel ent standene Lücke der Brücke und fing an mit gewaltiger Wucht an die Thorflügel zu pochen. Der Thorwächter, erschreckt durch das donnerähnliche Getöse, öffnete schleunigst das im Thor befindliche Ausfallspförtchen, stürzte sich zornig auf den immer noch wacker anklopfenden Beanus, ihm mit seiner blechbehandschuhten Faust in's Gesicht schlagend, so daß man noch lange die Zeichen dies ser unsanften Berührung in dasselbe eingeschrieben sah.

Und er würde diese Arbeit nicht so bald aufgegeben haben, wenn nicht der mitleidige Student dazwischen gekommen wäre. Auf die Frage des Thorwarts, nach dem Grund des überlauten Anpochens, entgegnete der Student mit bescheidener und kluger Rede:,,Mein Reisegefährte that es im unüberlegten Eifer, uns bemerklich zu machen; er glaubte nicht, daß Jemand in nächster Nähe sich befinde und gleich zur Hand sein werde. Deshalb, bitte ich, mäßige Deine Hiße, laß uns ein und stelle uns weitere Fragen im Angesicht Deines Herren. Den Dienst erweise uns wenigstens, uns vor ihn zu führen. Du mußt wissen, daß wir Studenten sind, und, wie uns unten im Thale erzählt wurde, ist der Sohn des Burgherrn ebenfalls Student auf der hohen Schule zu Paris." Der Thorhüter antwortete:,,Unser Herr Graf ist verreist und niemand zu Hause, außer der gnädigen Herrin, welche sich in diese Angelegenheit nicht mischen wird, doch will ich ihr meine Meldung machen." In die Burg zurücktretend, zeigte der Thorwart das Vorgefallene an.

Die Gräfin war eine mitleidige Dame, welcher bei der Erwähnung von Studenten sofort das Bild ihres eigenen zu Paris studirenden Sohnes vor die Augen trat, daher sie denn auch befahl, die vor dem Thor harrenden Scholaren einzulassen. Nachdem Lettere ein wenig gerastet hatten, wurden sie von der Gräfin im Beisein der durch fast kindliche Jungfräulichkeit bezaubernden und in vollendeter Schönheit strahlenden Tochter des Hauses empfangen.

,,Erzählt mir von Euerem Herkommen!" redete die Gräfin freundlich die jungen Männer an.

Der Beanus, welcher scheu in einen Winkel gloßend

dagestanden hatte, warf einen schielenden Querblick auf die frisch getünchte dunkelfarbige Seitenwand des Zimmers, trat dann klümpisch an dieselbe heran, spukte in die Hand, zog ein unsauber aussehendes Stück Kreide aus der Tasche und begann der unsinnigen Sitte vagabundirender Scholaren folgend, die reine Wand zu be flecksen. Zuerst zog er ein Paar Schnörkel, denen mühsam gemalte plumbe Buchstaben folgten, bis sie dastanden die denkwürdigen Worte: „Das schrieb ich, Johann, Sohn des Schulzen in Winterkasten, Studiosus an der Bachantenherberge zu Ulm."

Ein Zeugniß von feiner Sitte legte dieß Benehmen nun freilich nicht ab; aber obendrein log er auch, unser Beanus, denn sein Vater bekleidete nicht die Würde eines Schultheißen in Winterkasten, vielmehr gab er sich der nüßlichen Beschäftigung eines Schafhirten hin. Doch das kümmerte den wohlgerathenen Sprößling des Schä fers wenig. Mit Selbstgefühl trat er von der verunzierten Wand hinweg und löste unterwegs nicht ohne Eitelkeit sein bisher in einem helmartigen Knoten zu sammengebundenes sechsfußlanges Haar; er dachte mit der Raabenschwärze desselben der jungen Comtesse zu imponiren, denn auch sein Herz war empfindlich für Schönheit und Liebreiz.

Unterdessen war die Stunde des Abendessens gekommen. Die Dienerschaft deckte die Tafeln und es wurde. Wasser gereicht, die Hände zu waschen. Der Student, dem die Schaale zuerst präsentirt wurde, dankte mit höflichen Worten, worauf die Damen ohne Scheu davon Gebrauch machen konnten. Die Gräfin vertheilte die Pläße und sezte den Bachanten zur Rechten ihrer Tochter, den Studenten, welchem man seine

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