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Bald darauf, am 6. März 1507, fand auf Antrag einiger Magistri artium und Professoren der Theologie eine Universitätsversammlung statt, zum Anhören,,mehre rer verwerfender und mißbilligender Schlüsse über Schlüsse und Lehren" des Italieners Petrus Ravennas, I. V. D. und miles aureatus, wie er selbst angebe, den sein Geschick nach Köln verschlagen habe.

Es wurde beschlossen, die Sache einer Commission bestehend aus dem Rektor, der Juristenfakultät und einzelnen Doktoren der anderen Fakultäten zu übergeben. Dieselbe sollte Widerruf der Dogmen von Petrus fordern und im Weigerungsfall mit dem Rechtsweg drohen, oder aber Vertheidigung der Dogmen ohne die Schlüsse in öffentlicher Disputation verlangen.

Petrus versprach von der Veröffentlichung und Wiederbehauptung der Dogmen abzustehen 11).

Es scheint, als ob längerandauernde Streitigkeiten vorhergegangen wären, Näheres aber läßt sich aus dem kurzen Bericht über die Universitätsverhandlungen nicht ermitteln.

Bald jedoch sind wir im Stande bestimmter zu erkennen, um welche Streitpunkte es sich dreht, und wer die Gegner des Petrus Ravennas waren.

Um Johannis 1507 ließ er eine neue Ausgabe jeines Compendium iuris eanonici erscheinen 12).

In derselben wird zweier Streitfragen Erwähnung gethan, über welche Petrus mit Theologen in Differenzen gerathen war.

Die eine bezieht sich auf die Zehnten. Petrus vertheidigt den Satz der Canonisten, daß die Zehnten iuris divini seien gegen die weitläufigen Ausführungen eines Doctors der Theologie, welcher jenen Sah angreifend

aufstellte, die Zehnten seien iuris humani. Die praktische Bedeutung dieser Controverse ist, daß nach jener Ansicht die Verpflichtung Zehnten zu leisten durch Verjährung nicht untergeht, während nach der zweiten sich dieß anders verhält. Petrus führt aus: die Autorität der Rota Romana, sowie die Praxis der bischöflichen Gerichte sei für den canonistischen Saz, denn täglich würden Urtheile gefällt selbst gegen solche, welche die längste Verjährungszeit hindurch (per longissimum tempus) schuldige Zehnten nicht entrichtet hätten. Der Gegner sei, wie Petrus hört, in Wahrheit und ein großer Theologe, der auch als Lehrer wirke, doch irre derselbe stark, namentlich auch, wo er sich auf St. Thomas (Stus Doctor), Scotus und Gerson (,,Cancellarius Parisiensis") be= rufe; anscheinend verfalle er sogar in den großen Fehler, ein allgemeines Concilium über den Papst zu stellen 13).

Der Gegner, wider den Petrus sich wendet, ist vielleicht der Tübinger Theologe Conrad Summenhart, welcher ein Buch, betitelt:,,Tractatus bipartitus de decimis: defensivus opinionis Theologorum adversus communiter canonistas de Quotta decimarum si debita sit iure divino vel humano", gegen Ende des 15. Jahrhunderts 14) herausgegeben hatte. Summenhart ist, wie bekannt, ein Anhänger Gersons. Ob nun gerade mit der Polemik gegen ihn Petrus in Köln Anstoß erregte, lasse ich dahin gestellt sein: von vornherein wäre dieß kaum zu vermuthen, da in Köln die papistische Richtung vorherrschend war und Petrus ja gerade auf dieser Seite kämpfte.

Aber auch die zweite von Petrus hervorgehobene Controverse, um die sich in der Folge der Streit_concentrirte, zeigt, daß bei der ganzen Angelegenheit noch

andere Momente mit einwirkten als die allgemeine kirchliche Stellung, welche den Kölner Theologen jener Zeit zugeschrieben wird.

Petrus erzählt in den Zusäßen zu seinem Compendium iuris canonici 15): Er habe mündlich ausgesprochen, die Obrigkeiten deutscher Staaten, welche die Leichname der Hingerichteten an den Galgen hängend verfaulen lassen, handelten wider göttliches Gebot. Wegen dieser Aeußerung sei er angegriffen worden und nun wolle er diese Materie, weil sie schön und die Sache für das Seelenheil gefährlich sei" weiter ausführen. Doch verwahre er sich von vorn herein dagegen, daß er in dieser Frage sich nicht den Bestimmungen der heiligen Mutter Kirche füge.

Der concrete Fall, um welchen es sich bei seinem Responsum gehandelt habe, liege so: der Leichnam eines geständigen und zerknirschten, am Galgen verstorbenen Verbrechers sei von Verwandten, oder Anderen herausverlangt worden, um an demselben ein Werk der Frömmigkeit zu üben und ihn dem kirchlichen Begräbniß zu übergeben. Da könne nun er, Petrus, mit gutem Gewissen nicht anders entscheiden, als daß derjenige, wel= cher die Herausgabe des Körpers des Gehängten verweigere, gegen natürliches, göttliches und menschliches Recht verstoße, daß derselbe eine Todtsünde begehe, und gegen Anstand und gute Sitte handle. Ob Obrigkeiten auch gehalten seien von Amtswegen die Körper der Verbrecher zu beerdigen, wenn Niemand dieselben begehre, darüber sei er nicht befragt worden und habe er also keine Veranlassung sich auszusprechen.

Sonder Zweifel war dieß einer der Punkte, welche schon in der Verhandlung am 6. März 1507 dem Pe

ren.

trus Ravennas als Keßerei zum Vorwurf gemacht wa Da nun derselbe die Kirchenlehre fast gar nicht berührt und Petrus sich überall als Anhänger nicht sowohl der kirchlichen als der streng papistischen Partei zeigt, welcher die Kölner auch angehörten, läßt sich schon jezt schließen, daß die eigentlichen Gründe der Differenzen auf anderem Gebiet lagen als auf theologischem.

Gegen Petrus trat nun ein Mann auf, welcher durch die spätere Reuchlin'sche Fehde übel genug berufen ist: Jacob Hochstraten. Dieser ließ, wie es scheint zu Anfang des Jahres 1508, eine Schrift erscheinen: „Iustificatorium principium Alamaniae a Iacobo Hoechstraten compilatum, dissolvens rationes Petri Ravennatis etc. 16). Außerdem erschien noch gegen Petrus -ob schon jezt oder erst später vermag ich nicht zu be stimmen - ein Tractat des Theologen Gerhartus de Zutphania, „zur Ehre des Vaterlandes“ verabfaßt 17).

Petrus Ravennas war damals gerade damit beschäftigt, einige,,Dicta notabilia quasi extravagantia" zu seinem ,,Alphabetum aureum" zusammenzustellen. Zu Anfang derselben führt er aus, er sei so glücklich nunmehr seine mündlich und zu Ende des Compendium iuris canonici über das Verbleiben der Gehenkten am Galgen aufgestellte Ansicht mit einer gewaltigen Autorität belegen zu können. Der berühmte Jurist Baldus de Ubaldis spreche aus, daß die Gehenkten bloß bis zum Abend des Hinrichtungstages am Galgen verbleiben dürften. Baldus berufe sich auf 5. Buch Mos. Cap. 22 Vers 23:

,,So soll sein Leichnam nicht über Nacht an dem Holz bleiben, sondern sollst ihn desselben Tages begraben, denn ein Gehenkter ist verflucht bei Gott;

auf daß du dein Land nicht verunreinigest, das dir der Herr, dein Gott, giebt zum Erbe;"

und Josua C. 8 V. 29:

,,Und ließ den König zu Ai an einen Baum hängen bis an den Abend. Da aber die Sonne war untergegangen, gebot er, daß man seinen Leichnam vom Baume thäte, und warfen ihn unter der Stadt Thor, und machten einen großen Steinhaufen auf ihn, der bis auf diesen Tag da ist.“

Die Autorität des Baldus gelte ihm, Petrus, tausend Gulden, da dieselbe sich auf das göttliche Recht stüße und daher die etwaige Gewohnheit wieder das ius divinum ungültig sei. Auch habe sich eine Reihe Jtalienischer Doctoren für die diesseitige Ansicht erklärt. Unter ihnen wird auch Vincentius Ravennas,,,ausgezeichne ter Poët und eminenter Redner" mit aufgezählt. Dann fährt Petrus fort: Und heute, nachdem ich das Vorste= hende schon geschrieben hatte, sah ich ein Büchlein eines berühmten Doctors der Theologie, in welchem derselbe sich abmüht, darzuthun, daß meine Behauptung unrichtig sei. Aber anstatt mich zu widerlegen, unterstüßt er nur meine Argumente und deshalb bin ich ihm Dank schuldig. Seiner Zeit werde ich zeigen, daß diejenigen, welche sich auf Rechtssäße berufen wollen, ihre Neße tiefer in's Wasser tauchen und nicht auf der Oberfläche halten müssen, denn da sind keine großen Fische zu fangen. Und ein Anderes ist es antworten und gut antworten. Die Allegate des Gegners aus den Rechten sprechen nicht für ihn, sondern für mich. Zu dem, was ich wider den Gegner der Canonisten betreffs der Zehenten geschrieben, habe ich auch noch hinzuzusehen, daß, wenn auch die Zehenten nach heutigem Recht iuris positivi wären, sie

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