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zu erreichen. Etwa halben Wegs zwischen Rasdorf und dem legtgenannten Orte stieß sie auf den Feind. Dieser Zusammenstoß, der eine gewisse Notorietät erlangt hat (weshalb wir nicht darüber hingehen können), führt den Namen: »Gefecht bei Hünfeld«; wir nennen ihn lieber, um auch unsren Gegnern gerecht zu werden,

die Panik bei Hünfeld.

Ehe wir zu einer Schilderung dieser wundersamen, psychologisch höchst interessanten Vorgänge übergehn, berichten wir in der Kürze über die Bewegungen und die Aufstellung des Feindes.

Prinz Karl von Baiern, als er seine Aufstellung in dem Dreieck Dermbach-Roßdorf-Kaltennordheim nahm, hatte seine ganze Reserve-Cavallerie (sieben Regimenter) nach Fulda beordert, theils um eine wenigstens lose Verbindung mit dem VIII. Armee Corps herzustellen, theils um einem Vordringen der Preußen im Fuldathale einigermaßen einen Widerstand

eutgegenseßen zu können. In der That war Fürst Taxis, der die ReserveCavallerie führte, schon am 2. und 3. mit vier Cavallerie-Regimentern in Fulda eingetroffen; der Rest lag etwas zurück.

Fürst Taris hatte gleich Anfangs das Mißliche der Aufgabe, die ihm zu Theil geworden, sehr wohl erkannt und Vorstellungen erhoben. Er war nämlich ohne alle Infanterie belassen und auf seine Vorstellung dahin angewiesen worden, bei seinem Eintreffen in Fulda das VIII. Armee- Corps, das alsdann unzweifelhaft in seiner Nähe stehen würde, um einige InfanterieBataillone zu ersuchen. Dies Ersuchen, wie verlautet, war durch den Prinzen Alexander von Hessen abgelehnt worden.

War durch diese Ablehnung, wie durch die Detachirung überhaupt, die unverschuldete Situation des Fürsten Taxis mißlich genug, so wurde sie noch mißlicher durch seine Schuld. Der Fürst, statt sich in oder bei Fulda, wo er das VIII. Corps doch jedenfalls in der Nähe hatte, in einer guten Defensiv. Stellung zu concentriren, konnte plößlich dem Verlangen nicht widerstehn, in die Operationen der in seiner rechten Front stehenden bairischen Armee mit einzugreifen und begann, wenn wir den Ausdruck gebrauchen dürfen, sich in Offensiv - Spielereien zu verzetteln. Er schob eine Avantgarde bis Hünfeld, eine Avantgarden - Spiße sogar bis zwischen Hünfeld und Rasdorf vor und folgte diesen vorgeschobenen Abtheilungen mit dem Gros. Als der Zusammenstoß erfolgte, befand sich, auf einer Strecke von 2 Meilen, die gesammte Cavallerie. Division im Marsch. Es ist nöthig dies gegenwärtig zu haben, um zu begreifen, was geschah.

Wir kehren nunmehr zur Division Beyer zurück. Sie war am 4. früh, wie bereits erzählt, auf dem Marsche gegen Hünfeld. Es mochte 7 Uhr sein, als die Vorhut der Division (Compagnieen vom 39. Regiment) aus einem Walde, dem sogenannten Queckmoor, debouchirend, einer in einer Thalsenkung haltenden feindlichen Reiter-Colonne ansichtig wurde. Es war die über Hünfeld hinaus vorgeschobene Avantgarden - Spize: eine Escadron des bairischen 1. Cürassier - Regiments. Neben ihr hielt eine reitende Batterie. In demselben Augenblicke fast, als unsre Vorhut aus dem Walde trat, wurde sie durch das Feuer der bairischen Artillerie begrüßt. Das Wetter war außerordentlich trübe; Nebel und Regen hinderten die Aussicht und zwar derart, daß die Anzahl der feindlichen, frei auf der Chaussee stehenden Geschüße nicht zu erkennen war. Die Entfernung mochte 800 Schritt betragen. Trotzdem wurden sofort zwei 4pfünder aus der Avantgarden. Batterie, Hauptmann Schmidts, vorgezogen und griffen mit solchem Erfolg in das sich entspinnende Gefecht ein, daß gleich der erste Schuß (die Granate krepirte am Helm eines Cürassiers, tödtete diesen und riß 8 Mann und 10 Pferde nieder) die dicht aufgeschlossen stehende Schwadron in wilde Flucht

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auseinanderjagte. Die reitende Batterie, nunmehr ohne Bedeckung, folgte, unter Zurücklaffung eines Geschüßes, den Cürassieren auf Hünfeld zu; eine Verfolgung fand nicht statt, nur einige 4pfünder-Schüsse wurden ihnen nachgeschickt und nun begann jenes sinnlose Steeple chase - Reiten, das wir als die Panik von Hünfeld bezeichnet haben. In Front des leztgenannten Ortes stand die eigentliche Avantgarde, das 1. bairische Cürassier-Regiment. Die fliehende Schwadron fuhr in dasselbe hinein, riß es mit fort und die rückwärtsstiebende Colonne jagte nunmehr mit der Wucht eines ganzen Regiments auf der Fuldaer Chaussee hin. Auf dieser, wie erzählt, waren neue Reiter - Colonnen: Cürassiere, Ulanen, Chevauglegers im Anrücken; in diese brausten jezt die fliehenden Cürassiere hinein und verwickelten, immer mächtiger werdend in ihrem Choc, ein Regiment nach dem andern in die unheilvolle Flucht. Bald nach 9 Uhr stürmte die ganze Division wieder nach Fulda hinein; das am meisten in Front gestandene 1. Cürassier. Regiment war drei Meilen in anderthalb Stunden geritten. Ein einziger 4 pfünder Schuß hatte diese grenzenlose Deroute hervorgerufen; er sollte, unglaublich zu sagen, noch weitere Wirkung thun. Das Fieber wirkte noch nach; der Morgen Flucht folgte eine Mitternachts. Flucht, jene an chaotischem Durcheinander noch überbietend. Dies ist

die Panik bei Gersfeld.

Fürst Taxis, als er am Vormittage des 4. seine Reiter Division wieder um sich hatte, schwankte, ob er Fulda - wie doch eigentlich sein Befehl lautete noch weiter halten, oder es aufgeben sollte. Im Grunde,

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außer dem moralischen Echecq, den man erfahren, war nichts Erhebliches verloren, aber dieser allerdings war so groß, daß Fürst Taxis empfand, mit einer solchen aus Nand und Band gegangenen Truppe (in deren Reihen ohnehin das Wort »Verrath« laut geworden war) einen ernsten Widerstand gar nicht versuchen zu können. Die ganze Truppe mußte so zu sagen sich selbst erst wiederfinden. Dazu bedurfte es Zeit und Nuhe. So beschloß Fürst Taxis Fulda aufzugeben und sich südöstlich über die hohe Rhön, auf der Straße Hättenhausen-Gersfeld ins Bairische und zwar zunächst bis an die fränkische Saale (Hammelburg, Kissingen) zurückzuziehen. Um 5 Uhr trat die Cavallerie Division ihren Rückmarsch an.

Um sicher zu gehen, wurde ein Nachtmarsch angeordnet. Dies war gut intendirt, schlug aber bei Leuten, die bereits völlig alle Haltung verloren hatten, aufs Neue zum Unheil aus.

Die Division erreichte Hättenhausen um 10 Uhr Abends, ließ hier (nach der Seite der Vorsicht denn die Unfren waren noch um zwei Tagemärsche zurück mehr leistend als nöthig) zwei Negimenter als Arrièregarde zurück und ging mit dem Rest auf Gersfeld zu. In der Nähe dieses Dorfes kam nun eine zweite Flucht über diese heut zur Verwirrung und Muthlosigkeit bestimmten Regimenter, eine Mitternachts- Panik, die, wie schon hervorgehoben, die verwandten Vorgänge des Vormittags weit hinter sich ließ.

Was es war, weiß Niemand zu sagen; ob ein Karabiner losging, ob Wilddiebe einen blinden Lärm machten, oder ob die Baiern, sich gegen. seitig für Feinde haltend, auf einander los feuerten, gleichviel, es wurde geschossen und der Knall, durch das Echo verstärkt, hallte in der Waldschlucht wieder. Die Preußen! Verrath!« und auf den müd und matt gerittenen Pferden begann nun ein neues Jagen; hierhin, dorthin, einzeln und in Trupps, stob es wie eine wilde Jagd über die waldbestandene Haide. Ein würtembergischer Offizier war Zeuge dieser Jagd. » . . . . Als ich das Plateau erreicht hatte, knallte es etwa 8 bis 12 mal hinter mir; Cürassiere, Ulanen, Chevauɣlegers kamen in vollem Jagen bei Mondschein in ihren weißen Mänteln an mir vorübergesaust. Ich rief ihnen zu, sie möchten halten, wir könntens mit den preußischen Husaren aufnehmen und wenn wir nur zu drei oder vier wären. Alles vergeblich; wie ein Gespensterzug ging die Jagd an mir vorüber.« So der Bericht. Kein Zuruf hätte hier geholfen. Die ganze Truppe war unter einem dämonischen Einfluß. Sie jagten die ganze Nacht hindurch; in allen Dörfern, wie sich später ergab, waren die »Weißmäntel« gesehen worden; am andern Morgen hielten ver sprengte Trupps in Melrichstadt und Kissingen; einzelne stoben weiter bis Würzburg. Sie waren 20 Stunden geritten. Oberst Freiherr v. Pechmann,

Commandeur des 5. Chevauflegers - Regiments erschoß sich, er wollte die Schande seines Regimentes nicht überleben. Die Division selbst bedurfte einer Neubildung. Gegen Ende des Feldzugs (bei den Hettstädter Höfen) hat sie die Scharte auszuweßen gewußt.

Ehe wir weiter gehen, noch ein Wort über diese Vorgänge. Man muß sich hüten, nach der Seite des Schlimmen hin, mehr daraus machen zu wollen, als unbedingt nöthig ist. Natürlich soll dergleichen nicht vorkommen; aber (alle Kriege bezeugen es) es kommt immer wieder vor. Die beste, die berühmteste Truppe geräth plötzlich unter einen Geist unheilvoller Gespensterscherei und der Moment tritt ein, wo man tapfre Schwadronen mit einer Erbsenblase in die Flucht jagen kann. Das weiße Laken, der regungslose Bettpfosten, die auf dem Felde der Spukgeschichte solche Rolle spielen, spielen ihre Rolle mutatis mutandis auch innerhalb der Kriegsgeschichte. Das Heute mir und morgen Dir« muß dem Beurtheiler gegenwärtig sein und wenn alles hochmüthige Aburtheilen überhaupt ein schlimmes Ding ist, so am schlimmsten da, wo jede Stunde das Blatt wenden und aus dem Lachenden einen Belachten machen kann.

Fürst Taxis wurde abgesezt. An Bravour hatte er es nicht fehlen lassen; doch waren die begangenen Fehler zu groß. Freilich größer noch sein Unglück.

Dem Unglück unsrer Gegner entsprach nur unser Glück. Ein glücklicherer Schuß wie jener 4pfünder-Schuß der Batterie Schmidts ist vielleicht nie abgefeuert worden.

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