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Offizieren (Generalmajor Faust und Oberlieutenant v. Ausin nannten wir schon) war auch Hauptmann v. d. Tann, ein Neffe des Generals.

Wir knüpfen an unsre Darstellung des Gefechts zwischen Wiesenthal und Roßdorf den Bericht, wie ihn der Brief eines 55 ers vom Bataillon Böcking giebt. Das leztgenannte Bataillon, wie schon erwähnt, rückte erst auf das Gefechtsfeld, nachdem die Hauptarbeit des Tages bereits gethan war. Um so mehr war der Briefschreiber in der Lage zu beobachten und das Bild zu schildern, das er vorfand:

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.. Bei Wiesenthal, so schreibt er, befand auch ich mich mit meiner Compagnie. Unsere jungen Leute kamen hier zum ersten Mal ins Feuer, die älteren kannten das Geschäft schon von Schleswig her. Ehe wir vorrückten, kamen die beiden Feldprediger noch zum Bataillon geritten und ertheilten uns Gottes Segen auf den Weg. Und nun kam ein Adjutant: Das Bataillon vorrücken! Und lustig ging es vorwärts und die erste Granate seit Schleswig wieder über uns hinweg, die mit einem Hurrah begrüßt wurde!

Wir gingen zunächst bis auf einen Hügelzug vor, der uns, weil hoch und zur Seite gelegen, einen Ueberblick über das ganze Gefechtsfeld gestattete. Wir sahen, schräg durch, bis gegen Roßdorf hin. Unmittelbar vor uns waren die drei 2. Bataillone vom 13., 15. und 55. Regiment im heftigsten Infanteriefeuer. Wir bildeten ihre Reserve.

Neben uns hielten unsre guten Freunde von der 4pfündigen Batterie Cöster. Die bairischen Granaten flogen immer um uns herum, warfen aber nur Schmuß auf. Batterie Cöster antwortete. Als es drüben ruhiger wurde, nahmen unsre Geschüße ein anderes Ziel. Vier feindliche Bataillone standen an dem Abhang eines hohen, steilen Berges, des »Nebelberges« wie ich seitdem erfahren habe. Auf diese Bataillone richtete die Vatterie ihr Feuer; der erste Schuß zu kurz, der zweite hatte richtige Höhe, aber zu sehr links, der dritte aber saß und nahm den rechten Flügel eines in Linie deployirten Bataillons weg. Und nun folgte Schuß auf Schuß in die Bataillone; sie wurden zu gewaltig erschüttert, als daß sie hätten bleiben können, sie liefen ungeordnet nach Noßdorf hinein. Es waren dies dieselben Bataillone, gegen die sich bis dahin der Angriff unsrer Infanterie gerichtet hatte.

Inzwischen waren drüben (in Roßdorf) Verstärkungen eingetroffen ; die Baiern machten Miene vorzubrechen und den Nebelberg zurückzuerobern.

Jezt kam auch an uns Befehl, in den Gang des Gefechtes einzugreifen. Ich eilte, meine Compagnie gut vorzubringen. Bei dem Erklettern des steilen Berges (desselben, an dessen Abhang schon so viel Blut geflossen war) rutschte der Sattel von meinem Pferde; ich sprang hinunter, ließ das Pferd stehn und kletterte weiter. Ein Sergeant bemerkte, daß ich (vielleicht in Beschäftigung mit meinem Pferde) meinen Degen verloren hatte und gab mir den Säbel eines gefallenen bairischen Offiziers. Leider war das Koppel davon zerrissen, so daß ich ihn wieder wegwerfen mußte. Da aber lag eine ganze Gruppe gefallener bairischer Offiziere und eine Anzahl durch Granaten Verwundeter. Bei jeder Leiche eines Offiziers war dessen Säbel in die Erde gesteckt. Ein durch beide Füße geschossener bairischer Soldat, der um Hülfe bat und aus der Feldflasche erfrischt wurde weiter konnte ich nichts thun sagte mir, das wären die Leichen eines Generals (Generalmajor Faust), eines Oberlieutenants und zweier Lieutenants.") Ich schnallte mir einen der Säbel um, und vorwärts ging es weiter. Bald hatten wir die Kuppe erreicht.

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Am jenseitigen Abhang aber begann das feindliche Feuer unbequem zu werden. Als das Gebüsch zu Ende war und es nun auf den freien Abhang ging, wo Granaten und Spißkugeln nur so pfiffen, stugen die Leute ein wenig, von den Offizieren, die vorne weg waren, unbemerkt. Auf den Zuruf eines Unteroffiziers aber: Kerls, hat die 4. Compagnie bei Düppel auch gestust? ging es lachend aus dem Gebüsch heraus, den Abhang hinunter, dicht an die Lisière des Dorfes Roßdorf heran. Neben uns lagen die Schützen unsres braven 2. Bataillons, das bei dem Sturm auf die Höhe einen seiner tapfren Führer, den Hauptmann v. Kaweczynski, verloren hatte.

Mittlerweile kam Befehl auf Befehl und Signale, wieder in die alte Stellung zurückzugehen. Das aber hatte seine Schwierigkeit, wie jedes Zurückgehen einer siegreich vorgedrungenen Abtheilung. Der Feind folgte nur sehr vorsichtig mit Schüßen auf 800 Schritt Entfernung, und da wir noch eine Stunde mit unsrem Bataillon auf dem Gefechtsfelde verharrten,

*) Nach dieser Darstellung könnte es scheinen, als sei Generalmajor Faust diesseits des Nebelberges, d. h. also gegen Wiesenthal zu, gefallen. Das ist aber nicht richtig. Er wurde jenseits des Nebelberges, gegen Roßdorf zu, tödtlich getroffen. Entweder liegt hier einfach ein Jrrthum vor, oder, was das Wahrscheinlichste, das Vorgehen des Bataillons Böcking erfolgte nicht aus der Front, sondern aus der Flanke und faßte den Berg so, daß das, was in seinem Rücken lag, eher eingesehn wurde, als das mehr in der Front gelegene. (Generalmajor Faust gehörte übrigens zu den bairischen Offizieren, die, wie v. d. Tann und Oberst Aldoffer, in Schleswig-Holstein mit Auszeichnung gefochten hatten. Aldoffer wurde gleich beim ersten Rencontre, bei Jmmelborn, schwer verwundet, Generalmajor Faust anderthalb Tage später tödtlich getroffen.)

während die andern Truppen durch Wiesenthal in ihre Quartiere abzogen, so blieben die feindlichen Schüßen uns gegenüber halten. Dann zogen auch wir nach Wiesenthal ab, vor dessen Eingange wir halten blieben, während die Schüßen unsrer 2. Compagnie die auf Riesen Entfernungen abgegebenen feindlichen Schüsse kaum der Mühe werth hielten zu erwiedern.

Das Gefechtsfeld vor uns war nun wie abgefegt; nur Todte und Verwundete lagen unter einander gemischt da, und eine Unmasse Bauerwagen, mit Ochsen bespannt, zogen aus, um Leichen und Verwundete nach Wiesen. thal und Dermbach zu schaffen. Leider sind bei dem Aufsuchen und Transport von Verwundeten, zu welchem traurigen Geschäft eben Bauern herangezogen werden mußten, Fälle vorgekommen, wo die Leichen bairischer Offiziere geplündert worden sind. So erzählten mir bairische gefangene Offiziere später. Aus eigener Anschauung, da unser Bataillon das lehte war, das abrückte, konnte ich versichern, daß unsere Leute an solchen Verbrechen unschuldig seien.

Den ganzen Tag über hatte es anhaltend geregnet und naß bis auf die Haut ging es nun wieder 11⁄2 Meilen zurück in die sogenannten Quartiere, wo immer in einem kleinen Bauerngehöft 200 Mann lagen. Gegessen hatten wir seit früh 4 Uhr nichts und bei unsrem Einrücken um 10 Uhr, wo noch Fleisch ausgegeben wurde, war Alles zu müde, um noch kochen zu wollen, namentlich, da den andern Morgen 5 Uhr wieder abgerückt werden sollte, um dem Feind nunmehr ernstlich zu Leibe zu gehen. Des Morgens aber fanden unsere Vorposten den Feind abgezogen; er war nach Oberkaga abgerückt.«

Am Abend des 4. waren beide Gegner im Wesentlichen wieder in ihre alten Positionen eingerückt. Die Division Goeben stand mit Brigade Kummer in Dermbach, mit Brigade Wrangel in Geisa, mit Brigade Tresckow in Oechsen. Die Baiern standen auf der Linie Oberkaga - Kaltennordheim in concentrirter Stellung; nur ein Theil der 4. Division (Hartmann) war in Roßdorf zurückgeblieben, hielt also das Schlachtfeld in Händen.

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Dieser Umstand da die Motive unseres Zurückgchens nicht schon damals erkannt werden konnten, jedenfalls nicht erkannt wurden - gab den Baiern von ihrem Standpunkte aus ein Recht, sich als Sieger des Tages anzusehen. Sie waren es aber nicht. Es unterliegt jetzt keinem Zweifel mehr (und auch das bairische Generalstabswerk anerkennt diese That sache), daß eben nichts beabsichtigt war, als ein Flankenstoß, als ein Schein

manöver, an das durch die ursprünglich nicht gewollte Wegnahme des Nebelberges und den um Noßdorf sich entspinnenden Kampf einfach mehr Kraft gesezt worden war, als in den Intentionen des Ober-Commandirenden lag. Ueber diese Intentionen giebt der Tagesbefehl (siehe S. 67) den bündigsten Aufschluß.

Seitdem hat General v. Falckenstein öffentlich die Intentionen dargelegt, die ihn damals leiteten. Am 7. Juni 1868 wurde bei Dermbach (SachsenWeimar) das Denkmal eingeweiht, das den Gefallenen der Division Goeben auf der dortigen Feldmark errichtet worden war. Bei dieser EinweihungsFeier erschien auch General v. Falckenstein und sprach wie folgt: »Ich bin hierher gekommen, um öffentlich Zeugniß abzulegen von den Thaten der 13. Division bei Dermbach. Was diese Division geleistet, das gehört der Geschichte an, das steht geschrieben und kann nicht abgeleugnet werden, und wenn sie überhaupt Großes geleistet hat, ihre Leistungen an diesem Tage sind unbestritten die größten. Meine Herren, es steht fest, daß wir am 4. Juli Vortheile errungen hatten, und Sie werden es Alle wissen, welch ein stolzes Bewußtsein es ist, Vortheile errungen zu haben. Da gab ich den Befehl, die errungenen Vortheile aufzugeben. Das muß ein Schmerz gewesen sein für Jedermann, den Boden, von dem jeder Fuß mit so vielem theuren Blut erkauft war, wieder in Feindes Hand zu lassen. Aber der Soldat muß gehorchen, er muß dahin gehen, wohin er geschickt wird durch höheren Befehl, sei es zum Siege, sei es zur Nückkehr. Und ich habe die Satisfaction, daß dieser Rückgang, der durch ander. weitige Dispositionen nothwendig geworden war, ohne Murren und ohne Widerrede in der besten Ordnung ausgeführt worden ist. In so fern ist der Tag von Dermbach ein Tag doppelter Ehre für die 13. Division geworden. Nicht blos, daß sie ihre Schuldigkeit gethan hat, als es hieß: »vorwärts auf den Feind«, sondern auch, daß die Truppen gehorsam gewesen sind, errungene Vortheile wieder aufzugeben; das hat sie groß gemacht in der Armee.« Nach diesen Worten schritt General v. Falckenstein auf den bairischen Obersten zu, der nebst andern Kameraden der Feier beigewohnt hatte, ergriff dessen Hand, drückte sie warm und sagte: »Entschuldigen Sie, wenn ich zuviel aus meinem Herzen gesprochen habe, aber es drängte michh dazu. Sie sind ja auch Soldat und werden mit mir fühlen!«

Solche Worte spricht man nicht öffentlich, in Gegenwart eines tapfren Gegners, wenn man nicht ein Recht hat, sie zu sprechen. Im Uebrigen sprechen vor allem die Thatsachen. Statt dreier Divisionen, die zur Verfügung standen, wurde nur eine ins Gefecht gezogen, und diese eine, wiewohl doppelt engagirt, leistete darauf Verzicht, mehr als zwei Drittel ihrer Streitkräfte auszunutzen. Hätte Falckenstein hier schlagen wollen

(wir zeigten schon, daß auch diese Lösung der Aufgabe möglich gewesen wäre), er hätte nicht die Division Beyer auf der Straße Hünfeld - Fulda, ohne Rücksicht auf den Kampf in seiner Flanke, einfach weiter vorrücken lassen.

Die Baiern hielten das Schlachtfeld; strategisch hatten sie eine erheb liche Niederlage erlitten.

Wir kommen später darauf zurück.

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