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Als General v. Steinmeß darauf erwiderte, wie die Armee stolz darauf sei, in einer so entscheidenden Schlacht von ihrem Kriegsherrn selbst com mandirt worden zu sein, sagte Seine Majestät: »Meinen Lohn habe Ich in den Augen Meiner Soldaten gelesen!«

Wir geben noch, seiner Lebendigkeit halber, einen zweiten Bericht, den wir einem Offiziersbriefe entnehmen: »Die berühmte Sonne von Austerlig haben wir nun auch gesehn. Sie ging uns freundlich genug auf und beleuchtete unsre legte Parade vor dem König. Gegen 11 Uhr erschien er. Die Gewehre flogen zum Präsentirgriff, sämmtliche Regiments Musiken paukten und trompeteten los und ein Hurrah erscholl, daß die Erde erbebte. Der König sah herrlich aus, als er mit glänzender Suite an den Fronten hinunterritt. Als er an unser Regiment kam, parirte er sein Pferd und sprach mit frohbewegter lauter Stimme: »Mein braves Regiment! Eure Tapferkeit hat Meine kühnsten Erwartungen übertroffen. Ich ehre Euch heute dadurch, daß ich Meinen Degen ziehe und vor Euch salutire.« Er zog ihn und ritt mit gesenktem Degen bis zu unserem linken Flügel. Der Jubel war unbeschreibbar, denn Jeder fühlte, welche ungeheuere Auszeichnung in dieser einfachen Handlung lag. Nachher beim Parademarsch sezte sich der König wieder mit gezogenem Degen vor unser Regiment, führte es selbst vor unserm Steinmeß vorbei und umarmte den Kronprinzen. Dann befahl er, die Neubeförderten seines Regiments sollten austreten und ihm später vorgestellt werden. Darunter war auch ich. Wir mußten in die Suite des Königs treten und als der Vorbeimarsch zu Ende war, ritt der König an uns heran. Wir nannten unsre Namen und unsre Beför derung, worauf er etwa sagte: »Jhr könnt stolz sein auf diese Beförderung vor dem Feinde. Ich bin aber auch stolz auf Euch und weiß genau, daß Jhr, wenn es einmal wieder gilt, eben so tapfer drauf gehen werdet. Lebt wohl!«< Das war ein schöner Tag. Nun geht es der Heimath zu. Das 1., 5. und 6. Corps, so heißt es, sollen zuerst den Rückmarsch antreten. Ach, unser schlesischer Holtei hat Recht: »Suste nischt, ack heem.«

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Geschossen glücklich entgangen waren, von furchtbaren Krämpfen ergriffen zu Boden stürzen und in der Regel nach wenigen Stunden seinen Tod gemeldet sahen. Was menschliche Vorsicht und die aufopferndste ärztliche Hülfe zur Abwehr der furchtbaren Seuche thun konnten, das geschah, aber sie waren außer Stande die schmerzlichsten Verluste zu hindern. Die Krankheit stand Ende Juli, also in jenen Tagen, wo die Präliminarien abgeschlossen und ratificirt wurden, auf ihrer Höhe und mag unsrerseits der Abschluß der Verhandlungen, unter dem Eindruck der Meldungen, die täglich eingingen, nach Möglichkeit beschleunigt worden sein. Die Truppen lagen eng bei einander; alles sehnte sich aus einem eng gezogenen Kreis heraus, in dem es unheimlich zu werden begann. Alles jubelte, als es Anfang August hieß: wieder heim!

Aber auch noch der Heimweg, der durch ausgesogene und von der Seuche inficirte Ortschaften führte, kostete schwere Opfer, ganz besonders in Brünn. Diese Hauptstadt Mährens wurde ein großer Mittelpunkt der

Krankheit. Durch Wochen hin ging das Sterben und Begraben und zwar um so andauernder und zahlreicher, als alles, was auf der Strecke zwischen Donau und Thaya erkrankte, so lange es noch transportabel war, in die großen Lazarethe der Landeshauptstadt abgeliefert wurde.

Hier nun, in der Stadt selbst und ihrer nächsten Umgebung wüthete die Krankheit. Zur Cholera gesellten sich typhöse und rheumatische Fieber und drei unsrer Generale, nicht in Brünn selbst, aber doch in nächster Umgebung der Landeshauptstadt, erlagen den herrschenden Epidemieen. Den Reigen eröffnete General v. Clausewiß, Commandeur der 2. Division, ein kenntnißreicher, in der ganzen Armee in hohem Ansehn stehender Offizier. Er starb plöglich (an der Cholera) am 31. Juli im Cantonnementsquartier Tscheitsch.

Der nächstfolgende Verlust war ein fast noch schmerzlicherer. Eine Woche später starb General v. Mutius, Commandeur des VI. Armee Corps, ein Veteran aus den Freiheitskriegen her. Beim Leichenbegängniß des ihm befreundeten Generals v. Clausewit hatte sich v. Mutius ein rheumatisch. entzündliches Fieber zugezogen, dem er am 6. August auf dem gräflich Kaunitzschen Schlosse Austerlig erlag. Am 8. fand in der evangelischen Kirche zu Brünn ein Gottesdienst und eine erhebende Feier am Sarge des Dahingeschiedenen statt. Divisionsprediger Pastor Freyschmidt hielt die Ansprache. Nach Beendigung der kirchlichen Feier wurde der Sarg nach dem Staatsbahnhofe getragen, um in die Familiengruft zu Hohenfriedeberg bei Breslau übergeführt zu werden. Langsam bewegte sich der Leichenzug durch die Straßen der Stadt. Voran ritt eine Abtheilung vom 2. schlesischen Dragoner Regiment Nr. 8; dieser folgte die Trauermusik und zwei Bataillone des (niederschlesischen) 50. Infanterie-Regiments. Dann wurde der von Unteroffizieren getragene Sarg sichtbar; demselben schritt ein Offizier vor, welcher auf weißem Kissen die zahlreichen in- und ausländischen Orden des Verstorbenen trug. Hinter dem Sarge gingen die Geistlichen und die in Brünn und Umgebung stationirten Generale und Oberoffiziere aller Waffen. gattungen der preußischen Armee. Den Trauerzug schloß ein drittes Bataillon des 50. Regiments. Den Verlust seines Commandeurs zeigte das VI. ArmeeCorps in folgender Weise an: »Heute, den 6. August, entschlief sanft nach zweitägigem Krankenlager zu Austerlig der commandirende General des VI. Armee Corps, General der Cavallerie v. Mutius. Ehrenvoll hat er seine kriegerische Laufbahn begonnen, indem er als Portepée - Fähnrich bei Hainau das eiserne Kreuz sich erwarb, ehrenvoll hat er sie beschlossen, indem er noch vor wenig Tagen aus der Hand seines Königs den Orden pour le mérite für die Schlacht von Königgräß empfing. Er war ein ritterlicher Führer, gleich ausgezeichnet durch die edelsten Eigenschaften des Herzens wie des Geistes! Jhn betrauert tief sein verwaistes Armee - Corps. «

Am 8. hatte die Leichenfeier für General v. Mutius stattgefunden; am 9. starb Generalmajor Wolf v. Pfuel, Commandeur der 2. schweren Cavallerie Brigade, an der Cholera im Cantonnementsquartier zu Großhof bei Pohrlig und wurde Tags darauf (10.) auf dem Kirchhof des leztgenannten Ortes bestattet; 39 Soldaten, alle der Seuche erlegen, liegen um ihn her. Der bei weitem größte Theil der in Brünn selbst gestorbenen Preußen wurde auf dem benachbarten Friedhofe von Obrowiß begraben. Es geschah das jeden Abend, wo die Leichen aus den verschiedenen Lazarethen durch einen Wagentrain abgeholt und zur Beerdigung nach Obrowiz abgeführt wurden. Das war ein schauerlicher Anblick, wenn man in der Dunkelstunde jene Wagen kommen und vom Blindeninstitute zum Gymnasium und von da zur Technik, auf den Spielberg und endlich bis auf den Friedhof fahren sah. In derselben Nacht wurden dann die Särge in Reih und Glied beigesezt. Einmal fehlten den Todten auch ihre Särge; die Brünner Tischler hatten die große Zahl der requirirten schwarzen »Trügerle« mit langem weißen Kreuz nicht schaffen können. Ueber jeder Reihe Särge kam eine Schicht Erde zu liegen und über der obersten Reihe mußten sich noch fünf Fuß Erde befinden. Der alte Todtengräber zu Obrowig beschäftigte tagein tagaus zehn Arbeiter, welche bei Tage die »Schachten« gruben, die des Nachts besetzt werden sollten. Nach der Aufzeichnung des inzwischen auch verstorbenen Todtengräbers wurden auf dem Obrowißer Friedhofe bis zum 3. August 613, und von diesem Tage bis zum 25. August 493 Mann bestattet. Eine auf dem Rathhaus geführte Liste giebt aber bis zu diesem Tage ein Mehr von 106 Todten an und sagt, daß überhaupt 1385 Preußen dort begraben liegen. Auch diese Angabe indeß ist nicht ganz zuverlässig und dürfte eher zu niedrig als zu hoch gegriffen sein.*)

Brünn, beim Vormarsche gegen Wien als ein Eldorado gepriesen, war 4 Wochen später zu einem Namen von trübem Klange geworden. Nächst ihm mögen Lundenburg, Kremsier und in Böhmen Prag und Gitschin die meisten Opfer gefordert haben. Die Gesammtzahl derer, die der Cholera erlagen, wird auf 6427 angegeben, so daß, schmerzlich zu sagen, die Seuche 2000 Leben mehr wegraffte, als Kugel und Schwert. (Die Zahl der im Kriege Gefallenen, bez. an ihren Wunden Gestorbenen beziffert sich auf 4450.)

*) Genau in der Mitte des preußischen Begräbnißplazes befindet sich das „Preußen. monument". Es ist ein schlichtes Kreuz von polirtem Granit, mit seinem Sockel etwa 10 Fuß hoch, so schön und gut, wie es damals im Drange der Zeit beschafft werden konnte. Dasselbe steht auf einem Hügel, welcher auf festem Fundament von Tropfstein, schwarzem und weißem Gestein, mit Cement gemauert ist. Dieser Hügel ist schön bepflanzt und umrankt und General v. Hoffmann, damals Commandant von Brünn, hat der evangelischen Pfarrgemeinde daselbst ein Capital von 200 Fl. mit der Verpflichtung überwiesen, die jährlichen Zinsen desselben zur Unterhaltung des Preußenmonumentes zu verwenden. (Siehe den Anhang.)

In der zweiten Hälfte des August wurde ein Abnehmen der Epidemie bemerklich, aber noch immer kamen Fälle vor, so daß General v. Zastrow, der am 29. August das nachgerückte 4. Bataillon vom 1. schlesischen GrenadierRegiment Nr. 10 zu inspiciren hatte, noch folgende echt-soldatische Ansprache an das Bataillon halten konnte: »Grenadiere! Ihr seid alte Männer; ich bedaure, das Bataillon und euch nicht früher kennen gelernt zu haben, mit euch hätte ich am Tage der Schlacht gute Geschäfte gemacht. Kinder! ein furchtbarer Feind sigt uns wieder auf dem Nacken, es ist die verd..... Cholera. Hütet euch im Essen, mischet nicht Alles untereinander und fürchtet euch nicht vor diesem neuen Feinde, ich selbst fürchte mich nicht, folgt meinem Beispiel, mein Losungswort sei auch das eure: »Der Teufel hole die Cholera.« Guten Morgen Grenadiere!«

Das war Allen aus dem Herzen gesprochen. Im September kamen nur noch vereinzelte Fälle vor.

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