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UF halbem Wege zwischen Brünn und Wien, an der Kaiserstraße, der ersten Chaussee, die überhaupt in Oestreich gebaut worden, liegt Nicolsburg auf einer mäßig aus dem Thaya Thal ansteigenden Höhe, dem leßten Vorberge des eigenthümlich geformten Gebirgs stocks, der, fast isolirt aus einer weiten Ebene aufsteigend, von Brünn wie von Wien her dem Reisenden wie ein Wahrzeichen der ganzen Gegend erscheint. Von einem sargartig geformten kahlen Felsberge überragt, auf dessen grauen Steinrippen eine Reihen folge gemauerter Kapellen, die zu

einer Kirche auf seiner Spize führen, die Anlage eines Calvarienberges erkennen läßt, schmiegt sich das Städtchen einen grünen Hügel hinauf und gruppirt sich eng und unregelmäßig aneinandergedrängt um das alte, fürstlich Dietrichsteinsche Schloß, das sich aus Felszacken heraus hoch über das Thal erhebt. Ueberall, im Schloßhofe, unter den mächtigen Thoren, selbst in den Gängen und Fluren der unteren Stockwerke, tritt die starre Felswand hervor. Man hat sich offenbar nicht die Mühe genommen, das Plateau, auf welches man ein Schloß bauen wollte, erst zu ebenen, sondern hat es zwischen die Blöcke und Zacken hineingebaut; in einzelnen Gängen muß man sogar um Felsblöcke herumgehen, die plößlich aus der Wand hervortreten.

In seiner Form und Anlage, theilweise auch in seinem architektonischen Schmuck, läßt sich das Nicolsburger Schloß mit dem Heidelberger ver gleichen, und mag seiner Zeit dieselbe Bedeutung für das Land seiner nächsten Umgebung gehabt haben; wie jenes, hat es auch sein großes Weinfaß, welches 2000 Eimer enthalten kann und mit 22 eisernen Reifen von 7 Ctr. Gewicht umgeben ist. Wie die meisten solcher großen, noch erhaltenen oder wenigstens hin und wieder bewohnbaren Schlösser, ist es offenbar zu sehr verschiedenen Zeiten erbaut. Daß man es mit einem der großartigsten Stammsize des deutschen Hochadels zu thun hat, zeigt sich auf den ersten Blick. Die festungsartigen Thore, die breiten Rampenwege, die mächtigen Steinterrassen, Ställe, Reitbahn, Bankettsäle, Zimmerfluchten, Wirthschaftsgebäude geben dem Schlosse in sich selbst ein vollkommenes Genüge für alle Bedürfnisse. Es bedarf der um seinen Fuß liegenden Stadt nicht, die Stadt bedarf seiner.

Eine besondere Bedeutung gewann Nicolsburg für ganz Mähren zur Zeit der Reformation, indem sich fast ähnliche Erscheinungen hier zeigten, wie in Münster. In raschem Wechsel folgten sich die verschiedenen Bekennt nisse und Secten, Hussiten, Lutheraner, Zwinglianer, Calvinisten, Mährische Brüder und endlich Wiederkäufer, welche am längsten das Feld behaupteten. Wie Johann von Leyden in Münster, so trieb hier Dr. Bartholomäus Hubmaier aus Baiern sein Wesen. Er hatte aus der Schweiz entfliehen müssen und kam 1526 nach Nicolsburg. Er fand so großen Anhang, daß endlich von Wien aus ernstliche Maßregeln gegen ihn ergriffen wurden. Man fahndete auf ihn und brachte ihn nach Wien, wo er 1528 verbrannt wurde. Seine Anhänger fuhren in Münsterscher Art fort, schieden sich indessen bald in zwei »Wirthschaften«, deren eine sich die »Häufler« und die andere die »Schwertler« nannten. Die erstern wollten nur durch das Wort, die leztern auch durch das Schwert in »rohem, münsterischen Geiste« ihre Lehre verbreiten. Die Führer dieser Secten wurden mit ihren bedeutendsten Anhängern ausgetrieben. Doch gab ihnen der damalige Herr des Schlosses

Nicolsburg das Geleite und zeigte sich ihrer Lehre zugethan. Bald wurde es anders. Schon 1580 war kein Andersgläubiger mehr in Nicolsburg.

Die Fürstenwürde erlangte das Haus Dietrichstein im Jahre 1624 als Belohnung für die Treue, mit welcher der berühmte Cardinal Franz von Dietrichstein, Bischof von Olmüß und Landes- Gubernator von Mähren, 1619 bei dem Aufstande der mährischen Stände gegen den Kaiser zu lezterem gestanden. Nicolsburg, Stadt wie Schloß, ficlen 1620 in die Hände der mährischen Stände, die Beides dem Kurfürsten Friedrich von der Pfalz schenkten, bis die Schlacht am weißen Berge bei Prag den Besit der Dietrichsteine wieder herstellte. So schwer die damals erlittenen Beschädi gungen und Drangsale nun auch waren, so begann doch von nun an die mächtige Entwicklung des bald darauf gefürsteten Hauses. Die Wirrnisse des 30 jährigen Krieges erleichterten dem Cardinal den Ankauf vieler umliegenden Herrschaften, die sehr bald ein wirkliches kleines Fürstenthum arrondirten, welches, zu einem Fideicommiß befestigt, allerdings mit der Zeit mancherlei Veränderungen erlitt. 1862 wurde das Fideicommiß, der Erbtheilung nach dem Tode des lezten Fürsten wegen, aufgehoben und so kam Nicolsburg in den Besitz der zweiten Tochter des verstorbenen Fürsten, Alexandrine, vermählt an den Grafen v. Mensdorff-Pouilly (1866 östreichischer Minister des Auswärtigen und Ministerpräsident).

Dies war das Schloß, nach welchem König Wilhelm am 17., von Brünn aus, sein Hauptquartier verlegte; 10 Uhr Abends, nach einer 5 stündigen Fahrt (die Entfernung von Brünn bis Nicelsburg beträgt sechs Meilen) traf er in dem Alt-Dietrichsteinschen Schlosse ein. Er bezog das im dritten Stock gelegene, eine reizende Aussicht bietende Zimmer, das Napoleon, vier Tage nach der Schlacht bei Austerlit, am 9. Dezember 1805 bewohnte. Die Einrichtung war noch dieselbe: ein Marmorkamin, ein Tischchen, einige Sessel, die Wände von weißem Stuck, die Decke mit Fresco. malereien geschmückt. Eine Compagnie vom 8. pommerschen InfanterieRegiment Nr. 61 bezog im Schloßhof die Wache. Die preußische Königs, flagge wurde aufgehißt.

Sehr bald nach dem Eintreffen des Königs in Nicolsburg begannen jene Verhandlungen, deren nächstes Ziel eine 5 tägige Waffenruhe war.*) Wir wissen bereits, daß sie, am 21. vereinbart, am 22. Mittags in Kraft trat und das Gefecht bei Blumenau in demselben Augenblick unterbrach, der die Entscheidung bringen mußte. Am selben Vormittag (22.) war auch auf dem Schlosse zu Eibesbrunn eine Demarcationslinie festgestellt worden. Im Wesentlichen bildete der Rußbach (in Niederöstreich)), der das Marchfeld *) Sie wurde später um abermals 5 Tage und zwar bis zum 2. August, wo dann der Friede bereits feststand, verlängert.

in zwei Hälften theilt, die Grenze zwischen der preußischen und östreichischen Armec, jene stand nördlich, diese ssüdlich des Baches.

Die fünftägige Waffenruhe vom 22. bis 27. verfolgte keinen andern Zweck, als der Diplomatie zu Friedensberathungen und zur Aufstellung von Friedenspräliminarien die erwünschte Gelegenheit zu geben. Besonders thätig erwies sich der französische Botschafter am Berliner Hofe, Herr Benedetti. Bereits am 22. war er in der Lage, die bevorstehende Ankunft östreichischer Bevollmächtigter ankündigen zu können. Diese erschienen in der That am 23. Nachmittags auf dem Nicolsburger Schloffe. Es waren der kaiserlich östreichische General v. Degenfeld (früher Kriegsminister), der Graf Karolyi, früher östreichischer Gesandter in Berlin, der Attaché Graf v. Kuefstein und der frühere Bundeskanzlei - Director Freiherr v. Brenner. Noch am Abend desselben Tages hatte Graf Karolyi eine Conferenz mit dem Grafen Bismarck.

Die eigentlichen Verhandlungen begannen am andern Tage und wurden am 26. geschlossen. Ihr Resultat geben wir an anderer Stelle.

Während diese Verhandlungen geführt wurden, deren zum Frieden führender Abschluß wenigstens nicht mit Bestimmtheit vorherzusagen war, erlitten (selbstverständlich unter Innehaltung der Demarcationslinie) die Vorbereitungen zu Angriff und Vertheidigung hüben und drüben keine Unterbrechung. Diesseits waren hinter dem dichten Postenvorhange von Preßburg bis Krems in einem weiten Halbkreise um Wien alle Concentrationen derartig getroffen, daß, wenn die Verhandlungen scheiterten, mit dem Glockenschlage 12 (am 27.) die weitere Entwicklung unseres Operationsplanes hätte beginnen können. Im Großen und Ganzen würde die Stellung aller drei preußischen Armeen fast dieselbe wie vor Anfang der Schlacht bei Königgräß gewesen sein. Wien und die feindliche Armee waren von drei Seiten bedroht. Das I. Reserve Armee Corps, wie wir wissen aus der Garde landwehr- Division Rosenberg und der Landwehr- Division Bentheim zusammen. geseht, beide unter dem Befehl des Generallieutenant v. d. Mülbe (S. 291), rückte in Staffeln nach.

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Thätig wie wir selbst, war auch der Gegner gewesen. Seine Aufstellungen waren durchgeführt, seine Befestigungen beendet.

Unter diesen Befestigungen nahm das »Lager von Floridsdorf« mit seinen zwei Brückenköpfen (vor Floridsdorf und bei Stadlau) den ersten Rang ein. Die Ausdehnung der Gürtellinie am linken Donauufer, etwa von Lang Engersdorf bis Aspern, betrug 30,000 Schritt; schon am 22. Mai waren die Arbeiten begonnen, Ende Juli, während der Waffenruhe, beendigt worden. Am 27. Juli bestand die Armirung der Gürtelwerke aus 244, die der Brückenköpfe aus 187 Geschüßen; außerdem standen 14 Feld. Battericen

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