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Von Leipzig bis Hof.

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OHLgemuth ging der Marsch von Leipzig südwärts zunächst durch alten. burgisches Land, dessen Contingent (zwei Bataillone unter Oberst v. Wartenberg) bestimmt war, sich dem Vorgehn gegen Baiern anzuschließen. Ueberall verrieth sich Wohlhabenheit. Stattliche Bauernhöfe mit schönen Gebäuden wurden bewundert, mehr noch die

eigenthümliche Tracht der altenburger ländlichen Bevölkerung, besonders die Frauen mit ihren wulstig zusammengedrehten Haarflechten und langen, schwarzen Aufsägen, mit ihren vielen, dicken, faltenreichen Röcken, die nur eben übers Knie herabreichen.

Der Marsch, eh die Stadt Altenburg erreicht wurde, führte durch das Städtchen Lucka, wo einst Kaiser Albrecht von dem Meißner Markgrafen Friedrich mit der gebissenen Wange geschlagen wurde, weßhalb daselbst bis diesen Tag das Sprüchwort im Schwange ist:

es wird dir glücken

wie den Schwaben bei Lücken.

Am 21. wurde Altenburg erreicht.

Es war ursprünglich angeordnet worden, daß den Truppen cine zweitägige Ruhe bewilligt werden sollte; da indessen andern Tags bereits die Nachricht eintraf, daß die Mainarmee am 21. Juli ihre Operationen gegen die verbündeten südstaatlichen Streitkräfte wieder aufgenommen habe, so wurde ein rascher Vorstoß gegen Baiern beschlossen, durch welchen man in gleiche Linie mit der preußischen Mainarmee kam und nöthigenfalls mit ihr gemeinschaftlich den letzten Schlag gegen das bairische Corps und die Reichsarmee führen konnte.

Wir werden. später sehn, daß dies erreicht wurde und daß das Erscheinen des II. Reserve Corps im Rücken der Baiern bei Würzburg, während unsre Mainarmee in Front derselben stand, die Nachgiebigkeit unsrer Gegner und den Abschluß der Verhandlungen beschleunigte.

So hieß es denn »vorwärts!« Die Ruhetage mußten geopfert werden. Bereits am 22. erfolgte der Weitermarsch des Corps.

Ueber diesen Marsch durch die dichtbevölkerten sächsischen Fabrikdistrikte, die durch ihren Reichthum an armseligen und schmußig aussehenden Menschen, durch die meilenlangen Häuserreihen am Wege, durch die Masse von Fabrik. schornsteinen einen befremdlichen Eindruck machten, bemerkt ein Tagebuch: »Schöne Berge, grüne Thäler, aber alles bedeckt mit Häusern und Schornsteinen; Haus reiht sich an Haus meilenweit. Städte wie Meerane, Crim mitschau, Werdau, die vor zwanzig Jahren noch 3 bis 4000 Einwohner hatten, haben ihrer nun 12 bis 20,000. Aber was für Einwohner! Schmieriges, kleines, liederliches Volk, die Weiber am Sonntag Mittag in Nachtjacken auf den Straßen laufend, nun durch den Krieg arbeitslos, daher überall in dichten Haufen uns umgaffend; die Städte alle wie mit Schmuß angestrichen, ich habe lange so etwas Unsonntägliches nicht erlebt, wie diese Sonntagsfahrt. «

Bei Werdau war die Eisenbahn gründlich zerstört. Von der thätigen Eisenbahn - Abtheilung wurde die Strecke Werdau - Plauen in aller Eile fahrbar gemacht, so daß die Avantgarde unter Major v. Loos, bestehend aus dem Füsilier-Bataillon 4. Garde-Regiments,

einer Compagnie des 4. mecklenburgischen Bataillons,

einer Escadron mecklenburgischer Dragoner,

2 Geschüße unter Lieutenant v. Hirschfeld,

in Werdau auf die Eisenbahn gesezt werden konnte, und in der Nacht zum 23. Plauen erreichte.

Hier waren bereits Wagen requirirt worden, die Infanterie stieg auf und im Morgengrauen ging es der Grenze zu, über diese hinweg ins Bairische hinein. Eine bairische Patrouille tauchte auf und verschwand wieder. Entkam sie, so allarmirte sie Hof. Alles hing davon ab, ihr den Weg zu verlegen. Eine Kette wird gebildet und ein Spüren und Jagen beginnt. Vier Baiern werden wirklich im hohen Korne aufgetrieben und gefangen genommen. Aber während hier der Fang geglückt ist, jagt auf Büchsenschuß - Entfernung ein bairischer Gensdarm in gestrecktem Galopp auf die bereits sichtbar werdende Stadt zu. Ist er eher dort als wir, so ist alles umsonst gewesen, - also die Dragoner ihm nach. Sie gewinnen Terrain, aber sein Vorsprung ist zu groß; die allarmirten Soldaten (2 Compagnieen vom 13. bairischen Regiment) stürzen dem Bahnhof zu,

embarquiren sich mit löblicher Eile und bewerkstelligen ihre Flucht. Die Artillerie sendet dem abfahrenden langen Eisenbahnzuge auf 2000 Schritt einige Granaten nach und kündigt durch ihren Geschüßdonner das Einrücken in Baiern an. Zwei Granaten trafen die Schienen und den Zug, der trog einiger Verlegungen mit Dampfeseile entkam. Aber nicht alle waren gleich glücklich; eine Abtheilung von 60 Mann, die auf der Chaussee zu entkommen hoffte, wurde von den Dragonern eingeholt und gefangen genommen. Die in der Stadt zurückgebliebenen fuhren am besten, sie zogen Civilkleider an und entgingen dadurch der Gefangenschaft.

Der gegebene Auftrag war glücklich ausgeführt: Hof war am 23. früh in unsern Händen; das II. Reserve- Corps stand in Baiern.

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M früher Morgen. stunde am 24. ertönten Signale durch die Straßen von Hof. Man hatte die Nach richt erhalten, daß Münchberg von den Baiern besett sei. Dies ist eine kleine, südwestlich von Hof an der Eisenbahn gelegene Stadt.

Man brach in drei Colonnen auf und

besezte, nachdem einzelne Schüsse gewechselt waren, nicht nur Münchberg, sondern die etwa in gleicher Höhe gelegenen Punkte Oberkohau (wo sich die Bahn nach Böhmen abzweigt) und Volkmannsgrün. Nach legtrem Orte kam das mecklenburgische Jäger - Bataillon.

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Volkmannsgrün, schön gelegen, gewährte den Jägern, die hier standen, einen Ausblick auf die Bergkette des Waldstein und das grünblaue, sagen. reiche Fichtelgebirge. Es ist ein armes Land, von einem verarmten Volke bewohnt, das in den dichten Wäldern Baumpech auskratt, Holz fällt, harte Granitblöcke zerschlägt, Kohlen oder Wagenschmiere brennt, aber dabei träumt und singt von versunkenen Schäßen. Gold, so heißt es, birgt der Fichtelberg in seinen Tiefen. Von Golde klingen seine Namen: Goldkronach, der Goldhof, die Goldmühle, der Goldberg. Sebastian Münster sagt: "Es ist der Vichtelberg mit Gold, Sylber, Eysen, Schweffel und Quecksilber

sonderlich von Gott begabt. Aber der Schlüssel fehlt zu diesem Reichthum und das Volk ißt inzwischen das bittre Brod der Armuth.

Von Volkmannsgrün aus unternahm die 2. Jägercompagnie und ein Dragoner Detachement unter Hauptmann Passow einen Coup gegen das in der rechten Flanke gelegene, auch als Eisenbahnstation wichtige Culmbach. Culmbach, noch heute überragt von der malerisch auf hohem Felsen gelegenen Plassenburg, ist die zweite von den sechs bayreuthischen Städten. Ihre Hauptberühmtheit ist ihr Bier. Vielleicht lockte dies mit. Um 3 Uhr hielt

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das Detachement überraschend vor der Stadt. Man erfuhr hier, daß die Plassenburg (jezt Strafanstalt) eine Besatzung von 3 Offizieren und 120 Mann habe. Die Lage war mißlich genug, wenn jene Besagung etwa Miene machte, sich zur Wehr zu sehen. Es kam aber nicht dazu. Die Vorgänge in Kissingen waren eine Warnung für alle bairischen Städte. Hauptmann Passow besezte den Bahnhof und ließ die Besagung der Burg zur Uebergabe auffordern. Ein bairischer Offizier erschien als Parlamentair, der in die Gefangengebung seiner Compagnie willigte, zugleich aber den Wunsch aussprach, die Bewachung der Sträflinge nach Abgabe der Gewehre weiter leisten zu dürfen. Dies wurde gewährt und die Burg zur Absperrung der Eisenbahn beseßt.

Der Haupttrupp der Avantgarde, wie bereits erwähnt, war auf Münchberg gegangen; am 27. versammelte sich hier die ganze 1. Division; am 28. marschirte man weiter auf das schön gelegene, als Brunnenort bekannte Berneck zu. Hierher kam auch das Hauptquartier. Ein Tagebuch sagt: »Das ist so recht eine Stadt in den Bergen, prächtig am weißen Main gelegen, der an der alten Buche am Ochsenkopf, unweit des versumpften Fichtelsees entspringt und in heller Jugendlust zu Thal fährt. Berneck ist

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