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Das Gefecht bei Winkels und Nüdlingen.

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JE Baiern waren aus Kissingen hinausgeworfen, auch die Kirch hofsposition war verloren. Von ihrer ursprünglich innegehabten Stellung hielten sie nur noch, im Nordosten der Stadt, den Sinnberg fest. Hier standen noch, unter Cavallerie Bedeckung, dieselben Batterieen, die am Morgen des 10. ihr Feuer gegen die Höhen jenseits der Saale, gegen den Staffelberg und den Altenberg eröffnet hatten. In diese Position am Sinnberg rückten jezt auch die aus Kissingen sich zurückziehenden Bataillone der Division Zoller ein, wie es schien, entschlossen, an dieser Stelle einen erneuten Widerstand zu versuchen.

Sie durften es wohl. Denn, ganz abgesehen von der natürlichen Festigkeit der Stellung, war an eben dieser Stelle, von Münnerstadt her, auch eine neue Truppe eingetroffen, die Division Feder. Diese neue Division besezte den Höhenkranz, der das Dorf Winkels vom Rücken her einschließt, belegte das Dorf selbst, verstärkte den Sinnberg mit einigen Ba taillonen und schob das 7. Jäger-Bataillon auf den südlich der Chaussee sich hinziehenden Waldhöhen bis halben Wegs gegen Kissingen vor. Es war eine Hufeisenstellung, mit zwei Divisionen (Zoller und Feder) besezt; Winkels an der offnen Seite, schluchtartig, hart an der Chaussee.

Die Position war derart, daß eine bloße Wegnahme des Dorfes nicht genügte. Das Dorf wurde von allen Seiten her eingesehn. Die Höhen mußten genommen werden, vor allem der Sinnberg, der den dominirenden Punkt bildete. Dieser wurde mehr und mehr zur entscheidenden Stelle. Er wurd' es zweimal. In der That schlossen beide Gefechte, die der Nachmittag und Abend des 10. Juli noch brachte, mit Wegnahme resp. mit Wieder Wegnahme des Sinnberges ab.

Wir haben bis hierher die bairische Position um 2 Uhr Nachmittags, oder etwas später, geschildert. Wie standen die Preußen um eben diese Zeit? Die ganze Division Goeben hielt Kissingen beseßt; zuleht war das Füsilier-Bataillon 55. Regiments (das an der Queue des Gros marschirte) und gleich darauf die Reserve, das 19. Infanterie-Regiment (Polen), in die Stadt eingerückt.

Diese frischen Bataillone wurden jezt vorgenommen und auf zwei Linien gegen die Hufeisen-Position des Feindes (Centrum: Dorf Winkels) vorbeordert. Das Füsilier Bataillon vom 55., Oberstlieutenant v. Rex, sollte rechts ausbiegen und über die südlichen Höhen avanciren; das 19. Regiment, Oberstlieutenant v. Henning, erhielt Befehl, die große Straße zu halten und Winkels in der Front zu nehmen.

Aus den schon im Kampfe gewesenen Bataillonen der Brigade Wrangel wurde ein zweites Treffen formirt und zwar derart, daß das Bataillon Lippe und das 1. Bataillon 15. Regiments nach rechts hin der Umgehungscolonne unter Oberstlieutenant v. Rex, das 1. und 2. Bataillon 55. Regiments aber der Hauptcolonne unter Oberstlieutenant v. Henning zu folgen hatten. Auch die Brigade Commandeure theilten sich; das 19. Regiment, für diesen Abschnitt des Gefechts, war dem Generalmajor v. Kummer unterstellt worden.

Beide Colonnen avancirten jest gegen Winkels, die 19 er auf der Chaussee, die 55 er Füsiliere, vom Vataillon Lippe fast unmittelbar gefolgt, auf den rechts gelegenen Höhen. Die 55 er Füsiliere hatten einen Vorsprung; in lebhaftem Waldgefecht trieben sie das in Schützengruppen aufgelöste 7. bairische Jäger - Bataillon vor sich her, überschritten die Winter Leite und warfen im Laufschritt und mit Hurrah den heftig schießenden Feind in das Dorf hinein.

Es war die Südseite des Dorfes, gegen die sich der Angriff der 55 er gerichtet hatte; die 19 er (etwas später) faßten es in der nach Westen zu gelegenen Front. Der Widerstand war hier schwächer. »In nicht längerer Zeit, als man zum Marschiren braucht (so berichtet Oberstlieutenant v. Henning) wurde das Dorf genommen.« Das Bataillon Lippe und das 1. Bataillon vom 15. Regiment beide den 55 ern unmittelbar folgend rückten beinah gleichzeitig in das Dorf ein, das jezt unsererseits eine Besagung von

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etwa 6 Bataillonen hatte. (Drei Bataillone 19 er, Bataillon Lippe, 1 Ba taillon vom 15. und Füsilier-Bataillon vom 55. Regiment.)

Winkels war gewonnen. Aber in der linken Flanke, auf dem Sinnberg, stand noch immer der Feind. Der Moment war jezt da, wo, wenn man Winkels behaupten oder wohl gar gegen Nüdlingen vordringen wollte, diese festeste Position dem Gegner entreißen mußte.

Generalmajor v. Kummer gab dem 19. Regiment (Oberstlieutenant v. Henning) und dem ihm unterstellten Füsilier-Bataillon Lippe Befehl, zum Angriff gegen den Sinnberg und die sich östlich anschließenden Nüdlinger Höhen vorzugehen.

Oberstlieutenant v. Henning nahm das 2. Bataillon 19. Regiments (Major v. Wangenheim) und zwei Compagnieen Lippe in die Front, ließ das 1. Bataillon (Major v. Drygalski) im zweiten Treffen, das Füsilier - Bataillon (Major Kühne) als Reserve folgen und ging nunmehr tambour battant gegen die vom Feinde so hartnäckig behauptete Stellung vor. Der Sturm glückte; die Baiern wichen; das 19. Regiment hatte 90 Mann todt und verwundet. Mit derselben Raschheit wie das Dorf Winkels war auch diese dominirende Position genommen worden. General v. Kummer — der schon beim Debouchiren aus Kissingen eine polnische Ansprache an die 19 er gehalten hatte - erschien jezt an der Front des Regiments, lobte dasselbe für seine Tapferkeit und brachte dem Könige ein Hoch, in das die Bataillone mit lautem Hurrah einstimmten. Nach Osten zu sah man die Baiern in langer Marschcolonne abziehn. Es schienen 12 Geschütze, 8 Bataillone und 1 Regiment Cavallerie.

Dieser mit Raschheit, Umsicht und Bravour ausgeführte Angriff auf die Hauptposition des Gegners war übrigens (ohne daß die 19 er davon wußten) durch das gleichzeitige Vorgehn des 1. und 2. Bataillons 55. Regiments, die den 19 ern als Reserve gefolgt waren, nicht unwesentlich unterstüßt worden und stellte sich nuumehr, unter Miteinrechnung der Hülfe, die diese beiden Bataillone gewährt hatten, der Gesammt-Angriff dahin: daß das 1. Bataillon 55. Regiments auf dem äußersten linken Flügel, das 2. Bataillon 55 er im Centrum, das 19. Regiment sammt dem Bataillon Lippe auf dem rechten Flügel die Sinnberg- Position genommen hatten. Die Entscheidung gab unzweifelhaft der rechte Flügel, aber auch auf dem linken kam es zu einem ernsteren Rencontre und wir lassen deshalb an dieser Stelle, sowohl um ihrer Details wie um ihrer lebhaften Farben willen, die Schilderung folgen, die ein 55 er Offizier (Compagnieführer) von diesem Theil des Gefechtes am linken Flügel entwirft:

»Mir schlossen sich hier auch noch Theile der 2. und 3. Compagnie an und ich wendete mich nun einem westlichen Ausgange von

Kissingen, der Straße nach dem Sinnberge zu, die zugleich nach Nüdlingen führt. Das Terrain steigt von hier allmälig an. Ungefähr 800 Schritt vom Ausgange stand eine feindliche Batterie am Kamme einer Höhe, die mit unserer auf dem jenseitigen Ufer noch stehenden Batterie sich herumschoß und auch uns stark incommodirte. Gegen diese detachirte ich Lieutenant v. Papen mit seinem Zuge der 4. Compagnie, und später zur Verstärkung des Feuers Premierlieutenant v. Drouart mit einem Zuge der 1. Compagnie, dem sich dann nach rechts hin noch Hauptmann Delius mit Mannschaften seiner Compagnie anschloß. Lieutenant v. Papen mit seinem Zuge und einigen Leuten der 1. Compagnie rückt näher gegen die Batterie heran, das Feuer wird lezterer doch unbequem, mehrere Pferde sind schon gefallen, die Mannschaft arbeitet an Ab- und Anschirren; das Feuer hört endlich auf. Jezt beginnt die Batterie aufzuproßen, sie verschwindet dabei hinter der Höhe. Lieutenant v. Papen eilt mit seinem Zuge, die Höhe zu erreichen, nur etwa 20 Mann können ihm so rasch folgen, er, mit dem erst seit wenigen Tagen aus dem Cadettencorps gekommenen Portepée Fähnrich v. Bock und dem Avantageur Unteroffizier v. Wasmer allen Anderen voraus. Da auf einmal während diese drei und die vordersten der rasch nachfolgenden Leute eben in einen kleinen Hohlweg hinabgesprungen sind – kommt eine Schwadron bairischer Chevauglegers attakirend über den Berg, schwenkt über den Rest der noch auf dem Plateau befindlichen, sich hin. werfenden Leute (welche sofort, nachdem die Attake glücklich über sie weggegangen war, zurücklaufen und ihr Feuer eröffnen) dem Eingange des Hohlweges zu und versperrt denselben vollständig. Lieutenant v. Papen, Fähnrich v. Bock und Unteroffizier v. Wasmer mit noch 4 Mann befanden sich nun im wüthendsten Handgemenge. Ein Fünfter, Musketier Kiene, 4. Compagnie, entwischt, wird von zwei Cavalleristen verfolgt, bleibt stehen, verwundet einen durch seinen Schuß, der andere flieht, das erbeutete Pferd bringt er mit zur Compagnie. Lieutenant v. Papen beantwortet die Aufforderung des feindlichen Offiziers, sich zu ergeben, mit den Worten: »Den Teufel werd' ich mich ergeben!« ebenso Fähnrich v. Bock. v. Papen wird endlich niedergehauen, beschüßt von dem feindlichen Führer, der ihm zuruft: »Herr Kamerad, Sie sind ein ganz vorzüglich braver Offizier!« Den kleinen Fähnrich Bock aber können sie nicht unterkriegen. Er haut wie wüthend um sich, er blutet überall, ein Hieb ist ihm mitten durch den Helm in den Kopf eingedrungen, doch nicht tief. Schlimmer sind die Hiebe in den Arm, er fühlt die Kraft erlahmen. Da wird ihm der kleine Säbel aus der Hand geschlagen. Der Hieb, zu dem sein Gegner jegt eben ausholen will, muß den Kampf beenden! Gott der Herr aber denkt anders. Eine Kugel von unseren rückwärtigen Schüßen trifft den Chevaugleger ins Knie, er sinkt

vom Pferde, v. Bock entwischt durch den Trubel, wird zwar noch von einigen Cavalleristen verfolgt, indeß das Feuer der Schüßen hält sie in ehrfurchtsvoller Entfernung und bald ist das Feld bis auf die verwundeten Reiter und Pferde wieder rein; das Ganze war ja nur das Werk weniger Minuten. Auf die nun gemachte Meldung über den Vorfall war es mein Erstes gewesen, die Führer wieder zu ersehen; den v. Bock gab ich schon ganz verloren. Wie groß war meine Freude, als ich den braven Jungen mit verbundenem Kopf, Hals und Arm mir entgegenkommen und jauchzend seine Erlebnisse erzählen sah. Jeder Mann in der Compagnie wollte einen Händedruck von unserem kleinen Fähnrich haben. Mittlerweile war ich mit der Compagnie selbstständig weiter vorgegangen, da ich nicht wußte, wo der andere Theil des Bataillons war, ich auch keinen weiteren Befehl bekommen hatte. Major Rodewald bat ich, mir mit einem Theil seines Bataillons als Soutien zu folgen. Bei dem Heraustreten auf das freie Feld sah ich, daß wir den äußersten linken Flügel der Division bildeten. Vor uns auf den Höhen standen etwa vier Bataillone des Feindes. Nechts von mir stand unser zweites Bataillon. Zur Verbindung mit diesem entsendete ich einen Zug unter Lieutenant Bendemann in die Schüßenlinie und ließ nun vorrücken. Der Feind wartete uns nicht ab; unsere Schüßen warfen sich ihm immer näher und näher, so daß ihre Nähe ihm sehr unbequem wurde, und das Anrücken der Soutiens bestimmte ihn zur Umkehr. So gewannen wir die Höhe. Es war 4 Uhr Nachmittags. «")

So der Bericht unseres 55 ers über die Vorgänge am linken Flügel. Niemand ahnte, daß dieser schon so blutige Tag noch ein Nachspiel haben werde.

Auch der Gegner, soweit er Augenzeuge der Kämpfe am Sinnberg gewesen war, sah um diese Stunde das Gefecht als beendigt und völlig verloren an. Ein bairischer Offizier schreibt: „Die aus Kissingen sowie von Hausen zurückgewiesenen Truppen, die zurückfahrenden Batterieen, leere Munitions, Sanitäts- und Proviantwagen; andererseits von Münnerstadt anrückende Verstärkungen, Batterieen der Artillerie Reserve, die eben eintrafen, alles drängte sich in dem Nüdlinger Kesselthale und in Nüdlingen selbst zusammen. Die Verwirrung hatte ihren Gipfel erreicht. Bei diesem Anblick mußte selbst der Muthige zu zweifeln anfangen. Wie konnte man Ordnung schaffen in diesem Chaos? Wenn die Preußen rasch nachrückten, war Alles verloren." Aber dies Vorrücken unterblieb. Unfre Truppen waren zu erschöpft.

Die Baiern faßten wieder festen Fuß und ordneten sich.

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