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Übungen, Besichtigungen und Paraden, wozu militärische Persönlichkeiten delegiert werden. Den Abteilungen sind als Wegweiser und zum Schutze gegen eventuelle Mißverständnisse seitens der Bevölkerung Gendarmen mitzugeben.

Die militärische Beaufsichtigung der Jugendwehrabteilungen obliegt dem Militärstationskommandanten, in Orten, in welchen sich keine Militärabteilung befindet, den Militärkreischefs. Diese Funktionäre üben nach besonderen, vom Kriegs-, bzw. Marineministerium erlassenen Weisungen und im Einvernehmen mit den zivilen Lokalbehörden und den Gründern die Kontrolle über die Einrichtungen und die Unterrichtsführung aus. Sollte die Kontrolle ergeben, daß sich die Schüler das festgesetzte Programm voll angeeignet haben, so kann mit Zustimmung des Kriegs-, bzw. Marineministeriums bei diesen Gruppen der Lehrplan erweitert werden. Den Stationskommandanten ist es freigestellt, die Jugendwehrabteilungen bei besonderen feierlichen Anlässen an den militärischen Paraden teilnehmen zu lassen.

Während in den westeuropäischen Staaten die Jugendwehrorganisationen die gesamte Jugend umfassen und die Ausbildung nicht nur rein militärische Exerzitien, sondern auch das Schießwesen umfaßt, ist es in Rußland auffällig, daß die vorstehenden Bestimmungen hauptsächlich auf jene Jünglinge, die keinem Schulbesuch unterworfen sind, auf die übrigen jedoch nur fallweise zur Anwendung gelangen. Dieser Umstand ist vielleicht darauf zurückzuführen, daß die schulbesuchende Jugend ohnehin den militärischen Übungen im beschränkten Maße zugezogen wird. Man wird nicht fehlgehen, wenn man die militärischen Zwecken dienende vorangeführte Maßnahme der Heeresleitung trotz genau angegebener Ausbildungsziele in erster Linie als ein wirksames Gegenmittel betrachtet, um die in Rußland erwachende und alle Volksschichten bedrohende revolutionäre und antimilitaristische Propaganda zu bekämpfen; die etwa aus der Jugendwehrorganisation resultierenden Vorteile militärischen Charakters (Erleichterung der Rekrutenausbildung etc.) sind anscheinend erst in zweiter Linie berücksichtigt worden.

Marinenachrichten.

Die Katastrophe auf dem französischen Schlachtschiffe »>Liberté«<.

Einleitung.

Im letzten Lustrum hatte die französische Kriegsmarine im Kriegshafen von Toulon zwei große Katastrophen zu beklagen, u. zw. am 12. März 1907 den Verlust des durch eine Explosion in der achteren Pulverkammer für den aktiven Dienst unbrauchbar gewordenen Panzerschiffes Jena bald nach dessen Einbringung ins Dock und am 25. September 1911 das Auffliegen des ausgerüsteten und inmitten zweier Geschwader auf der Reede an einer Boje vertauten Schlachtschiffes Liberté aus der gleichen Ursache, aber mit dem Unterschiede, daß es diesmal die vorderen Munitionsdepots waren, welche den Anstoß gegeben haben.

Die letztere Katastrophe war die weitaus wirkungsvollere, denn sie hatte die völlige Zerstörung der Liberté, einen größeren Verlust an Menschenleben an Bord derselben und diesmal auch auf den Nachbarschiffen, sowie schwere Havarien auf den letzteren zur Folge. »Jena lag eben völlig frei im Trockendock und die Explosion konnte sich daher nach allen Richtungen gleichmäßig geltend machen, während der bei Liberté unten und seitlich vorhandene Wasserwiderstand den in der Tiefe der Schiffsräume gebildeten Gasen nur den Weg nach oben frei ließ.

Das zu grunde gegangene Schlachtschiff » Liberté stammt aus dem Jahre 1906 und gehört zu der sechs gleichartige Einheiten umfassenden, sogenannten Patrie-Klasse. Bei einer Länge von 134 m, einer Breite von 24 m und einem Tiefgange von 84 m haben diese Schiffe ein Deplacement von rund 15.000 t, Maschinen von 18.000 H. P., laufen 19.4 Seemeilen und beherrschen bei ökonomischer Fahrt einen Aktionsradius von 8400 Meilen.

Die Panzerung ist nur eine mittelmäßige und ein besonderer Unterwasserschutz ist nicht vorhanden; die Bestückung umfaßt vier

305 mm-Hauptgeschütze in 2 an den Schiffsperpentikeln auf Deck angeordneten Doppeltürmen, 10 zum Teil in Türmen, zum Teil in Kasematten untergebrachte 194 mm-Beigeschütze, 13 65 mm-Schnellfeuerkanonen in der Batterie und 10 Stück 47 mm-Mitrailleusen, die auf den beiden Lauf brücken und in der Vormars aufgestellt sind, endlich 4 Breitseit-Lancierapparate. Die Munitionskammern sind auf den Schiffen dieses Typs derart angeordnet, daß jeder Geschützturm, resp. jede Geschützgruppe über ein eigenes, direkt unterhalb befindliches Depot verfügt und der Schiffsboden daher einen ausgedehnten Munitionslagerraum darstellt.

Hergang der Katastrophe.

Am 25. September 1911 fand aut den Schiffen der auf der Reede von Toulon liegenden beiden Geschwader um 5h 151 früh das Auspurren (Wecken) der nachtsüber dienstfrei gebliebenen Mannschaft statt und um diese Zeit war an Bord der Liberté noch nichts Auffälliges zu bemerken, aber bereits um 5h 301 erfolgte eine schwache, dumpftönende Detonation im Innern des eisernen Fockmastes, dessen Hohlraum den vorderen Munitionsdepots als Ventilationsschacht diente und zugleich den Patronenaufzug für die in der Vormars postierten Mitrailleusen barg.

Etwa drei Minuten später folgten in Pausen von je einer Minute drei oder vier weitere Detonationen von ungefähr gleicher Stärke und gleichzeitig schlugen Flammen und gelber bis orangebrauner Qualm aus dem Fockmast, dem Kommandoturm, dann aus den Kasematten und aus dem vorderen Maschinenschlot und jetzt mochte man wohl wissen, woran man war und was zu befürchten stand.

Nach Proklamierung des Brandalarms wurde die Unterwassersetzung sämtlicher Munitionsdepots angeordnet und bei den rückwärtigen Kammern war diese Maßregel anstandslos durchzuführen nicht so vorne, wo dichter Rauch und Stickgase im Nu jene Räume erfüllt hatten, in denen die betreffenden Wassereinlaßventile situiert waren. Ein Ingenieur, zwei Offiziere und mehrere Unteroffiziere, welche gleichwohl diese Räume zu erreichen trachteten, büßten diesen Versuch mit dem sofortigen Erstickungstode.

Indessen waren auf Deck Vorbereitungen getroffen worden, um das im Winde aufgeschweite Schiff verkehrt (i. e. mit dem Achterteil voraus) an die Boje zu binden, um so den Herd des vorne (im Bug) ausgebrochenen Feuers nach Lee zu verlegen.

Bevor jedoch dieses Manöver zur Ausführung kommen konnte und während des anscheinend gestatteten Abzuges eines Teiles der Bemannung mittels der von anderen Schiffen zur Hilfeleistung ent

sendeten Boote kam es um 5h 531 zu einer furchtbaren Explosion zum Auffliegen höchstwahrscheinlich aller Pulver- und Geschoßkammern des Vorschiffes, wodurch dieses letztere vom Hauptkörper förmlich abgerissen, völlig zerstört und zum sofortigen Sinken gebracht wurde, während das an seinen Aufbauten schwer havarierte Achterschiff in seinen unteren Teilen erhalten blieb und am seichten Grunde aufruhte.

Die vorderen Geschütztürme wurden losgerissen und deren Trümmer weit weg ins Wasser geschleudert, die Kuppel des Hauptgeschützturmes ward in der Nähe des 150 m entfernten Schlachtschiffes »République und der Fockmast 50 m vom Wrack aufgefunden. Das Panzerdeck des mittleren Schiffsteiles ist samt den darüber gelegenen Decken und Aufbauten (inkl. der zerstückelten mittleren Beigeschütze und ihrer Türme) in der Längsrichtung um 180° gegen Achter förmlich umgeklappt und auf das Achterschiff geworfen worden. Die Trümmer des Vorschiffes wurden mit phänomenaler Gewalt über die ganze Reede verstreut und auf Entfernungen bis zu 2 km geschleudert, zerstörten sieben zu Hilfe geeilte Boote, töteten deren Bemannungen und richteten auf den umliegenden Kriegsschiffen (fast durchwegs Schwesterschiffen der Liberté) schweren Schaden an.

An Bord der République wurden zwei übereinandergelagerte Decke an vielen Stellen durchbrochen und an der Seitenwand dieses Schiffes durch eine 37 t schwere Panzerplatte sowie durch ein krepiertes Melinitgeschoß der »Liberté schwere, bis an die Wasserlinie reichende Breschen geschlagen. Durch den bloßen Luftdruck der Granatensprengladung wurde ein nahe dem Treffpunkte aufgestelltes Schnellfeuergeschütz aus seiner Installierung gehoben.

Auf der Démocraties wurde die rückwärtige Brücke und die Offiziersmesse durch schwere Eisenteile, die wie Projektile dort anlangten und wirkten, zerstört. An Bord der »Vérité« erlitten die Aufbauten hauptsächlich durch die dort niedergefallenen Teile Kommandobrücke der » Liberté« einen geringfügigen

der Schaden.

Die Reparaturen der Démocratie werden vier, jene der République« aber zehn Wochen erfordern.

Große, auf dem seichten Grunde liegende Schiffstrümmer gefährden die Navigation und ein älteres Schlachtschiff kam beim Einlaufen in den Hafen auf eine solche Untiefe und erlitt eine Beschädigung des Kieles.

Die Zahl der Toten und Vermißten beläuft sich insgesamt auf 210 (auf Liberté 143, auf anderen Schiffen 67), die der schwer oder leicht Verwundeten auf 136, resp. 48 (u. zw. auf »Liberté 91, resp. 0, ansonsten auf 45, resp. 48) Personen.

Ursachen der Katastrophe.

Eine aus dem Konteradmiral Gachard, vier zumeist höheren Seeoffizieren, dann aus je einem Artillerie- und Schiffbauingenieur bestehende Kommission wurde damit betraut, die Ursachen der stattgehabten Katastrophe zu eruieren und, wiewohl das Ergebnis dieser Untersuchung noch nicht veröffentlicht worden ist, so weisen die Begleiterscheinungen der Explosion und verschiedene Umstände denn doch schon jetzt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit darauf hin, daß es sich auch in diesem Falle gerade so wie vor 4 Jahren auf der »Jena« um die spontane Selbstentzündung des Pulvers gehandelt hat und daß andere Ursachen (Entstehung eines Brandes durch Kurzschluß, Fahrlässigkeit oder Böswilligkeit) als ausgeschlossen betrachtet werden müssen.

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Vizeadmiral Germinet betont diesbezüglich, daß die seit 1907 in den Munitionskammern aller französischen Kriegsschiffe neu systemisierten elektrischen Leitungen absolut keinen Kurzschluß zulassen und hinsichtlich des kolportierten Gerüchtes von einem in der Nähe der Depots ausgebrochenen Brande (der den ersten Detonationen unmittelbar vorangegangen sein soll) ist zu konstatieren, daß ein solches Ereignis erwiesenermaßen nicht stattgefunden hat. Böser Wille oder Nachlässigkeit vermögen eine derartige Katastrophe nur unter Bedin gungen herbeizuführen, die sehr schwer zutreffen werden, denn das Betreten der Munitionslagerstätten ist nur wenigen und absolut zuverlässigen Personen gestattet, hat im vorliegenden Falle, kurz vor dem kritischen Zeitpunkte (in der Nacht oder am frühen Morgen) ganz gewiß nicht stattgefunden (weil kein Anlaß denkbar ist, der das Öffnen der Kammern zu so ungewöhnlicher Stunde erfordert hätte) und schließlich spricht auch der Umstand, daß nicht die achteren, unter den Offizierswohnungen gelegenen, sondern die vorderen Magazine aufgeflogen sind, gegen die Wahrscheinlichkeit eines verbrecherischen Anschlages.

Anderseits wurde aber schon anläßlich des sehr ähnlich verlaufenen Falles auf der »Jen a« und jetzt abermals geltend gemacht, daß das in der französischen Kriegsmarine in Verwendung stehende, sogenannte B-Pulver, neben einigen recht wünschenswerten Eigenschaften (Rauchschwäche und niedere Verbrennungstemperaturen und daher auch geringe Erosion der Geschützrohre) auch große Nachteile (namentlich geringe Lagerbeständigkeit, i. e. große Empfindlichkeit gegen Feuchtigkeit und noch mehr gegen Wärme) aufweist und daß diese Gebrechen mit der Zeit (unter Umständen sogar verhältnismäßig bald) eine Zersetzung dieses Nitrozellulosepräparates und dann dessen Entzündlichkeit befürchten lassen.

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